Alexander Otto und Klaus-Michael Kühne stellen dem HSV knapp 45 Millionen Euro zur Verfügung. Unterschiedlicher könnten die Gönner kaum sein.

Hamburg. Die Idee sei ihm über Nacht gekommen, schrieb Rauten-Lumpi1887 am Montagmorgen in einer dieser zahlreichen HSV-Foren im Internet. Eigentlich, so der begeisterte HSV-Anhänger, müsse man nach den vergangenen drei Tagen Alexander Otto und Klaus-Michael Kühne ein Denkmal gleich neben dem bronzenen Uwe-Seeler-Fuß neben der Imtech-Arena, Pardon: neben dem Volksparkstadion, setzen. „Otto und Kühne sind doch die wahren HSV-Helden“, schrieb der Fan, der den plötzlichen Geldsegen der vergangenen Tage für den HSV noch immer nicht so recht glauben konnte.

Normal war das ja auch nicht, was sich da bis zum Sonntag beim HSV ereignete. Zunächst war es Kühne, der sich mit 18,75 Millionen Euro beim HSV einkaufte und darüber hinaus noch die Namensrechte am Volksparkstadion für 16 Millionen Euro für vier Jahre erwarb. Nur drei Tage später war es Otto, der auf der Mitgliederversammlung im CCH bekannt gab, dass er den HSV-Campus mit zehn Millionen Euro finanzieren würde. Und der nächste Geldgeber, wohl „nur“ ein Millionär und kein Milliardär, soll bereitstehen. Dabei durfte sich Clubchef Dietmar Beiersdorfer bereits jetzt darüber freuen, innerhalb von nur 72 Stunden knapp 45 Millionen Euro für den HSV akquiriert zu haben. Kühne und Otto sei Dank.

Vergleicht man die Milliardäre mit HSV-Herz fällt vor allem eines auf: wie unterschiedlich sie doch sind. Hier der Poppenbüttler Alexander Otto, 47 Jahre alt, vierfacher Familienvater, introvertiert, zurückhaltend, besonnen und vor allem öffentlichkeitsscheu. Dort der Wahl-Schweizer Klaus-Michael Kühne, 77 Jahre alt, kinderlos, extrovertiert, impulsiv, streitbar und vor allem meinungsstark. Multimilliardär Kühne ist Besitzer einer Yacht, die er nach seinem und dem Namen seiner Frau Christine „Chrimi“ getauft hat. Otto wird schnell seekrank und ist froh, wenn er wieder festen Boden unter den Füßen hat. Überschneidungspunkte gibt es da kaum. Kühne hatte mal versucht, Otto davon zu überzeugen, auch als Investor beim HSV einzusteigen. Ohne Erfolg. Und Otto hatte Kühne wiederum gebeten, sich ebenfalls für Olympia in Hamburg finanziell einzusetzen. Mit Erfolg.

Doch beim HSV sind sich die beiden unterschiedlichen Gönner kaum mal über den Weg gelaufen. Otto, von 2009 bis 2013 so eine Art Mediator des HSV-Aufsichtsrats, durfte sich zwischenzeitlich als Chefkontrolleur sogar als Teil des Ganzen betrachten, was er nur widerwillig tat. Kritik am Vorstand, Trainer oder an der Mannschaft kam ihm nie über die Lippen. Ganz anders Kühne, der zwar nie eine echte Funktion im Club innehatte, aus seinem Herzen aber keine Mördergrube machte. „Mir gehört der Verein nicht“, erklärte er mal, „aber wenn mein Geld schlecht bewirtschaftet wird, sage ich einen Satz dazu.“

