Knäbel will erst Ende März über die Zukunft der Profis entscheiden, deren Verträge auslaufen. Dabei planten die HSV-Chefs eigentlich im Sommer den großen Schnitt und 19,5-Millionen-Euro-Gehaltsersparnis.

Hamburg . Das Internetlexikon kennt keine Gnade. Ein Auslaufmodell, so steht es dort geschrieben, sei „ein Produkt, das noch im Angebot ist, aber nicht mehr auf dem aktuellen Stand der Technik.“ Das klingt hart. Insbesondere dann, wenn man die Begrifflichkeit auf den Fußball überträgt. Dort wird gewöhnlich dann von „Auslaufmodellen“ gesprochen, wenn es um Profis geht, deren im Sommer auslaufende Verträge nicht verlängert werden sollen.

Oder besser gesagt: sollten.

Mit Rafael van der Vaart, Heiko Westermann, Marcell Jansen, Slobodan Rajkovic und Gojko Kacar hat der HSV gleich fünf überproportional gut verdienende – Pardon! – Auslaufmodelle in seinen Reihen. Das ist so weit nicht neu. Neu ist aber, dass man sich keinesfalls mehr sicher ist, ob die Begrifflichkeit „Auslaufmodell“ bei diesem Quintett überhaupt noch angebracht ist.

„Ich lasse mich weder von ein paar guten Spielen noch von einem schlechten Spiel beeinflussen“, sagte Sportchef Peter Knäbel am Tag nach dem zweiten Sieg in Folge gegen Hannover. „Konstant gute Leistungen sind der Schlüssel für alles.“ Anders als sein Vorgänger Oliver Kreuzer, der im kommenden Sommer einen radikalen Personalschnitt machen und so insgesamt 19,5 Millionen Euro Gehälter einsparen wollte, erwägt Knäbel nun offenbar einen Strategiewechsel.

„Was bis zur Nationalmannschaftspause im März von den Spielern angeboten wird, dürfte große Auswirkungen für das haben, was wir gemeinsam für die neue Saison planen“, sagte etwas verklausuliert der Manager, der von den „Auslaufmodellen“ in den kommenden Partien gegen Bayern, Gladbach, Frankfurt, Dortmund, Hoffenheim und Hertha entsprechende Überzeugungsarbeit erwartet: „Bei uns ist kein Spieler abgeschrieben.“

Der größte Gewinner unter all den Siegern

Letzteres stimmt natürlich nur bedingt. Tatsächlich will Knäbel mit van der Vaart, Westermann, Jansen, Rajkovic und Kacar ergebnisoffene Gespräche in der Länderspielpause im März führen. Mit Ivo Ilicevic will er das nicht. Der Kroate, der bis Ende März vorerst für die U23 spielen soll, wird den HSV im Sommer genauso verlassen, wie es Tolgay Arslan im Winter bereits getan hat. Auch der aus München ausgeliehene Julian Green dürfte keine ernsthafte Chance mehr bekommen – im Gegensatz zum einst aussortierten Rajkovic.

Der Serbe ist zweifelsohne der größte Gewinner unter all den Siegern der vergangenen zwei Spiele. „Für mich war es sehr überraschend, dass Boban gegen Paderborn so stabil auftrat und das auch noch mal gegen Hannover bestätigte“, lobte Knäbel. „Boban war gegen Hannover einfach klasse.“ Dabei fiel Rajkovic, der einst von Ex-Trainer Thorsten Fink nach Norderstedt abgeschoben wurde, auch außerhalb der dreimal 90 Rückrundenminuten sehr positiv auf. „Boban ist hochprofessionell. Er ist sicherlich der Profi mit den meisten Extraschichten bei uns“, sagte Knäbel, den auch Rajkovics unverhältnismäßig hohes Gehalt von zwei Millionen Euro in den anstehenden Perspektivgesprächen nicht abschreckt. „Ich kann den Spielern keinen Vorwurf machen für die Verträge, die sie hier erhalten haben“, sagte Knäbel. „Ich kann mich doch nicht über die Lohnsummen ärgern, die der Club irgendwann mal gewährte. Die sind nun mal, wie sie sind.“

Sie sind vor allem eines: zu hoch. 38 Millionen Euro sollte der Gehaltsetat in der laufenden Saison betragen, mittlerweile wurden daraus mehr als 51 Millionen Euro. So gesehen wird auch Knäbel nicht darum herumkommen, Ende März unbequeme Entscheidungen zu treffen. Bei aller Wertschätzung für Rajkovic und Westermann dürfte der HSV nur gewillt sein, einen der beiden Innenverteidiger für ein reduziertes Gehalt zu halten. Auch Gojko Kacars Verbleib in Hamburg scheint trotz unbestrittener Wertsteigerung in den vergangenen Wochen fraglich. „Bislang hat noch niemand mit uns gesprochen“, sagt Kacars Onkel und Berater Milan. „Die letzten Jahre waren nicht einfach für Gojko. Er fühlt sich sehr wohl in Hamburg. Aber er ist Fußballprofi und will spielen.“

Teil der Marke HSV

Das will auch Marcell Jansen, der ursprünglich schon im Winter abgegeben werden sollte. „Marcell hat die Möglichkeit gut genutzt, sich aus der Ecke zu befreien, in die er zuvor hineingedrückt wurde. Allerdings hat es das in der Vergangenheit schon häufiger bei ihm gegeben“, sagte Knäbel, der bereits unmittelbar nach dem Spiel gegen Paderborn mit dem dienstältesten Hamburger das Gespräch suchte: „Ich habe ihm gesagt, dass er seinem guten Spiel weitere gute Spiele folgen lassen muss.“

Ein sehr langes Gespräch hat Hamburgs Sportdirektor bereits im Trainingslager in Dubai mit Kapitän Rafael van der Vaart geführt. „Er ist ein verdienter Spieler, deshalb wollen wir uns auch mit ihm in der Nationalmannschaftspause noch mal zusammensetzen.“ Dabei geht es möglicherweise weniger um eine Vertragsverlängerung als Spieler als um einen Anschlussvertrag als HSV-Botschafter. „Es ist bei Rafael mehr als nur ein Spieler, dessen Vertrag ausläuft, Rafael ist ein Teil der Marke HSV“, bestätigte Knäbel am Montag einen Bericht der „Bild“-Zeitung. Dabei bleibt allerdings mehr als fraglich, ob van der Vaart tatsächlich schon im Sommer die Fußballschuhe an den Nagel hängt. Zuletzt hatte der Vizeweltmeister von 2010 immer wieder betont, dass er seine Fußballerkarriere in jedem Fall auch im Sommer fortsetzen wolle. Wenn nicht beim HSV, dann eben bei einem anderen Verein. Denn eines ist van der Vaart aus seiner Sicht nun wirklich nicht: ein Auslaufmodell.