Warum Joe Zinnbauer keinen Urlaub braucht und was dem HSV noch fehlt.

Hamburg. Angesichts des Schmuddelwetters könnte man ja auf die Idee kommen, die spielfreie Zeit zu einem Trip in die Sonne zu nutzen. Nicht so Josef „Joe“ Zinnbauer. „Ich kenne Hamburg noch gar nicht, möchte mir mit meiner Frau endlich einmal einige Sehenswürdigkeiten der Stadt anschauen“, sagt der 44-Jährige. Doch zuvor zog der HSV-Coach ein Fazit der ersten 100 Tage seiner Amtszeit, die er am 25. Dezember vollendet hat.

Hamburger Abendblatt: Herr Zinnbauer, mal ehrlich, wie urlaubsreif sind Sie?

Josef Zinnbauer: Eigentlich gar nicht. Äußerlich vielleicht schon... Wir saßen nach dem Schalke-Spiel bis zwei Uhr nachts zusammen. Allerdings bin ich eh ein Typ, der wenig Schlaf braucht. Um sechs Uhr bin ich meistens schon wach.

Dabei waren die vergangenen Monate für Sie sicher recht intensiv.

Zinnbauer: Schon, aber mit Urlaub ist das so eine Sache. Wenn ich als junger Mensch mit meiner Familie verreiste, lagen bei unserer Ankunft im Hotel meistens schon die ersten Faxe aus dem Unternehmen. Drei Tage am Strand zu liegen, dafür bin ich einfach nicht der Typ.

Dann genießen Sie den Stress eher?

Zinnbauer: Natürlich ist es belastend zu verlieren, während die Konkurrenz punktet und du auf Platz 17 abrutschst. Wobei, mich motiviert es eher zu versuchen, die Leute nach einer Niederlage wieder auf die Spur zu bringen.

Und nach Siegen?

Zinnbauer: Da hoffe ich, dass schnell was kommt, damit ich mich bewege und nicht stehen bleibe.

Dann ist Ihnen die Umgewöhnung vom Seriensieger nicht schwergefallen, auf dessen Rauswurf gewettet werden kann?

Zinnbauer: So etwas interessiert mich weniger. Man behauptet ja zuweilen, dass ich ein junger Trainer sei, dabei leite ich seit meinem 26. Lebensjahr Teams. Ich weiß, wie es ist, nach negativen Erlebnissen aufzustehen und die Mannschaft nach vorne zu bringen. Bei den kleineren Vereinen war ich häufig sogar der Feuerwehrmann.

Gebrannt hat es, um im Bild zu bleiben, ja oft genug auch beim HSV. Wie riskant war Ihr Weg mit so vielen Jungen?

Zinnbauer: Vielleicht wäre es auch riskant gewesen, weiter nur die Arrivierten spielen zu lassen. Wir haben ja nicht gesagt, dass wir mit aller Gewalt dem Jugendwahn verfallen wollen, aber die Ergebnisse waren eben nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten.

Also wollten Sie die Konkurrenz schüren.

Zinnbauer: Auch. Genauso aber die gewünschte Spielphilosophie schneller der Mannschaft näherzubringen. Was ich bei den Profis vorgefunden habe, war ein Kader, der von verschiedenen Sportchefs zusammengestellt und von diversen Trainern betreut wurde, die ihre Systemvorstellungen hatten. Deshalb sollten die Spieler von unten schon im Trainingsbetrieb mithelfen. Wenn ich an das Schalke-Spiel denke, war die zweite Halbzeit schon eher das, was wir sehen wollen: nach vorne spielen, sich mutig an die Box (den Strafraum, d. Red.) bewegen. Aber sicher, zu Beginn mussten wir uns erst mal um die Abwehr kümmern nach 75 Gegentoren in der vergangenen Saison.

Sie haben die viertbeste Abwehr der Liga. Das zumindest hat gut geklappt.

