Seit mehr als 30 Jahren begleitet Abendblatt-Redakteur Dieter Matz den HSV – seine Meinung und sein Urteil sind gefragt

Der Name Lewis Holtby geistert durch Hamburg

In der letzten Woche der Sommer-Transferperiode geht es erfahrungsgemäß immer recht turbulent zu, so auch in Hamburg. Beim HSV wird hinter den Kulissen noch versucht und versucht und versucht. Ob damit auch die Aufregung um Rafael van der Vaart zusammenhängt, das ist noch unklar. Fest steht, dass es das Gerücht gibt, der HSV-kapitän wechselt in die Türkei, angeblich soll der Erstliga-Vertreter Trabzonspor „dran“ sein. Angeblich. Der Berater von van der Vaart soll gegenüber dem türkischen Sender „NTVSpor“ bestätigt haben, dass es Kontakt zu dem türkischen Club gibt, und dass es auch bereits Gespräche mit den HSV-Verantwortlichen gegeben haben soll. Davon weiß beim HSV aber – angeblich – niemand. Und ich habe dazu Stimmen von maßgeblichen HSV-Herren eingeholt, die das zwar nicht schriftlich bestätigen wollen, die aber fest davon ausgehen, dass da „nichts dran“ ist. Ebenso geht es mit der Personalie Lewis Holtby. Der ehemalige Schalker, jetzt in London bei Tottenham Hotspur, steht auf der Wunschliste des HSV, vor Wochen hat HSV-Chef Dietmar Beiersdorfer auch schon mit dem (früheren) Nationalspieler gesprochen, aber der Mann ist teuer. Viel zu teuer für den HSV, der nach wie vor kein Geld hat. Auch hier heißt es abwarten.

Und das gilt auch für einen anderen Ex-Schalker. Für einen HSV-Profi, der als „unkaputtbar“ gilt und eigentlich immer dabei ist: Heiko Westermann. Der Abwehrmann sollte in den ersten beiden Pflichtspielen dieser Saison ja bekanntlich eher auf der Bank sitzen als auf dem Rasen herumtollen, aber es kam anders. Der ehemalige Kapitän spielt. Auch deshalb, weil andere nicht spielen können. Gespannt bin ich darauf, wie es nun weitergehen wird mit „HW4“, denn nun ist ja mit dem Brasilianer Cleber ein neuer Innenverteidiger verpflichtet worden. Der Südamerikaner hat heute einen guten Eindruck auf mich gemacht. Und ich musste immer dann, wenn er in Aktion trat, an Dietmar Beiersdorfer denken, der ihn ja in die Nähe von „Khalid Boulahrouz gestellt hat. Das stimmt, habe ich so bei mir gedacht, Cleber guckt nicht nur teilweise so böse wie einst der „Kannibale“, sondern er geht auch ebenso zur Sache. Er ist schnell, hat ein gutes Auge, wirkt absolut athletisch und er ist hart in seinen Aktionen.

Dass nun ein Brasilianer für den Posten des Innenverteidigers geholt wurde – wie reagiert Heiko Westermann darauf? Er sagt: „Das stört mich nicht. Warum auch? Konkurrenz belebt das Geschäft, und ich versuche, meine Aufgabe dort hinten so gut wie möglich zu machen, versuche den Laden da hinten so dicht wie möglich zu halten – ich werde auch diese Saison meine Spiele bekommen. Ansonsten gibt es zu diesem Thema nichts weiter zu sagen.“

Dafür aber zu anderen Themen. Zum Beispiel dies: Wie kann es angehen, dass die schlechteste Abwehr der vergangenen Bundesliga-Saison (75 Gegentore!) in Köln meistens sicher stand und 90 Minuten ohne Gegentreffer blieb. Westermann hat da eine einfache Erklärung: „Das ist ein Verdienst der gesamten Mannschaft, das hat nicht nur mit der Viererkette zu tun. Das habe ich immer gesagt. Wir haben kompakter gestanden, haben die Abstände untereinander eng gehalten. Und ein großer Unterschied zur Vorsaison ist auch die Tatsache, dass vor uns ein Valon Behrami steht, der viel abräumt. Er ist immer bei uns, bildet mit der Innenverteidigung ein Dreieck, sodass da kaum etwas durchkommen kann.“

