Auch nach der AG-Umwandlung bleibt der Club ein Sanierungsfall. Trotzdem denkt Sportdirektor Knäbel über Wintertransfers nach

Hamburg. Am 20. Oktober bat Peter Knäbel, neuer Direktor Profifußball, zu seiner ersten Elefantenrunde mit allen Scouts des HSV. Über die Kaderplanung wolle er sprechen, ließ Knäbel vor der Zusammenkunft wissen. Was die Späher zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Ihre konkrete Meinung könnte schneller als erwartet gefragt sein. Nach dem missratenen ersten Saisondrittel sind Wintertransfers plötzlich wieder eine Option. „Wenn nicht die entsprechenden Resultate geliefert werden“, so Knäbel nach dem 0:2 gegen Wolfsburg, „dann könnte ich im Winter noch einmal einwirken.“ Ein junger Stürmer könnte noch kommen, ein Kandidat zur Ausleihe soll angeblich der Schweizer Nationalspieler Josip Drmic, 22, aus Leverkusen sein.

Angesichts der Schreckensbilanz von vier Toren in elf Spielen ist ein weiterer Offensivtransfer ein nachvollziehbarer Wunsch. Bleibt nur die Frage der Fragen: Wer soll das beim HSV eigentlich alles noch bezahlen? Schaut man in die jüngere Vergangenheit, dann scheint die Antwort klar: Geld, so könnte man meinen, spielt beim HSV schon lange keine Rolle mehr. So ist längst bekannt, dass auch die bald veröffentlichte Jahresbilanz für die vergangene Saison ein neues Minus von rund fünf Millionen Euro aufweisen wird. Es wäre der vierte negative Jahresabschluss in Folge. Noch schlimmer: Für den im Sommer vom Verein in eine AG umgewandelte Club wird es kaum besser. Der angepeilte Gehaltsetat der Profis wurde um zehn Millionen Euro überzogen. Und auch bei den Gehältern der Führungskräfte ist man auf Rekordkurs. Die neue Clubspitze mit Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer und den Direktoren Bernhard Peters (Sport) und Knäbel (Profifußball) soll zusammen knapp drei Millionen Euro verdienen. Hinzu kommen die ebenfalls gut verdienenden Vorstände Joachim Hilke und Carl Jarchow sowie ab diesem Sonnabend Frank Wettstein. Kurios: Der HSV leistet sich trotz der Verpflichtung des neuen Finanzvorstands den einmaligen Luxus, mit dem unbefristet unter Vertrag stehenden Oliver Peter auch einen Finanzdirektor zu bezahlen. Nicht zu vergessen, dass noch um die Gehälter von Ex-Sportchef Oliver Kreuzer und Ex-Trainer Mirko Slomka vor Gericht gestritten wird.

Problematisch wurde die Lage auch deswegen, weil die Fan-Anleihe von 17,5 Millionen Euro, die ursprünglich für den Bau des neuen Campus geplant war, zur Sicherung der Liquidität in der Vorsaison nahezu aufgebraucht ist. Um den Campus trotzdem zu bauen, hofft man, dass Ex-Aufsichtsratschef Alexander Otto als Gönner einspringt. Zuletzt wurde kolportiert, dass Otto erklärt haben soll, acht Millionen Euro bereitzustellen. Eine Darstellung, die vom HSV und Otto selbst dementiert wurde. So oder so: Bis 2019 müssen auch die 17,5 Millionen Euro zurückgezahlt werden.

Dass der HSV aber in finanziellen Fragen durchaus kreative Wege gehen kann, hat die Verpflichtung von Lewis Holtby bewiesen. Denn nur durch einen frechen Bilanztrick konnte der Regisseur aus London geholt werden: Offiziell ist Holtby in dieser Saison ausgeliehen, wobei er nach drei Spielen bereits für 6,5 Millionen Euro verpflichtet werden musste. Der Trick: Kein Cent davon muss im laufenden Geschäftsjahr abgerechnet werden. So ist auch zu erklären, dass der HSV noch immer keine Liquiditätsprobleme bei den regelmäßig fälligen DFL-Reports anmelden muss. Erwähnt werden muss in diesem Zusammenhang aber auch das mit vier Prozent verzinste Darlehen von 25 Millionen Euro, das Klaus-Michael Kühne dem HSV im August bereitgestellt hat.

Kühne ist auch weiterhin Ansprechpartner Nummer eins bei der Suche nach Anteilskäufern. Ob dem Milliardär aber schmeckt, dass für eine hohe Bewertung der HSV AG mit regelmäßigen Teilnahmen in den kommenden Jahren am internationalen Wettbewerb kalkuliert wurde, muss bezweifelt werden. So gilt die interne Ansage von Aufsichtsratschef Karl Gernandt, der angekündigt hatte, notfalls andere Geldgeber zu finden, wenn es zum Ende der Saison hin finanziell eng werden sollte.

Die guten Nachrichten zum Schluss: Im Hospitalitybereich ist der HSV mittlerweile fast auf Vorjahresniveau. Und zumindest bei den TV-Geldern braucht der HSV trotz des sportlich desaströsen Abschneidens nicht mit Einbußen im laufenden Geschäftsjahr zu rechnen. Der Grund: Anders als bisher wird bei der Berechnung des Verteiler-Schlüssels seit dieser Saison nicht mehr das sportliche Abschneiden der laufenden Spielzeit einbezogen. Ein schlechter Tabellenplatz in dieser Saison wirkt sich finanziell erst in der kommenden Spielzeit aus. Und bis dahin ist ja noch jede Menge Zeit ...