Rostock. Vorm Nordduell erklärt Clubchef Pieckenhagen, was er von seiner schwachen Offensive erwartet und warum er auf Transfers verzichtete.

Einen Zugang hat Hansa Rostock in der Winterpause dann doch noch bekommen. Vor der Rückrunde in der 2. Fußball-Bundesliga wurde ein neuer Rasen im Ostseestadion inklusive neuer Rasenheizung verlegt und installiert. Doch allein wegen des neuen Untergrundes gibt sich Hansas Trainer Patrick Glöckner vor dem Nordduell am Sonntag (13.30 Uhr/Sky) gegen den HSV nicht zuversichtlich. „Der HSV ist der Favorit, kommt mit einer breiten Brust und individuellen Klasse. Aber auch wir kennen unsere Stärken“, sagte der 46-Jährige am Freitag.

Zu den Hansa-Stärken zählt in dieser Saison aber sicher nicht die Offensive. Gerade für den Angriff, dem in bislang 18 Punktspielen gerade einmal 17 Tore gelang, waren neue Spieler erwartet worden. Doch Sportvorstand Martin Pieckenhagen fand keine Akteure, die aus seiner Sicht dem Verein sofort weiterhelfen würden und finanzierbar wären.

Rostocks Sportvorstand Pieckenhagen fordert mehr von Ex-HSV-Stürmer Hinterseer

„Es geht um die Qualität“, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. „Wir sind in den Augen der meisten noch immer ein Kandidat, der gegen den Abstieg spielt. Und wir sind nicht der HSV, ein Kandidat, der um den Aufstieg spielt.“ Das mache bei dem ein oder anderen Spieler was aus. Das sei normal und nicht verwunderlich. „Wir haben klare Prinzipien, den wir uns unterwerfen. Und wenn nichts dabei ist, dann ist nichts dabei.“

Für Hansa Rostocks Sportvorstand Martin Pieckenhagen ist ein Spiel gegen seinen Ex-Club HSV „immer etwas anderes“.
Für Hansa Rostocks Sportvorstand Martin Pieckenhagen ist ein Spiel gegen seinen Ex-Club HSV „immer etwas anderes“. © dpa | Bernd Wüstneck

Der einstige HSV-Torwart Pieckenhagen nahm daher die Spieler in die Pflicht, besonders die in der Offensive. Er hatte am Donnerstag vor Medien deutlich gemacht, dass er mehr von Profis wie dem früheren HSV-Stürmer Lukas Hinterseer, Haris Duljevic oder Ridge Munsy erwartet: „Die Jungs müssen sich an die eigene Nase packen und konsequenter sein in der Verwandlung von Torchancen. Das ist der Anspruch, den sie an sich selbst haben müssen.“

Pieckenhagen empfahl den Stürmern, sich ihrer besten Zeiten zu besinnen: „Lukas Hinterseer hat mal in Bochum 18 Tore gemacht. Oder Sébastien Thill, der vorige Saison mit Sheriff Tiraspol in der Champions League und der Quali drei Tore und drei Vorlagen hatte – die müssen sich mal daran erinnern, dass sie das mal gemacht haben und das wieder auf die Platte kriegen.“

Ex-HSV-Stürmer Hinterseer läuft in Rostock seiner Form hinterher

Der Österreicher Hinterseer (31) spielte von 2019 bis Januar 2021 für den HSV, bei dem er die Erwartungen letztlich nie erfüllen konte. Über Ulsan (Südkorea) und Hannover 96 kam er im vergangenen Sommer nach Rostock. Für die Hansa gelangen ihm bei zwölf Ligaeinsätzen ein Tor und eine Vorlage. Beim Rückrundenauftakt in Heidenheim am vergangenen Wochenende stand er nicht einmal im Kader.

