Wenn Trainer Joe Zinnbauer heute zur Rückrundenvorbereitung bittet, haben nur Behrami, Djourou und Drobny ihren Stammplatz sicher

Hamburg. Stammspieler, der – Wortart: Substantiv, maskulin. Laut Duden ein „Spieler, der zum Stamm einer Mannschaft gehört“; im Bundesligaalltag aber wohl eher ein Leistungsträger, der als unumstritten gesetzt gilt. Ein Spieler also, den es laut Trainer Josef „Joe“ Zinnbauer beim HSV so gar nicht gibt. „Bei uns kann und muss sich jeder Woche für Woche neu beweisen“, sagte der Coach bereits in der Hinrunde. Und zum Start der Rückrundenvorbereitung will der Fußballlehrer daran festhalten. Zumindest in der Theorie.

In der Praxis dürfen sich vor dem Trainingsstart an diesem Montag tatsächlich so wenige Profis wie vielleicht noch nie vor einer Halbserie beim HSV als uneingeschränkt gesetzt fühlen. Gerade mal drei von bislang 26 eingesetzten Hamburgern konnten sich in der Hinrunde einen Sonderstatus erarbeiten: Torhüter Jaroslav Drobny, Innenverteidiger Johan Djourou und Mittelfeldabräumer Valon Behrami.

So ist Djourou als einer von fünf Feldspielern sogar der einzige HSV-Profi, der keine einzige Hinrundenminute verpasste. Auch Behrami, der gelbgesperrt beim Rückrundenauftakt gegen Köln zuschauen muss, verpasste lediglich eine Partie verletzungsbedingt. Und Drobny löste Konkurrent René Adler bereits nach dem zweiten Spieltag ab und wird auch in der Rückrunde das HSV-Tor hüten, obwohl Dauerpatient Adler in der Vorbereitung endlich wieder ins Teamtraining einsteigen will.

Drei vergebene Stammplätze bedeuten aber vor allem eines: Auf acht Positionen beginnt nun der Kampf um die noch offenen Plätze. Dabei kann man an diesem Montag wortwörtlich von einem Wettrennen um die Positionen sprechen. Denn Zinnbauer bittet seine Profis zunächst in die Alsterdorfer Leichtathletikhalle zu umfangreichen Leistungstests, ehe der Kampf um die Stammplätze ab Dienstag auch auf dem Rasen ausgetragen wird.

Als besonders spannend gilt dabei das Duell zwischen Ex-Kapitän Heiko Westermann und Neuzugang Cléber. Für Innenverteidiger Westermann, der seine Knieverletzung auskuriert hat, ist es das erste Mal in seiner HSV-Zeit, dass er um seinen Stammplatz ernsthaft fürchten muss. In seinen ersten vier HSV-Jahren verpasste der 31 Jahre alte Routinier insgesamt nur fünf Spiele. Doch mit dem Brasilianer Cléber, der Westermanns Abwesenheit bestens zur Eigenwerbung nutzen konnte, steht nun erstmals ein Konkurrent auf Augenhöhe parat. Zusätzliche Brisanz bekommt das Duell, da Westermann nicht nur gegen Cléber, sondern auch für einen neuen Vertrag kämpfen muss.

Auf den Außenverteidigerpositionen muss sich jeweils ein etablierter Profi mit einem Talent duellieren. Links verlor der enttäuschende Neuzugang Matthias Ostrzolek seinen angedachten Stammplatz zunächst an Youngster Marcos, der auf der Bühne Bundesliga allerdings auch nicht uneingeschränkt überzeugen konnte. Und rechts schaffte es Nachwuchskraft Ashton Götz, den eigentlich gesetzten Dennis Diekmeier herauszufordern.

Nicht weniger Spannung verspricht der Konkurrenzkampf um die beiden zentralen Mittelfeldpositionen neben und vor dem gesetzten Behrami. Kapitän Rafael van der Vaart (defensiv) und Neuzugang Lewis Holtby (offensiv) dürften mit einem Mini-Bonus der Etablierten in die Vorbereitung gehen. Allerdings konnten die beiden Kreativkräfte in der Vorrunde nur selten überzeugen. So dürfen auch der zum Jahresende erstarkte Petr Jiracek und sogar der angeblich wechselwillige Tolgay Arslan auf einen zentralen Mittelfeld-Platz im von Zinnbauer bevorzugten 4-2-3-1-System hoffen. Arslan, der noch am Sonnabend im Abendblatt fehlende Rückendeckung andeutete („Peter Knäbel hat mir nicht erzählt, dass mich der Verein unbedingt halten möchte, und das sagt ja schon einiges aus“), stellte nun via Facebook klar, dass er auch beim HSV um seinen Platz kämpfen würde: „Ich habe immer betont, dass der HSV ein geiler Verein ist. Ich fühle mich hier sehr wohl, und Hamburg ist mein Zuhause geworden.“

In Hamburg sehr wohl fühlt sich auch Nicolai Müller, der in seinen 15 Hinrundeneinsätzen aber nur selten begeistern konnte. Echte Konkurrenz könnte dem rechten Offensivflitzer bald durch Maxi Beister drohen, der im Trainingslager in Dubai (11. bis 22. Januar) wieder ins Training einsteigen will. Zudem könnte die von HSV-Sportchef Peter Knäbel gesuchte Offensivverstärkung nicht nur den Konkurrenzkampf im Sturmzentrum, sondern auch auf dem rechten und linken Flügel neu entfachen.

Besonders auf der linken Offensivseite konnte sich kein Profi in der Hinrunde durchsetzen. Verkaufskandidat Marcell Jansen bestritt verletzungsbedingt nur sieben Spiele, Zoltan Stieber durfte trotzdem nur viermal von Beginn an ran, und Dauer-Sorgenkind Ivo Ilicevic (zwei Saisoneinsätze) scheint unter Zinnbauer überhaupt keine Rolle mehr zu spielen. Da auch Holtby nachdrücklich unter Beweis stellte, dass er sich im Zentrum sehr viel wohler fühlt, darf sich überraschend U23-Talent Mohamed Gouaida als Favorit für die vakante Position auf dem linken Flügel fühlen.

Im Sturm wird der Konkurrenzkampf möglicherweise nicht auf dem Rasen, sondern am Schreibtisch entschieden. Obwohl Torjäger Pierre-Michel Lasogga zu den größten Verlierern der Hinrunde gehört, darf er sich solange als gesetzt fühlen, bis Knäbel eine Alternative verpflichtet hat. Artjoms Rudnevsn hat nur Außenseiterchancen.

Zinnbauer freut sich über das Gedränge um die Plätze. Nach kurzem Sylt-Urlaub saß er bereits am Wochenende wieder mit seinem Trainerstab in der Arena zusammen, um die 26-tägige Vorbereitung zu planen. Und die erste Entscheidung ist bereits gefallen: Zum Trainingslager in Dubai wurden 30 Betten für die Profis reserviert – der Kampf um die elf Stammplätze wird somit noch intensiver. Intensiv? Dies bedeutet laut Duden unter anderem: 1. gründlich, auf etwas konzentriert, 2. stark, kräftig, durchdringend, 3. eingehend und 4. mit großen Einsatz. Na dann...