Dass Trainer Mirko Slomka eigentlich mit der Viererkette Diekmeier, Kacar, Djourou und Jansen in die Saison gehen wollte, das lässt Westermann (nach außen hin) kalt: „Ich habe alles abgehakt, was zuletzt war, das ist alles vergessen. Ich bin kein nachtragender Mensch. Letztes Jahr ist vergessen, die letzten Jahre sind vergessen, ich habe das abgehakt, anders geht es nicht.“

Der HSV sortiert sich neu, vor allem im Nachwuchsbereich

Beim HSV hat sich personell eine Menge getan hat. Im Profikader betrifft das Jacques Zoua, den es für ein Jahr auf Leihbasis zu Kayserispor in die Türkei zieht. Auch bei Per Skjelbred kommt Bewegung in die Wechselgedanken, nachdem sich Hertha BSC’s Mittelfeldmann Baumjohann das Kreuzband gerissen hat. Dazu gesellen sich die potenziellen Leihspieler Kerem Demirbay und Jonathan Tah. Bei Tah wäre ich ebenso wenig traurig, wenn er bleibt, wie bei Rafael van der Vaart, bei dem sich alle Gemüter langsam wieder zu beruhigen scheinen, nachdem dessen Berater Gespräche mit Trabzonspor öffentlich bestätigt hatte. Dagegen gehe ich weiterhin fest davon aus, dass Tottenham letztlich lieber das Gehalt von Holtby (rund drei Millionen Euro per annum) sparen wird, als ihn auf der Bank geschweige denn Tribüne sitzen zu haben. Ich glaube, dass Dietmar Beiersdorfer seinen Wunschspieler letztlich nach Hamburg holen wird. Wenn auch auf den allerletzten Drücker und auf Leihbasis inklusive Kaufoption, aber wenn Beiersdorfer einen Spieler bislang unbedingt haben wollte, dann landete er zumeist auch in Hamburg.

Und in diesem Fall kommt hinzu, dass Holtby selbst nach Hamburg kommen will. Dem Vernehmen nach ist sich der HSV mit dem Spieler seit längerem einig. Daher meine von Hoffnung geprägte Prognose, ungeachtet des harten Verhandlungspartners Tottenham: Holtby wird in Hamburg landen. Und läuft es optimal, ist van der Vaart dann auch noch da und hat mit dem Ex-Schalke seinen kongenialen Mann fürs offensive Mittelfeld, während Valon Behrami dahinter abräumt und Müller sowie Jansen oder Ilicevic die Außen beackern, um die einzige echte Spitze, Pierre Michel Lasogga, mit Bällen zu füttern. Diese Offensive hätte Gesicht.

Beim HSV tut sich eine ganze Menge. Inhaltlich wie personell wird viel umgestellt. Insbesondere der Nachwuchs erfährt Korrekturen und Veränderungen. So wird ab sofort mindestens alle 14 Tage ein Sondertraining für Top-Talente stattfinden. Schon heute um 17 Uhr wurde die erste Einheit unter der Leitung von Bundesligacheftrainer Mirko Slomka absolviert. 12 Spieler können sich dabei über gute Leistungen für das Elitetraining erarbeiten.

Neuer Cheftrainer für den Jugendbereich Leistung von der U16 bis hoch zu der U23 ist ab sofort Patrick Rahmen. Der ehemalige Assistent von Thorsten Fink soll dabei die inhaltliche Trainingsgestaltung der Leistungstrainer koordinieren. Rahmen kontrolliert, was wann trainiert wird und wo wann welche Schwerpunkte zu setzen sind. Parallel zur Einstellung Rahmens soll Dr. Dieter Gudelt das Nachwuchsleistungszentrum ab sofort administrativ leiten. Zudem übernimmt Ex-HSV-Profi Stefan Wächter ab dem 1. September das Torwarttraining, Carsten Schünemann (kommt von Hertha BSC) das Athletiktraining sowie Rodolfo Cardoso und Sebastian Schmidt das Techniktraining. Für den bisherigen Nachwuchschef Michael Schröder ist damit die Aufgabe im Jugendbereich vorerst erledigt. Gut möglich, dass Beiersdorfer seinen ehemaligen Chefscout wieder in die Scoutingabteilung setzt.

