Der Clubboss will aber weiter mit anderen Trainern wie Wunschkandidat Tuchel sprechen. Ex-Coach Slomka steht eine Abfindung von mindestens 1,4 Millionen Euro zu.

Hamburg. Am Dienstagnachmittag schien die Welt beim HSV und bei Mirko Slomka für den Moment wieder in Ordnung. „Die Mannschaft des HSV ist toll zusammengestellt und hat Qualität. Jetzt müssen wir alle an einem Strang ziehen und positiv denken“, sagte der Fußballlehrer und ergänzte: „Wenn ein Verein wie der HSV anruft, dann ist das was Besonderes.“ Tatsächlich gesagt hat der Coach all das natürlich nicht jetzt, sondern im vergangenen Februar bei seiner Präsentation, die aber ausgerechnet am Dienstag in einer TV-Konserve auf allen Flachbildschirmen vom Stadionrestaurant Die Raute via HSV-TV übertragen wurde.

Dass der am Vorabend entlassene HSV-Trainer zu diesem Zeitpunkt bereits seine Sachen aus dem Stadion abgeholt hatte und ganz offiziell vom Club „freigestellt“ wurde, hatte sich selbstverständlich längst herumgesprochen. Um diese Uhrzeit noch nicht bekannt war dagegen, was HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer nur zwei Stunden später in denselben Räumlichkeiten wie bei der Slomka-Präsentation, diesmal aber in live und in echt, zu verkünden hatte: Nach ein paar Proformaworten des Dankes an den geschassten Slomka gab Beiersdorfer überraschend bekannt, dass neben dem chronisch erfolglosen Coach auch dessen Assistenten Nestor El Maestro, Torwarttrainer Ronny Teuber und Nikola Vidovic gehen müssten, zudem würde man Co-Trainer Zlatan Bajramovic offen lassen, wieder zurück in den Nachwuchsbereich zu wechseln. Neuer Cheftrainer würde „bis auf Weiteres“ U23-Coach Josef Zinnbauer (siehe unten) werden, assistiert von Patrick Rahmen, dem bisherigen Cheftrainer der Nachwuchsteams U16 bis U23, Ex-HSV-Keeper Stefan Wächter (Torwarttrainer) und Nachwuchs-Athletiktrainer Carsten Schünemann. Kurios: Zinnbauers Assistententrio war gerade erst vor drei Wochen von Neunachwuchschef Bernhard Peters für den Unterbau des HSV verpflichtet worden.

Fußball ist nun aber bekanntlich ein schnelllebiges Geschäft. Und weil das eben so ist, scheute Beiersdorfer, der den gesamten Tag über mit allen Beteiligten auf der Geschäftsstelle Gespräche geführt hatte, auch ein klares Bekenntnis zum neuen Trainerteam. „Wir versprechen uns von Joe, dass er unserer Mannschaft eine neue Struktur verpassen kann. Schnelle Taten sind erhofft und erwünscht. Wir stehen hinter dem Team“, sagte Beiersdorfer, der aber auf Nachfrage einräumte, dass Zinnbauer zwar keine Interimslösung sei, doch aber nur „bis auf Weiteres“ das Vertrauen erhält. Joe und sein Team wären „aktuell die passende Lösung“, erklärte Beiersdorfer, einen entsprechend angepassten Vertrag würde daher keiner der Neuen bekommen.

Was Beiersdorfer nicht sagte: Seine etwas schwammige Formulierung hat einen ganz einfachen Hintergrund. Denn erst als sich in den Abendstunden des Vortags abzeichnete, dass er und der mächtige Aufsichtsratschef Karl Gernandt in diesem Moment keine Chance haben würden, Wunschtrainer Thomas Tuchel als Slomka-Nachfolger zu präsentieren, schwenkten die Verantwortlichen auf die Übergangslösung Zinnbauer um, der nun erst einmal den Nachweis erbringen soll, möglicherweise mehr als nur eine Übergangslösung zu sein. Tuchel hatte den Verantwortlichen des HSV zuvor signalisiert, dass er nicht als „Feuerwehrmann“ zur Verfügung stehen würde. Ein späteres Engagement des früheren Mainzers, der besonders bei HSV-Milliardär Klaus-Michael Kühne hoch im Kurs steht, sei aber keinesfalls ausgeschlossen.

„Ich kann nicht ausschließen, dass wir an der einen oder anderen Stelle Gespräche mit Kandidaten führen“, sagte Beiersdorfer, der aber vehement die Kritik konterte, dass Investor Kühne oder Aufsichtsratschef Gernandt, bezeichnenderweise Chef von Kühnes Logistikimperium Kühne & Nagel, zu viel Einfluss auf das operative Geschäft ausüben würden. „Klaus-Michael Kühne hatte null Prozent mit den Entlassungen von Mirko Slomka oder auch Oliver Kreuzer zu tun. Die Entscheidungen werden noch immer hier im Volkspark getroffen“, sagte der Vorstandsvorsitzende, der am Vortag bis in die Abendstunden mit Gernandt in der Firmenzentrale von Kühne & Nagel das weitere Vorgehen besprochen hatte.

Dort waren die Verantwortlichen am Montag auch zum Schluss gekommen, dass es trotz Gernandts „120-prozentigem Treuebekenntnis“ zu Slomka mit dem 47-Jährigen beim HSV nicht weitergehen könne. „Wir hatten den Glauben in eine positive Entwicklung der Mannschaft verloren“, sagte Beiersdorfer, der offenbarte, dass bereits erste Zweifel an Slomka in der Saisonvorbereitung aufkamen. Nach dem miserablen Saisonstart mit null Toren und nur einem Punkt sah man sich trotz des nun bevorstehenden finanziellen Kraftakts schließlich zum Handeln gezwungen.

Denn obwohl die alte Vereinsführung in Slomkas Vertrag unter dem Punkt „Freistellungsregelung“ zwei Klauseln für den Fall einer Entlassung hat festschreiben lassen, wird die Trennung von Slomka für den HSV überaus teuer. So hätte es lediglich im Fall des Abstiegs die kostengünstige Möglichkeit der sofortigen Trennung im Sommer für die vergleichsweise überschaubare Summe von 300.000 Euro gegeben. Nach dem Klassenerhalt bleibt dem AG-Vorstand nun nur noch die Option, Klausel zwei zu ziehen. Demnach stehen dem erfolglosen Fußballlehrer vom Tag der Freistellung bis zum Vertragsende im Sommer 2016 noch die Hälfte seines Grundgehalts sowie etwaige Erfolgsprämien zu. Nach Abendblatt-Informationen darf Slomka, der 1,5 Millionen Euro exklusive Prämien verdient haben soll, sich somit bei seinem noch knapp zwei Jahre laufenden Vertrag auf mindestens 1,4 Millionen Euro freuen. Einzige Einschränkung: Sollte der Hildesheimer bis Sommer 2016 einen neuen Verein übernehmen wollen, müsste er sich ähnlich wie seine Vorgänger Bert van Marwijk und Thorsten Fink über eine vorzeitige Auflösung seines Vertrages einigen.

Über all diese Fragen muss sich Nicht-so-richtig-Interimstrainer Josef Zinnbauer zunächst mal keine Gedanken machen. Für den 44-Jährigen sei es nun eine große Ehre, so Beiersdorfer, die Profimannschaft an diesem Mittwoch um 10 Uhr zu übernehmen.

Denn wenn ein Verein wie der HSV anruft, dann ist das was Besonderes.