Der neue HSV-Akteur ist Amerikaner, Deutscher, Miesbacher, Münchner und ab Montag auch Hamburger. Er hat noch nie in der Bundesliga gespielt, ist in den USA aber bereits ein Marketingstar.

Hamburg. Natürlich hat er die Frage nicht zum ersten Mal gehört. Ob sich Julian Green, in Florida geboren, in Oberbayern aufgewachsen, denn eher als US-Amerikaner oder als Deutscher fühle? Keine einfache Frage, doch zumindest für Wolfgang Rzehak ist die Antwort klar: „Du bist a echter Miaschbecka“, sagte Miesbachs Landrat nicht ohne Stolz, als er Green nach seiner WM mit dem US-Team Ende Juli ins Goldene Buch der oberbayerischen Kreisstadt hat eintragen lassen. „Deine Tore schießt du für uns. Für Miesbach.“

Damit ist diese Frage also beantwortet. Green, der die doppelte Staatsbürgerschaft besitzt, ist Amerikaner, Deutscher, Miesbacher, Münchner – und von diesem Montag an auch Hamburger. Zumindest für eine Saison. „Hier sehe ich die Möglichkeit, mich weiterzuentwickeln“, ließ sich die Leihgabe des FC Bayern am Wochenende auf der vereinseigenen Homepage des HSV zitieren, und sagte dann noch das, was man als Neuer eben so sagt. Er freue sich auf die Aufgabe, die Mannschaft sei super, und nun wolle er vor allem Gas geben. Das Neuzugangs-ABC eben.

Dass Green tatsächlich Gas geben wird, daran hat Rainer Ulrich überhaupt keinen Zweifel. Seit 2009 ist der 65 Jahre alte Fußballlehrer Co-Trainer bei Bayerns U23 und hat sich in dieser Zeit speziell um den introvertierten Deutschamerikaner gekümmert. „Für seine Entwicklung ist der Schritt nach Hamburg sicher gut“, sagt Ulrich. „In der ersten Mannschaft der Bayern hatte er einfach keine Chance. Aber dem HSV kann er helfen – jetzt ist er am Zug.“

Ulrich weiß wie kein Zweiter bei den Bayern, was dieser gerade mal 19 Jahre alte Green alles kann – und vor allem, was er noch nicht kann. Schnell sei er, und auch den Ball könne der Youngster gut behaupten, obwohl er mit seinen schmächtigen 1,72 Meter noch nicht robust genug sei. „Beim Torabschluss kann er noch zielstrebiger und konsequenter werden“, sagt Ulrich, der sich aber sicher ist, dass Green in Hamburg schnell und viel lernen wird: „Julian hört zu, will alles aufsaugen, ist sehr wissbegierig und fleißig im Training.“

All das ist natürlich auch Bayerns Pep Guardiola aufgefallen, der Green in München regelmäßig mittrainieren ließ, ihn aber in der Bundesliga kein einziges Mal einsetzte. Bei den Profis kam das Talent nur einmal zum Einsatz: Am 27. November wechselte Guardiola den Offensivallrounder kurz vor Schluss beim 3:1-Sieg der Bayern in der Champions League gegen ZSKA Moskau ein.

Plötzlich (Marketing-)Star

Und obwohl die Bayern intern nach Greens erster Profisaison längst festgelegt hatten, dass man das introvertierte Eigengewächs eine Saison lang ausleihen wolle, betonten die Verantwortlichen öffentlich zunächst genau das Gegenteil. „Wir sind sehr stolz auf Julian. Er ist da, uns zu helfen, wenn wir ihn brauchen“, sagte Guardiola vor noch vor einem Monat. Was er damit aber in Wirklichkeit gemeint hatte, konnte man vor allem bei der US-Tour der Münchner Anfang August beobachten. Ohne die deutschen Weltmeister, Dante und Arjen Robben, war Green, seit der WM in seiner amerikanischen Heimat ein echter Star, plötzlich die Lokomotive der bajuwarischen Marketingmaschinerie. Sowohl bei Presserunden als auch bei Sponsorenterminen für Adidas und Telekom war Green, der in München zuvor noch nie bei einer Pressekonferenz war, in den USA ein gefragter Mann. Wie das denn für ihn so sei auf der großen Bühne des Weltfußballs, wurde er etwa von einem US-Journalisten gefragt. Green lächelte schüchtern, sagte: „Schön“.

Erst als die Promotiontour vorbei war, waren die Bayern bereit, sich mit Angeboten für Green zu beschäftigen. Für den HSV gerade noch rechtzeitig. „Wir hatten schon länger ein Auge auf Green geworfen“, sagt Aufsichtsrat Thomas von Heesen, der sich regelmäßig mit HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer über die Kaderplanung austauscht: „Julian ist ein Riesentalent, der großes Potenzial hat. Aber vor allem bringt er eine Grundschnelligkeit mit, die uns in der vergangenen Saison gefehlt hat.“

Bleibt nur die Frage, wie schnell Green beim HSV überhaupt zum Zuge kommt. „Man sollte in Hamburg nicht zu Beginn Wunderdinge von ihm erwarten“, warnt Förderer Ulrich vor zu großen Erwartungen, „er ist erst 19 Jahre alt und hat noch kein Bundesligaspiel gemacht.“ Geht es nach Green, soll sich aber genau dies zeitnah ändern. „Ich will einfach nur Spaß am Fußball haben“, sagt er. Egal, ob bei einem Länderspiel mit den USA, bei den Bayern, beim HSV – oder eben in Miesbach.