Neun Teams sind gefährdet. Der HSV muss gegen Mönchengladbach nach dem 0:8 in München einiges gutmachen

Hamburg. Mehr Druck als sonst verspüre er nicht. Es sei kein Schicksalsspiel, auch gegen Mönchengladbach gehe es am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) nur um drei Punkte. „Der Druck ist sogar eher geringer, da Gladbach eine Spitzenmannschaft stellt. Wenn wir am Ende alles gegeben haben, aber nichts hängen bleibt, dann ist das eben so“, sagte HSV-Trainer Joe Zinnbauer am Freitag.

Ganz so entspannt stellt sich die Situation vor dem Duell mit der Borussia jedoch nicht dar. Auch wenn der HSV bisher immerhin 23 Punkte zusammengespielt – oder eher gekämpft – hat, ist der Relegationsplatz 16 nur zwei Zähler entfernt. So eng ging es am Tabellenende nur ganz selten zu: Seit Einführung der Drei-Punkte-Regel in der Saison 1995/96 war der Abstand zu den Abstiegsrängen mit 23 Zählern am 21. Spieltag nur in den Jahren 1998 und 2011 noch geringer (ein Punkt), im Schnitt hätte der HSV mit dieser Bilanz 4,2 Punkte Vorsprung gehabt. „Ich kann es leider nicht beeinflussen, wie viele Punkte wir am Ende benötigen. Wenn es nur 27 sind, wäre das toll, doch das ist eher unwahrscheinlich“, mutmaßt Zinnbauer.

Wir erinnern uns: 27 Punkte hatten in der vergangenen Saison gereicht, um dem direkten Abstieg zu entgehen. Mit dieser Ausbeute durfte der HSV in die Relegation gegen Greuther Fürth. Somit hätte jedes Team mit 28 Zählern die Klasse gehalten. Bei einem Sieg gegen Gladbach hätte der HSV bereits 26 Punkte auf seinem Konto, zwölf Spieltage vor dem Ende. Doch in gesicherten Gefilden wäre die Zinnbauer-Elf in dieser Saison damit noch lange nicht. Nicht nur, dass die Tabellensituation im Keller sehr eng ist – Hannover auf Platz zehn und Hertha auf Platz 17 trennen gerade einmal vier Punkte – sondern vor allem die Tatsache, dass mit Dortmund, Berlin und Stuttgart gleich drei Teams hinter dem HSV rangieren (das Freitagsspiel nicht berücksichtigt), deren Potenzial ungleich größer ist als ihr Tabellenplatz, kann die Hamburger nicht in Sicherheit wiegen.

Eine gern zitierte Fußball-Weisheit besagt, dass ein Club mit 40 Punkten auf dem Konto nicht mehr absteigt. Seit 95/96 hätte diese Ausbeute auch immer zum Klassenerhalt gereicht. Der Karlsruher SC musste 1998 aufgrund der schlechteren Tordifferenz mit 38 Punkten in die Zweite Liga, doch im Durchschnitt waren 36 Punkte ausreichend, um über dem Strich zu bleiben (für Platz 16 reichten sogar nur 33 Zähler). Würde der HSV also seinen bisherigen Punkteschnitt halten, käme er auf 37 – und bliebe damit aller Wahrscheinlichkeit nach auch in Zukunft der Bundesliga-Dino.

Wer diesen im Duell mit den Gladbachern vertritt, will sich Zinnbauer erneut bis kurz vor Anpfiff offenhalten. „Es macht keinen Sinn, irgendjemandem jetzt schon den Freifahrtschein auszustellen, wir müssen die Spannung bis zuletzt hochhalten“, meint der Coach. Als sicher gilt jedoch, dass die Viererkette gleich auf mehreren Positionen ein neues Gesicht bekommt: Der wieder genesene Dennis Diekmeier ersetzt Ashton Götz rechts, Matthias Ostrzolek seinen Konkurrenten Ronny Marcos auf links. Und Slobodan Rajkovic könnte Heiko Westermann auf die Bank verdrängen. Das taktische Verhalten im Defensivverbund war auch ein Schwerpunkt in der Trainingsarbeit. Immer wieder übte Zinnbauer das Verschieben, unterbrach mehrfach und war zwischenzeitlich alles andere als zufrieden mit dem, was er sah. In unüberhörbarer Lautstärke echauffierte er sich über die mangelnde Umsetzung durch seine Jungs. „Kommt schon, nun denkt doch mal mit.“

Auch der bislang beim Coach unumstrittene Rafael van der Vaart durfte während der Trainingswoche nur selten das Leibchen der Stammspieler tragen, obwohl Zinnbauer für ihn eine kleine Lanze brach: „Er ist mein Kapitän, und das wird er auch bleiben.“ Säße der Niederländer nur auf der Bank, müsste auch die Binde neu vergeben werden. Die angeschlagenen Ivica Olic und Petr Jiracek sollen einsatzfähig sein, bei Cléber und Valon Behrami bestünde nur noch eine minimale Resthoffnung. Auf der linken Seite könnte Mohamed Gouaida eine neue Chance bekommen.

Mehr als nur eine Resthoffnung auf einen Dreier sollte die Tatsache bereiten, dass der Gegner nach der unglücklichen 0:1-Niederlage in der Europa League in Sevilla nur 64 Stunden Zeit zur Regeneration haben wird, um gegen den HSV wieder im Vollbesitz seiner Kräfte zu sein. Doch die Hamburger müssen in erster Linie selbst ihre Hausaufgaben machen. „Wir wollen wieder dahin kommen, wo wir vor dem 0:8 im Bayern-Spiel waren“, gibt Zinnbauer als Ziel aus. Doch ob das reichen wird, ist fraglich, denn die Siege in Paderborn und gegen Hannover waren eher dem Unvermögen der Gegner geschuldet als der eigenen Klasse. Immerhin hatte sich das Team als Einheit präsentiert – der kleinste gemeinsame Nenner, wenn es um den Klassenerhalt geht.

In der Theorie ist übrigens auch folgendes Szenario denkbar: Alle 18 Teams teilen sich die 918 Punkte, die maximal zu vergeben sind, gerecht auf und liegen am Ende mit 51 Punkten sowohl auf Platz eins als auch auf Platz 18. Das gab es freilich noch nie und wird es in dieser Saison auch nicht geben. Die Bayern sind Schuld – sie haben jetzt schon einen Punkt zu viel.