Unter Neu-Trainer Joe Zinnbauer bekommt der Nachwuchs endlich eine Chance. Besonders Ashton Götz beeindruckt

Hamburg. Als das Regenerationstraining am Morgen nach dem 1:1 gegen Hoffenheim vorbei war, wusste Ashton Götz, 21, ganz genau, was zu tun ist. Gemeinsam mit den Nachwuchskräften Gideon Jung, 20, Matti Steinmann, 19, und Philipp Müller, 19, schnappte sich der Youngster, der am Vortag eine Stunde lang für den verletzten Dennis Diekmeier randurfte, zunächst das Tor und trug es an seinen Platz zurück. Anschließend sammelten sie Hütchen ein und sortierten die bunten Trainingsleibchen nach Farben. Erst als alles aufgeräumt und die Profis längst beim Duschen waren, machten sich auch die vier Jungen auf den Weg in die Kabine.

Talentealltag im Fußball – in der Bundesliga nicht anders als in der Kreisliga. Anders war nur, dass Götz nach seinem gelungenen Auftritt gegen Hoffenheim auf dem Weg in die Kabine hier und da noch ein Autogramm geben und auch den wartenden Medienvertretern kurz Rede und Antwort stehen musste. Er sagte, was man so sagt, wenn man erstmals zu Hause vor rund 50.000 Zuschauern statt wie sonst üblich vor 500 gespielt hat. Schön war’s. Glückwünsche hätte er bekommen. Ein tolles Gefühl. Aber natürlich müsse er jetzt weiter Gas geben. Und sonst so? „Ich bin eher ein ruhiger Typ“, antwortete Götz, und verabschiedete sich.

An den großen Bahnhof muss sich der Jungprofi erst langsam gewöhnen. An seine Gegenspieler in Liga eins dagegen nicht. Nach 30 Minuten kam Götz für den angeschlagenen Diekmeier (Einblutung im Oberschenkel) gegen Hoffenheim ins Spiel und überzeugte sofort. „Ashton hat das richtig gut gemacht. Viele Fehler habe ich nicht von ihm gesehen“, lobte Trainer Josef Zinnbauer. „Man hat ihm nicht angemerkt, dass er aus der U23 kommt und erstmals länger bei den Profis mitspielt.“

Dass Götz überhaupt eine Alternative für die Profis war, das durfte sich Zinnbauer guten Gewissens auf die eigene Fahne schreiben. Der frühere U23-Coach hatte bereits am Tag seiner Beförderung zum Profitrainer angekündigt, dass er schon in dieser Saison auch immer wieder dem eigenen Nachwuchs eine Chance geben wolle – und direkt Wort gehalten. Zunächst brachte er Abiturient Matti Steinmann gegen die Bayern, dann die Talente Tolcay Cigerci und Götz gegen Gladbach, und nun noch einmal Götz gegen 1899.

Dabei hat sich Zinnbauer gewissermaßen die Vorlage selbst in den Fuß gespielt. Der vom früheren Sportchef Oliver Kreuzer aus Karlsruhe geholte Fußballlehrer hat das sommerliche Vakuum nach der Umwandlung von Verein in AG als einer der wenigen beim HSV genutzt und die in der vergangenen Saison beinahe abgestiegene U23 nach seinen Vorstellung umgebaut. Lediglich fünf Stammspieler durften bleiben, 14 neue Talente kamen. So ist es auch in wenigen Worten zu erklären, dass aus dem Unterbau der Profis, über dessen Auflösung noch vor Kurzem nachgedacht wurde, plötzlich eine Erfolgsgeschichte wurde. Mit zwölf Siegen aus 13 Spielen eilt die U23 von Rekord zu Rekord in der Regionalliga und kommt gleichzeitig ihrem Hauptauftrag nach: das Heranführen von Talenten an die Profis.

„Wir haben es uns zum Ziel gesetzt, Profi- und Nachwuchsbereich endlich besser zu verknüpfen“, erklärt Peter Knäbel, seit zwei Wochen Direktor Profifußball. So saß der neue HSV-Manager am Montag erstmals mit allen Scouts zusammen, um die Kaderplanung der Profis und der U23 zu besprechen. Daniel Petrowsky, Nachfolger von Zinnbauer bei der U23, ist schon jetzt begeistert: „Zinnbauer ist die Brücke zwischen Nachwuchs und Profis. Und die Zusammenarbeit läuft perfekt.“

Nun ist selbstverständlich noch lange nicht alles Gold, was plötzlich glänzt. Dass lediglich sieben Talente der U23 selbst ausgebildet wurden, ist klarer Beleg dafür, dass der Unterbau der Profis in den vergangenen Jahren schlichtweg verschlafen wurde. So ist es auch keine Überraschung, dass mit Götz (seit der U16 beim HSV), Steinmann (seit der U15) und Müller (seit der U12 mit einem Jahr Unterbrechung in Wolfsburg) gerade mal die Mindestvoraussetzung der DFL für Local Players erfüllt wurde. Zur Erklärung: Die Deutsche Fußball-Liga fordert, dass in jedem Proficlub drei Talente im Kader stehen, die mindestens drei Jahre im eigenen Nachwuchs ausgebildet worden sind.

Zumindest eine kleine Überraschung ist lediglich, dass aus diesem Trio nun ausgerechnet Götz durchstartet. Der in Mümmelmannsberg aufgewachsene Hamburger hatte nahezu die ganze Vorsaison mit hartnäckigen Knieproblemen verpasst. Drei Innenbandanrisse und ein kompletter Riss stehen in seiner Krankenakte. „Das war eine sehr harte Zeit, die ich niemandem wünsche“, sagte er bereits vor ein paar Wochen, als es endlich auch in der U23 für ihn wieder lief. „Ich habe nie aufgeben, nun werde ich belohnt.“ Damals hatte Zinnbauer, zu dem Zeitpunkt noch U23-Trainer, seinem Youngster gesagt, er müsse mehr Präsenz zeigen, müsse an seiner Ausstrahlung arbeiten. Auf dem Platz hat Götz das nun umgesetzt. Und für das Drumherum abseits des Platzes hat er ja noch ein wenig Zeit.