Hamburg. In Darmstadt muss der HSV Topscorer Kittel ersetzen. Tim Walter pokert zunächst – und lässt sich dann doch in die Karten blicken.

Tim Walter ist keiner, der über seine Personalsituation hadern würde. Auch der Ausfall seines vermeintlich unersetzbaren Topscorers Sonny Kittel für das Auswärtsspiel am Sonntag bei Tabellenführer Darmstadt 98 (13.30 Uhr/Sky und im Liveticker bei abendblatt.de) macht dem Trainer des HSV nicht zu schaffen. Zumindest nach außen hin.

Auf die Frage, wer denn beim HSV den gelbgesperrten Kittel (14 Vorlagen und vier Tore) ersetzen könnte, blieb Walter cool und ließ sich wie gewohnt nicht in die Karten gucken. „Alles ist möglich“, sagte er. „Wir versuchen, den Ausfall über das Team zu steuern. Das ist auch unsere große Stärke. Wie wir es genau machen, weiß ich noch nicht.“

HSV: Walter vertraut Kinsombi als Kittel-Ersatz

Doch wer genau hinhörte, der bemerkte anhand des überschwänglichen Lobes für einen Profi, dass sich Walter möglicherweise doch schon entschieden hat. Nämlich für David Kinsombi.

„David ist ein Spieler, der sich selber sehr viel Druck macht und der an sich sehr hohe Erwartung hat. Wenn er das nicht erfüllen kann, tut er sich sehr schwer damit“, begann Walter zunächst noch kritisch, ehe er umschwenkte und den in Hamburg nur selten überzeugenden Mittelfeldspieler starkredete. „Das hat David in letzter Zeit versucht zu relativieren. Seitdem geht es ihm leichter von der Hand. Ich finde, dass er sich in den vergangenen Monaten brutal weiterentwickelt hat, was den Kopf betrifft. Er ist sehr wichtig für uns, das weiß er auch. Wir freuen uns, dass er mehr Konstanz in sein Spiel hineinbekommt.“

Die Freude scheint so groß zu sein, dass Kinsombi in Darmstadt voraussichtlich eine Chance von Beginn an erhalten wird. „Er ist brutal torgefährlich, muss aber noch mehr in die Box reingehen“, gibt der Coach seinem Schützling mit auf den Weg.

Walter verrät Chakvetadzes HSV-Rolle

Kinsombi kommt zugute, dass sein Hauptrivale, Neuzugang Giorgi Chakvetadze, nach gerade einmal fünf Trainingseinheiten mit der Mannschaft sowie einer Halbzeit im Testspiel gegen Midtjylland (1:5) noch nicht bereit für einen Startelfeinsatz ist.

„Er braucht mit Sicherheit noch ein bisschen“, sagte Walter über den Georgier, der in den zurückliegenden eineinhalb Jahren kaum Spielpraxis erhalten hat. „Wir sind froh, dass wir ihn haben, er hat sein Potenzial schon angedeutet. Für eine Einwechslung ist er mit Sicherheit schon reif.“ Für die Startelf brauche Chakvetadze dagegen noch „eine oder zwei Wochen“.

HSV: Vagnoman noch keine Option für Walter

Noch ein bisschen mehr Zeit benötigt Youngster Josha Vagnoman für sein Comeback. Auch wenn der schnelle Außenverteidiger, der in dieser Saison erst 14 Minuten zum Einsatz kam, im Training schon wieder voll mitmischt und sich auch in Zweikämpfen nicht schont, sei er für einen Platz im Kader noch keine Option. „Er ist noch nicht soweit“, sagte Walter, der auch nach einem seiner ehemaligen Spieler befragt wurde: Klaus Gjasula.

Nach einer persönlichen Horrorsaison mit vielen Fehlern beim HSV wurde Gjasula im vergangenen Sommer schnell klar, dass er unter Walters laufintensivem Spielstil kaum Aussichten auf Einsätze gehabt hätte. Also löste der ein Jahr zuvor als „Säulenspieler“ verpflichtete Gjasula seinen Vertrag in Hamburg auf und wechselte zu Darmstadt 98, wo er – anders als beim HSV – gebraucht wurde.

Stilvoll: Walter lobt Ex-HSV-Profi Gjasula

Kurioserweise könnte Gjasula nun mit Darmstadt aufsteigen, während der HSV ein weiteres Jahr in der Zweiten Liga verbleibt. Doch ein solches Szenario ist für den Moment natürlich noch Zukunftsmusik. Und dennoch dürfte es den einen oder anderen Beobachter wundern, wie es Gjasula nach seiner missglückten Station im Volkspark geschafft hat, plötzlich wieder wichtig zu werden.

„Klaus ist mit Sicherheit ein sehr, sehr guter Spieler. Vor allem ist er auch ein guter Kerl“, sagte Walter stilvoll. Der Coach hätte die Möglichkeit gehabt, zu betonen, wie wenig Gjasula in sein System gepasst hätte. Doch er tat es nicht, sondern lobte seinen Ex-Spieler sogar. „Wir sind sehr gut miteinander ausgekommen. Er hatte in Darmstadt die Möglichkeit, mehr zu spielen, weil sie etwas anders agieren als wir. Trotzdem ist er ein sehr guter Spieler.“

Eine Aussage, die vermutlich nicht jeder HSV-Fan in dieser Form treffen würde.