Otto wurde vom Virus HSV als Achtjähriger infiziert. „Dein erstes Spiel vergisst du nie: Es war am 23. August 1975, an der Seite meines Vaters im Volkspark, 0:0 gegen Mönchengladbach“, erinnert sich der Vorsitzende der Geschäftsführung der ECE-Gruppe. Fast 40 Jahre ist das nun her und noch immer verpasst Otto kaum ein Heimspiel. Auswärtsspiele schaut er am liebsten mit seinem ältesten Sohn im heimischen Wohnzimmer. Sein schlimmstes HSV-Erlebnis? Die 1:2-Niederlage beim FC Fulham, als der HSV das sicher geglaubte Heimfinale im Europapokal im Regen Londons verspielte. Otto war dabei, anders als beim dramatischen Abstiegsendspiel im Sommer gegen Fürth. Geschäftstermine in den USA. Das Relegationsrückspiel schaute der jüngste Sohn des Hamburger Versandhausgründers Werner Otto in New York auf einem südamerikanischen Fußballkanal.

Verträge für Campus-Projekt vor Wochen unterzeichnet

Auch Kühne war schon im Kindesalter vom HSV gepackt. Im Garten seines Elternhauses an der Bellevue, so erzählt es der gebürtige Hamburger noch heute, konnte er bei günstigem Wind sogar den Torjubel am Volkspark hören. Uwe Seeler, die Dörfel-Brüder, das war Kühnes Welt. Doch anders als Otto ist Kühne heutzutage so gut wie nie im Stadion dabei. Der Vorstandsvorsitzende von Kühne + Nagel, dessen Vermögen laut Schätzungen zwischen fünf und acht Milliarden Euro schwanken soll, hat Angst. Die Fans, sagte er einmal, würden immer nur die negativen Schlagzeilen lesen. Es schmerzte ihn, dass er trotz der Millionen, die er schon in den HSV investierte, nicht mehr als Erlöser gesehen wurde. Bis zum vergangenen Donnerstag. Dann wurde aus dem Mecker-Onkel aus der Schweiz plötzlich wieder der Retter des Volksparkstadions. „Ich hoffe, dass ich den Aufbruch des HSV mit meinem Beitrag unterstützen kann“, sagte Kühne, und freute sich über den Applaus.

Otto betont gerne, dass ihm die große Bühne zuwider ist, was nur bedingt stimmt. So war der Zehn-Millionen-Euro-Deal um den neuen HSV-Campus bereits vor Weihnachten vertraglich fixiert, was Otto allerdings nicht daran hinderte, den Clou höchstpersönlich erst Wochen später auf der Mitgliederversammlung zu verkünden. Besonders wichtig war dem einst gefürchteten Mittelfeldspieler der Freizeittruppe FC Vorstand aber vor allem, dass durch die kluge Konstruktion besonders der e.V. profitiert. „Den Profisport unterstütze ich bewusst nicht. Die Nachwuchsförderung macht mehr Spaß und ist nachhaltiger“, sagte Otto dem Abendblatt.

Kühne ist ungeduldiger. Er will Resultate sehen, ab liebsten sofort. „Die Mannschaft ist nicht richtig aufeinander eingespielt, es wird viel versemmelt“, sagte er der „Zeit“ kurz vor Weihnachten, als der HSV wieder nicht so wollte wie er. Dabei stört ihn auch nicht, dass er oft mit seiner Meinung aneckt. Ex-Bürgermeister Ole von Beust sagte mal: „Herr Kühne hat viel geleistet für Hamburg und den HSV – aber er ist kein einfacher Mensch.“ Das will Kühne auch gar nicht sein. „Ich werde nie das Bundesverdienstkreuz bekommen“, sagte er, „aber ich brauche es auch nicht, ich bin von Orden unbeeinflusst.“

Das ist Otto nicht. Er hat das Bundesverdienstkreuz am Bande bereits erhalten. Eine Statue in der Nachbarschaft von Seelers Fuß braucht da nun nicht mehr zu folgen. Viel wichtiger wären ihm und Kühne, dass ihr HSV endlich mal wieder gewinnt – oder zumindest ein Tor schießt. Beim HSV wird man bescheiden – sogar als Milliardär.