Bleibt er, oder geht er? Die Zukunft von HSV-Kapitän Rafael van der Vaart wird sich erst während der Rückrunde klären

Hamburg. Rafael van der Vaart ist auch nicht mehr der, der er einmal war. Was waren das für Zeiten, als er zum Jahreswechsel 2012/13 seine Frau aus– und ausgerechnet die beste Freundin in sein neues Leben einwechselte. Die öffentlich ausgetragene Trennungsschlacht – ein Schlaraffenland fürs Boulevard, die der HSV-Profi einst lieferte. Oder man denke an den darauffolgenden Sommer, als er vier Pfund Übergewicht als Souvenir aus der Pause mitbrachte. Und heute?

Wenn der Schein nicht trügt, ist der Showstar wieder zum Fußballer mutiert. Kein Problem sei es für ihn, bereits um 7.30 Uhr zur Frühschicht anzutreten, berichtet der Niederländer, der am 11. Februar seinen 32. Geburtstag feiern wird, brav: „Das gehört zu einer Vorbereitung dazu. Wenn wir viele Punkte hätten, könnte man auch anders trainieren. Aber so müssen wir jede Stunde nutzen. Ich bin sowieso ein Frühaufsteher. Na ja, für ein paar junge Talente mag es es schon früh sein.“

Als die Profikarriere van der Vaarts im April 2000 bei Ajax Amsterdam ihren Anfang nahm, spielten beim HSV noch Karsten Bäron, Roy Präger oder Thomas Doll. Doch die Motivation, sich auch in seiner 30. Vorbereitung (Sommer und Winter) zu quälen, ist ungebrochen. „Es wundert mich selbst, aber mir fällt diese Phase immer leichter. Das macht wohl die Erfahrung. Du weißt, was auf dich zukommt, kannst besser dosieren. Klar, die Zeit im Sommer ist immer hart, aber so wie jetzt, mit zehn Tagen Dubai und perfekten Bedingungen? Schon okay.“

Van der Vaart gibt sich entspannt – und er ist es offenbar auch. Ein Hauptgrund ist, dass sich sein Körper trotz der vielen Profijahre noch immer leistungswillig anfühlt. „Ich glaube, ich kann noch immer Qualität liefern“, sagt er selbstbewusst, was sich natürlich auch auf internationale Aufgaben bezieht. Als Ruud van Nistelrooy im Dezember ein Praktikum beim Verein absolvierte, habe er mit dem Co-Trainer von Bondscoach Guus Hiddink natürlich auch über seine Perspektiven gesprochen. „Die Chancen sind immer noch da.“ Die klare Botschaft: Bleibt er gesund, besteht für den 109-fachen Nationalspieler kein Zweifel an einer Rückkehr.

Leise Zweifel, wie es mit ihm als Fußballer 2015 weitergeht, wären indes durchaus angebracht. Gelingt es ihm mit dem HSV nicht, sich vom Tabellenende zu entfernen, dürfte dies nicht nur auf seine Karriere im Oranje-Team ausstrahlen, sondern auch auf seinen nächsten Vertrag. Nach jetzigem Stand ist ein Verbleib in Hamburg völlig ungewiss. Auf der einen Seite braucht der Club trotz der jüngsten Ankündigung des Aufsichtsratsvorsitzenden Karl Gernandt, dass man in der nahen Zukunft verstärkt auf jüngere Akteure setzen wolle, erfahrene Kräfte, die Halt geben. Auf der anderen Seite könnte sich der klamme HSV neuen finanziellen Spielraum schaffen.

„Alles ist offen“, sagt van der Vaart, dessen mit 3,5 Millionen Euro dotierter Kontrakt zum Saisonende ausläuft. Eine Belastung sei dies für ihn überhaupt nicht: „Ich verspüre keinen Druck, möchte nur gut für den Verein spielen. Was danach kommt, hat man im Fußball nicht immer selbst in der Hand, es ist so eine Sache mit Prognosen. Am nächsten Tag ist es plötzlich anders, und dann hätte ich hier jeden verarscht.“

Ein schnelles Ende dieses Schwebezustands ist nicht zu erwarten. „Wir haben uns schon bei unserem ersten Gespräch geeinigt, dass wir uns mit dieser Fragestellung Zeit lassen“, sagt Peter Knäbel. „Wir wollen und werden uns da nicht hetzen lassen.“ Mit eventuell fehlender Wertschätzung des Direktors Profifußball für van der Vaart hat dies indes überhaupt nichts zu tun. „Eine meiner ersten Amtshandlungen als neuer Sportchef war es, das Gespräch mit Rafael zu suchen. Er ist der Kapitän der Mannschaft und auch unser Führungsspieler. Und deswegen erwarte ich natürlich von ihm, dass er auch in der Rückrunde Führung übernimmt. In guter Form ist Rafael genau der Spieler, den wir brauchen. Er ist einer der wenigen Spieler von uns, der aus dem Mittelfeld heraus Torgefahr ausstrahlt.“

Womit wir bei einem Hauptthema van der Vaarts sind: der Offensive. „Neun Tore, das geht normalerweise nicht. Wir haben es trotzdem hingekriegt“, beklagt er die äußerst miserable Ausbeute in der Hinrunde. „Wir müssen die kommenden Wochen unbedingt nutzen, um uns in der Offensive zu verbessern.“

Dass dieses Unterfangen nicht einfach wird, weiß er selbst: „Das Angriffsspiel hat auch wesentlich mit Selbstvertrauen zu tun. Deshalb wäre ein guter Start mit den beiden Spielen gegen Köln und in Paderborn so wichtig. Es wäre wirklich schön, ein paar Spiele zu gewinnen und ein ruhigeres Leben in Hamburg zu haben. Das wäre schon ein Traum.“ Dass er dabei in defensiverer Rolle künftig weniger Gelegenheiten für Tore haben könnte, dieser Gedanke gefällt ihm jedoch nicht: „Ich will immer Tore schießen, das bleibt mein Ziel, das kann ich am besten. Und ich kann auch als Sechser gefährlich sein.“

Pierre-Michel Lasogga brach die Vormittagseinheit wegen leichter Oberschenkel-Probleme vorzeitig ab, Maxi Beister und Johan Djourou (Grippe) standen wieder auf dem Platz.