Zudem hat der HSV das Campus-Projekt neu angeschoben. Beiersdorfer und Peters haben den Bau des neuen Nachwuchsleistungszentrums an der Imtech-Arena noch einmal überdacht und umgeplant. Die große Lösung wird angestrebt, der Leistungsfußball somit aus Norderstedt abgezogen. Ab der U11 Auf der Anlage Ochsenzoll werden demnach nur noch die Breitensportmannschaften spielen. Dafür sollen an der Imtech-Arena insgesamt 5,5 Trainingsplätze teilweise neu geschaffen werden. „Wir haben diesen Wunsch schon bei der Stadt hinterlegt. Und der ist positiv aufgenommen worden.“

Spielt der HSV künftig mit van der Vaart und Holtby?

Zwei Spieler, über deren Abgang bereits in den vergangenen Tagen spekuliert wurde, haben heute ihre Wechsel forciert. Jacques Zoua wird vom HSV an den türkischen Erstligisten Erciyesspor verliehen. Außerdem soll Kerem Demirbay ein „Roter Teufel“ werden. Der hochveranlagte Mittelfeldspieler wird an den 1. FC Kaiserslautern verliehen. Ein guter Schritt für Demirbay, der beim HSV eine faire Chance vermisst hat. FCK-Präsident Stefan Kuntz hatte sich schon vor Wochen in Hamburg nach Demirbay umgehört. Demirbay hat noch drei Jahre Vertrag in Hamburg, und vor diesem Hintergrund haben die Lauterer auch nach einer Ausleihe über zwei Jahre nachgefragt und auch nach den Optionen, den Deutsch-Türken gleich ganz zu kaufen. Das will der HSV nicht, würde aus Hamburger Sicht auch keinen Sinn machen. Spätestens im kommenden Jahr, wenn die HSV-Truppe wegen vieler auslaufender Verträge ein neues Gesicht haben wird, ist Demirbay eine Option für eine gute Rolle beim HSV. Daher erhält Kaiserslautern auch keine Kaufoption.

In die Personalie Per Skjelbred ist ebenfalls Bewegung gekommen. Hertha-Sportdirektor. „Es ist kein Gemeinnis, dass wir noch einen Stürmer suchen und großes Interesse an Per Skjelbred vom HSV haben.“ Allerdings ist beim HSV immer noch kein Angebot aus der Hauptstadt eingetroffen, das Dietmar Beiersdorfer und sein Team überzeugen würde. Bis Montagmittag um 12 Uhr haben die Verhandlungspartner Zeit, den Deal einzutüten. Dann schließt die Sommer-Transferliste.

Die heißdiskutierte Tauschaktion – van der Vaart in die Türkei, dafür Lewis Holtby aus Tottenham an die Elbe - schließt Trainer Mirko Slomka nahezu aus: „Erstmal kann ich mir nicht vorstellen, dass Rafael van der Vaart den Verein verlässt. Er ist in einer sehr guten Verfassung und hilft uns im Moment sehr. Er ist Kapitän und führt dieses Team. Und dass Lewis Holtby ein Klassespieler ist – darüber müssen wir nicht diskutieren. Aber ich weiß nicht, ob das wirtschaftlich machbar ist. Das halte ich eher für ein Märchen.“

Heiko Westermann hat das Mitspielen in der A-Elf heute im Trainingskick sichtlich Auftrieb gegeben. Nach der Einheit übten die Flügelspieler noch Flanken, die in der Mitte von Westermann und Cleber zum Torschuss genutzt werden sollten. Und was Westermann dort an Toren erzielte, war kaum zu toppen. Es gab für die Serie von Trainingstoren Beifall der Trainingskiebitze. Aus Heiko Westermann wird jetzt nicht gleich ein Publikumsliebling, seine Kritiker werden weiter zweifeln an seinen Fähigkeiten. Unstrittig ist allerdings, dass der ehemalige Kapitän gerade dann gut spielt, wenn er mit Ruhe und ohne Druck in eine Partie gehen kann. „Diese Stress-Momente, die ich hier erlebt habe, sind aktuell nicht da“, sagt Slomka. „Wir haben eine andere Mentalität. Das betrifft Heiko und viele andere Spieler.“