Das aber dürfe laut Pieckenhagen kein Grund sein, sich hängen zu lassen: „Die Spieler können sich nicht zurückziehen in irgendwelches Mitleidsgedusel, dass sie im Moment nicht oder nicht von Anfang an spielen. Wenn sie auf dem Platz stehen – und wenn es nur eine Minute ist –, dann müssen sie alles rausbrettern.“

Früherer HSV-Profi ist Rostocks Abwehrchef

Der HSV kommt indes mit dem Top-Torjäger der Liga nach Rostock. Robert Glatzel traf schon 13-mal. „Einen Spieler wie ihn kann man nie ganz ausschalten. Aber wir versuchen, seinen Radius einzuschränken und in den Bereichen, in denen er sich wohlfühlt, gut in die Zweikämpfe zu kommen“, sagte Trainer Glöckner. Dafür soll unter anderen der ehemalige HSV-Verteidiger Rick van Drongelen sorgen, der unter Glöckner Abwehrchef wurde.

Trotz des Harmlos-Sturms stehen die Mecklenburger im zweiten Jahr nach dem Wiederaufstieg tabellarisch als Neunter gut da. Doch das Bild ist trügerisch. Der Abstand zum Abstiegsrelegationsplatz beträgt vor dem 19. Spieltag nur drei Zähler, der Tabellenachte Holstein Kiel hat sieben Punkte mehr als Hansa. „Wir führen gerade die Mannschaften an, die gegen den Abstieg spielen“, sagte Pieckenhagen. Nach oben in der Tabelle gebe es ein großes Loch. „Für uns geht es darum, in den restlichen Spielen so schnell wie möglich die Punkte einzusammeln, die wir brauchen.“

Das Anfangsprogramm von Hansa in der Rückrunde hat es allerdings in sich. In den ersten vier Spielen des Jahres treffen die Mecklenburger auf die ersten drei Mannschaften der Hinrunden-Tabelle. Zum Auftakt der Rückserie gab es beim Dritten 1. FC Heidenheim ein 0:2, am Sonntag kommt der Zweite HSV. Nach dem Auswärtsspiel bei der abstiegsgefährdeten Arminia aus Bielefeld am kommenden Freitag kommt Tabellenführer Darmstadt 98 am 18. Februar ins Ostseestadion.

„Wir wissen, wie hart das Anfangsprogramm ist, wenn man auf die Namen schaut und den entsprechenden Tabellenplatz dahinter“, sagte Pieckenhagen. „Aber davon lassen wir uns nicht verrückt machen. Am Ende müssen wir gegen alle Mannschaften spielen. Da ist der Zeitpunkt schlichtweg egal.“

Für ihn ist die Partie gegen den HSV am Sonntag auch ein Wiedersehen mit der Vergangenheit. „Grundsätzlich ist es immer etwas anderes, wenn man gegen einen Verein spielt, wo man früher selber aktiv war“, sagte der 51-Jährige. „In diesem Fall ist es bei dem HSV ähnlich.“ Der frühere Torwart hatte von 2001 bis 2005 für den HSV 100-mal in der Bundesliga gespielt.

Rostocks Sportvorstand Martin Pieckenhagen stand in 100 Bundesligaspielen im Tor des HSV.
Rostocks Sportvorstand Martin Pieckenhagen stand in 100 Bundesligaspielen im Tor des HSV. © dpa | Carmen Jaspersen

Den Hamburgern traut er in dieser Saison zu, bis zum Ende mit oben um den Aufstieg zu spielen. „Der HSV probiert es ja seit dem einen oder anderen Jahr. In diesem Jahr sind sie zu diesem Zeitpunkt auch wieder nah dran wie in den Jahren zuvor“, meinte Pieckenhagen. „Aufgrund ihrer wirtschaftlichen Qualität und der damit zusammenhängenden sportlichen Qualität, glaube ich, werden sie bis zum Schuss ein gewichtiges Wort um den Aufstieg mitreden.“

Dass die Rostocker aber auch fähig sind, den HSV zu ärgern, zeigten sie im Hinspiel. Damals gewannen sie überraschend im Volksparkstadion mit 1:0. Torschütze war Kevin Schumacher – ein Mittelfeldspieler.