Hamburg. Erst mal weg aus Hamburg, so lautete das Motto für Heribert Bruchhagen und Jens Todt. Während sich der ehemalige HSV-Vorsitzende am Nachmittag Richtung Harsewinkel in Ostwestfalen aufmachte, wollte der entlassene Sportchef am Abend Richtung Potsdam zu seiner Familie fahren.
Natürlich sei er enttäuscht, sagte Todt, der am Sonntag noch in der Schweiz bei der Partie zwischen Lugano und Young Boys Bern nach Verstärkungen gesucht hatte. Aber „wirklich überraschend kam die Entscheidung für mich nicht. Wenn sich alle einig sind, dass es im Sommer nicht mehr weitergegangen wäre, dann ist es nur folgerichtig, schon jetzt eine Entscheidung zu treffen.“ Selbstverständlich stünde er für eine geordnete Übergabe zur Verfügung. „Und sollte ein Nachfolger gefunden sein, würde ich dem natürlich auch mit Rat und Tat zur Seite stehen.“
Am 6. Januar 2017 war Todt als neuer Direktor Profifußball eingestellt worden. Sein Vertrag lief bis zum 31. Dezember 2018, der Kontrakt von Bruchhagen (fing im Dezember 2016 an) endete im Juni 2019. Die Abfindungsregelung soll jedoch moderat ausfallen.
Todt wurde Großverdiener nicht los
Die Bilanz der sportlichen Führung fällt verheerend aus. Bruchhagen analysierte selbstkritisch, dass er sich von der guten Rückrunde 2016/17 habe blenden lassen, als der HSV in den letzten 16 Spielen 25 Punkte holte. Sein Ziel, der Mannschaft im Sommer eine neue Struktur zu geben, indem sich der HSV von allen Großverdienern trennt (Holtby, Ekdal, Hunt, Lasogga), scheiterte indes grandios.
Einzig Lasogga konnte nach Leeds verliehen werden, wobei der Club sogar noch über eine Million Euro des Gehalts übernehmen musste.

Gleichzeitig gab es die klare Vereinbarung mit dem Aufsichtsrat, im laufenden Geschäftsjahr endlich wieder ein ausgeglichenes Ergebnis zu erzielen. Das Gehaltsniveau sollte auf 48 Millionen Euro sinken. In der Folge war der Vorstand nur bedingt handlungsfähig – auch deshalb, weil Investor Klaus-Michael Kühne klare Vorstellungen hatte, was mit seinem Geld zu passieren habe.
Kommentar: Hoffmann in der Pflicht
So verriet er sogar öffentlich, dass er André Hahn (kam für 6,5 Millionen Euro) nur finanziere, wenn Bobby Wood gehalten würde – was dann auch geschah. Der Stürmer, der bald darauf in ein bis heute andauerndes Leistungsloch fiel, stieg mit einer Jahresgage von drei Millionen Euro zu den Topverdienern auf. Weder Bruchhagen noch Todt gelang es, die Konstellation mit Kühne und seinem früheren Berater Volker Struth, der Hahn und Wood zu seinen Klienten zählt, aufzubrechen.
Transfers: teuer und nicht gut
Von den Sommereinkäufen floppten neben Hahn auch Torwart Julian Pollersbeck (3,5 Millionen Euro), für Kyriakos Papadopoulos (6,5 Millionen Euro) griff der HSV tief in die Tasche. Als Verstärkung entpuppte sich nur Rick van Drongelen (3 Millionen Euro).
Noch schwerwiegender für Todt fiel die Untätigkeit nach dem Kreuzbandriss von Nicolai Müller ins Gewicht. Obwohl sich der beste HSV-Spieler bereits am ersten Spieltag verletzte, schaffte es Todt nicht, realistische Ideen für einen Ersatz zu entwickeln.
HSV-Kader im Umbruch: Wer bleibt, wer geht?
* Rot: Spieler, die den HSV wohl verlassen. Grün: Profis, die eher bleiben. Schwarz: Zukunft offen. Marktwert-Quelle: transfermarkt.de
Nur bedingt taugt dabei als Verteidigung, dass Kühne während der Winter-Transferperiode dem Vorstand mitteilte, dass er nicht vorhabe, weitere Millionen zur Verfügung zu stellen. Auch Ex-Trainer Markus Gisdol soll sich intern darüber beklagt haben, dass Todt wenig kreative Ideen hatte und keine Verstärkungen heranbrachte.
Selbst wenn Bernd Hoffmann nicht die Wahl zum Präsidenten gewonnen hätte, wären wohl die Tage des Sportchefs auch unter dem abgewählten Jens Meier gezählt gewesen. So aber spielt Hoffmann für Todt zum zweiten Mal Schicksal. 2009 trat der damalige Nachwuchschef nach einem Zerwürfnis mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden Hoffmann zurück.
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