Der HSV-Kapitän blickt dennoch nach vorne. Am wichtigsten sei jetzt neues Selbstvertrauen. Wenn er selber Leistung bringe, wirke sich das positiv auf die Mitspieler aus.

Hamburg. Viel geredet hat er nicht. Das hätte nicht viel gebracht, mutmaßt Rafael van der Vaart. Der Spielführer des HSV sah in den Tagen nach der historischen Pleite bei den Bayern keinen Bedarf, den Gründen für das kollektive Versagen seiner Teamkameraden verbal auf die Spur zu kommen. „Wir haben im Trainingslager genug geredet, vielleicht ist es nach so einem Spiel einfach besser, mal gar nichts zu sagen und jedem die Chance zu geben, das mit sich selbst auszumachen“, erklärte van der Vaart am Mittwoch.

Doch nicht nur seine Mitspieler, auch er selbst blieb meilenweit hinter den Erwartungen zurück. Denen des Trainers, der Öffentlichkeit und auch seinen eigenen. „Ich bin nicht in der Form, die ich mir wünsche, habe schlecht gespielt. Wenn ich als zentraler Akteur besser spiele, spielen die anderen vielleicht auch wieder besser“, nimmt van der Vaart seine Mannschaftskollegen in Schutz. Derzeit käme es einfach darauf an, irgendwie Punkte einzufahren. „Laufen kämpfen, laufen, kämpfen – das ist nicht ganz die Situation, in der ich glänzen kann.“

Doch dass sich der 32-Jährige jemals wieder seiner Topform nähert, bezweifeln mittlerweile viele. Nun hat sich auch noch Rekordnationalspieler Lothar Matthäus in der „Sport Bild“ zu Wort gemeldet und in seiner Experten-Kolumne festgestellt, dass der HSV ohne van der Vaart besser aufgestellt wäre. „Seine Zeit ist aus und vorbei. Im defensiven Mittelfeld ist er keine Stütze. Der HSV ist gut beraten, van der Vaart am Saisonende keinen neuen Vertrag zu geben.“

Vieles deutet darauf hin, dass der Club dem Rat des Kolumnisten folgen wird. Zu sehr divergiert die gezeigte Leistung von den Bezügen des Niederländers, der knapp 3,5 Millionen Euro im Jahr verdient. Obwohl van der Vaart bereit ist, für einen neuen Vertrag auf Geld zu verzichten und immer betont hat, der HSV sei „sein Verein“, ist die von Direktor Profifußball Peter Knäbel in Aussicht gestellte Neuausrichtung im Sommer nur schwer mit dem Namen van der Vaart in Einklang zu bringen. „Ich weiß selbst nicht, wie es weitergeht“, sagt der Regisseur. „Wir haben vereinbart, im März über das weitere Vorgehen zu sprechen.“

Wechselt van der Vaart im Sommer zu Ajax?


Zuletzt war Frank de Boer, Trainer von Ajax Amsterdam, in die Offensive gegangen und hatte deutlich gemacht, dass sein Landsmann bei dessen Jugendverein immer noch „herzlich willkommen“ sei. Doch van der Vaart wiegelt ab: „Bei Ajax bin ich immer im Gespräch, wenn die ein Spiel verloren haben.“

In Amsterdam ist der Mittelfeldspieler in der Jugend auf der Sechser-Position groß geworden, die er beim HSV seit einiger Zeit wieder ausfüllt. Auch wenn die Defensivarbeit sicherlich nicht zu den hausgemachten Stärken des Linksfußes gehört, ist ihm mangelnder Einsatz, Laufbereitschaft und Zweikampfhärte nicht abzusprechen. Vielmehr hat die spielerische Komponente seit seiner Rückkehr nach Hamburg gelitten. Öffnende Pässe in die Schnittstellen der gegnerischen Abwehr oder gar Dribblings im Eins-gegen-Eins sind vom Edeltechniker kaum noch zu sehen. Torvorlage? Fehlanzeige. Drei seiner vier Tore fielen vom Elfmeterpunkt. Das Fachmagazin „kicker“ hat van der Vaart in dieser Saison noch nie besser als mit der Note drei bewertet, zwölf Auswechslungen bei 15 Einsätzen sprechen eine deutliche Sprache.

Dass sich der Kapitän nun auch nach einer 0:8-Klatsche den Journalisten stellt, ist ihm fraglos hoch anzurechnen. „Das gehört eben zu meinen Aufgaben, auch wenn es sicherlich schönere Wochen gibt, vor der Presse zu sitzen“, gibt van der Vaart zu, der nur ein Credo für die verbleibenden Tage bis zum Spiel gegen Borussia Mönchengladbach am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und Liveticker auf abendblatt.de) ausgeben kann: positiv bleiben. „Rumweinen hilft jetzt nichts. Wir müssen die Niederlage so schnell wie möglich vergessen, was schwerfällt, weil immer noch jeder darüber redet. Aber vor dem Bayern-Spiel hat schließlich auch niemand erwartet, dass wir gewinnen. Jetzt müssen wir nur sehen, dass wir unser Selbstvertrauen wiedergewinnen. Und da sind wir auf einem guten Weg. Ich war begeistert, wie gut die Stimmung heute beim Training schon wieder war.“

Dazu beitragen konnte auch Dennis Diekmeier, der nach seiner Knieblessur problemlos mitmischen konnte. Er blieb jedoch der einzige Rückkehrer der vielen verletzten Profis. Dafür musste Petr Jiracek die Einheit mit dick bandagierter Wade vorzeitig abbrechen. Ohne Fremdeinwirkung hatte diese „zugemacht“, sein Kaderplatz gegen Gladbach soll jedoch nicht gefährdet sein. Auch van der Vaart darf wohl wieder mit seinem Einsatz rechnen. Schon vor dem Bayern-Spiel hatten viele erwartet, dass der 109-fache Nationalspieler die Partie zunächst auf der Bank verbringen wird. Doch Trainer Joe Zinnbauer entschied sich anders. Er vertraut seinem Kapitän weiterhin. Auch ohne die großen Worte.