Zinnbauer: Dass wir ein Offensivproblem haben, wissen wir alle, aber die Offensive ist eben schwieriger zu trainieren als die Defensive. Es mag komisch klingen, aber eigentlich bin ich ein Offensivtrainer. Das dauert eben ein bisschen, deshalb hatten die Jungen den Vorteil, meine Philosophie schon zu kennen. Denken Sie an Tennis oder Golf. Nach einer Schlag- oder Schwungumstellung spielen Sie erst mal schlechter. Wenn dann der Trainer mal nicht dabei ist und Sie gegen einen Kumpel antreten, was machen Sie dann?

Den alten Schwung nehmen.

Zinnbauer: Weil Sie sich viel sicherer fühlen. Da haben wir das Problem der Mannschaft! Es ist wahnsinnig schwer, nach einem Fast-Abstiegsjahr die alten Muster aus den Köpfen zu bekommen. Das hat nichts mit der Qualität der Alten oder Jungen zu tun, sondern damit, wie ich es annehme.

Sie haben dabei keine Angst, es sich mit den Alten zu verscherzen, es geht nur nach dem Leistungsprinzip?

Zinnbauer: Ich stelle nicht nach Bundesligaspielen auf, obwohl eine gewisse Erfahrung selbstverständlich auch wichtig ist. Wenn du sagt, du stellst nach Leistung auf, musst du das auch durchziehen. Ich habe eine gewisse Vorstellung vom Fußball, diesen Weg werde ich immer gehen. Wesentlich besser wäre es gewesen, Marcos, Götz oder Gouaida mehr Zeit zu geben. Aber diese Zeit hast du als Trainer in der Bundesliga nicht.

Wie weit sind Sie in der Entwicklung?

Zinnbauer: Natürlich haben wir einige Punkte verschenkt, gegen Frankfurt, aber auch in Augsburg. Wie billig wir die Partie gegen Stuttgart weggegeben haben, wurmte mich als Trainer schon, aber das ist ein Prozess, den die Mannschaft gehen muss. In den Trainingseinheiten gibt es schon viele positive Eindrücke. Einen Schritt nach vorne haben wir trotzdem gemacht. Die Abwehr ist total stabilisiert. Wenn wir die ersten drei Spiele unter meiner Leitung abziehen würden, stünden wir ungefähr auf Platz neun.

Wenn wir uns mal von den Ergebnissen frei machen, wie fällt Ihre Bilanz aus, was den Fußball betrifft?

Zinnbauer: Ausbaufähig. Den Fußball, den wir mit Ball spielen, das ist nicht der Fußball, den wir uns vorstellen. Derzeit überwiegt die Ergebnisorientierung.

Seit Jahren wird man das Gefühl nicht los, dass gute Spieler zum HSV kommen und oft schlechter werden. Könnte ein Grund sein, dass sie vorschnell glauben, sie hätten es jetzt geschafft?

Zinnbauer: Da ist mit Sicherheit was dran. Ich sehe aber genauso das Problem, dass diese Spieler meistens aus gefestigten Mannschaften kommen. In Hamburg war es immer wieder turbulent: Spieler kommen und gehen, auch Trainer, Manager, sogar der Vorstand. Logisch, dass es dann unrunder läuft und sich die Mannschaft finden muss.

Wie auch die Hierarchie?

Zinnbauer: Dass sich in negativen Serien oder Phasen mit starken Schwankungen eine Führungscrew schwerer herauskristallisiert, ist logisch, das behindert auch die Entwicklung einer guten Mentalität. Dazu kommt, dass die jungen Spieler heute so gut geschult sind, dass sie selbstbewusster auftreten und sich nicht mehr so viel sagen lassen. Jeder will was sagen, was bestimmen, Sie dürfen den Einfluss von Familie, Beratern und Freunden nicht vergessen. Aber: Wir sind auf einem guten Weg.

Was macht Ihnen Mut?

Zinnbauer: In der Trainingsmethodik sind wir modern aufgestellt, Didi (Beiersdorfer, d. Red.) strahlt viel Sicherheit aus, Peter Knäbel arbeitet sehr strukturiert. Ich bin fest davon überzeugt, dass wir eine klare Linie hinbekommen.