Demirbay und Skjelbred finden neue Vereine - Holtby im Anflug

Endlich Heimspieltag. Der SC Paderborn kommt. Und die HSV-Fans sind wieder heiß auf ihren HSV. Knapp 53000 Tickets sind nach Angaben des HSV bislang abgesetzt – und ich bin jetzt schon sehr gespannt, wie die Stimmung sein wird. Dass es genügend Gründe gibt, diese Mannschaft anzufeuern ist fraglos. Neben den sportlichen Punkten gibt es auch im Umfeld schon viele erfreuliche Bewegungen. „HSV Schnack“ (www.HSV-Schnack.de) hat die Supporters auch medial wieder als Abteilung aufleben lassen, Poptown hat seinen Rückzug vom Rückzug bekanntgegeben. Und im berühmt-berüchtigten Block 22c sind auch nicht viele Plätze frei geblieben. Allein, ob von dort oben weiter Stimmung gemacht wird, ist offen. Aber es gibt Anzeichen, die hoffen lassen. Weil dieser HSV ein endlich seriöses Gesamtbild abgibt.

Trainer und Mannschaft haben hart gearbeitet, der Vorstand hat seine Arbeit ebenso ruhig wie intensiv erledigt und der Aufsichtsrat – der taucht so gut wie gar nicht mehr auf. Ergo: Der HSV hat gelernt. Und die HSVerinnen und HSVer honorieren das. Umso schöner wäre es, wenn die gesamte Vorbereitung letztlich mit dem Transfer von Lewis Holtby - ob als Kauf oder (sehr wahrscheinlich) als Leihgeschäft – egal. Es würde eine Vorbereitung abrunden, die so lief, wie man es sich vom HSV wünschen darf. Eben komplett anders als in den letzten drei, vier Jahren.

Nicht mehr dabei waren Kerem Demirbay und Per Skjelbred. Demirbay, der ab sofort für ein Jahr auf Leihbasis zum 1. FC Kaiserslautern wechselt: „Natürlich ist man erst einmal enttäuscht, wenn man nach einer guten Vorbereitung keine Spielzeit bekommt, aber mit der Entscheidung, zu Lautern zu wechseln bin ich sehr zufrieden. Der FCK ist ein Topklub, wo ich hoffentlich genug Spielzeit bekomme.“ Zudem hat Demirbay nachträglich eine hohe Wertschätzung erhalten. Denn trotz des dringenden Wunsches des FCK, den Deutsch-Türken sofort zu kaufen, blieb der HSV hart. „Das zeigt mir, dass ich nicht alles falsch gemacht haben kann in Hamburg“, so Demirbay. Ebenfalls nichts falsch gemacht hat zweifellos Per Skjelbred. Für 1,3 Millionen Euro wechselt der Norweger in die Hauptstadt. Daher: Alles Gute, Per! Alles Gute Kerem!

Richtig Gutes erfährt der HSV auch im Nachhinein von und für Vadis Odjidja-Ofoe. Der Mittelfeldspieler war im Januar 2008 für 400000 Euro aus Anderlecht zum HSV gewechselt, um im Januar 2009 nach Brügge zu wechseln. Und das für 900000 Euro - zuzüglich einer Vertragsklausel, die besagt, dass der HSV an einem möglichen Weiterverkauf beteiligt werden muss. Mein belgischer Kollege, der mich darüber informierte, sprach von einer 20-Prozent-Beteiligung des HSV. Und das wären noch mal 600000 Euro, sollte der Wechsel des 25-Jährigen zu Norwich für die jetzt bekannt gewordenen drei Millionen Euro Ablöse realisiert werden.

Die große Blamage des HSV gegen Aufsteiger Paderborn

Die Sonne schien, bestes Fußballwetter lud zum ersten Heimspiel der 52. Bundesliga-Saison ein – nur der HSV war leider noch nicht so richtig gut aufgelegt. Obwohl alles für einen Heimsieg gerichtet schien. Aber das schien nur so. Dieser HSV ist weiterhin jenseits von Gut und Böse, in dieser Mannschaft gibt es immer noch zu viele Versager, die sich dann schnell vom Acker machen, wenn es hart auf hart kommt. Es wird Zeit, dass in diesen Verein eine andere Philosophie Einzug hält, und zwar so schnell wie möglich. Das ist leider kein Erstliga-Niveau, was sich dieser HSV immer noch zurechtstümpert, das muss man so krass feststellen, sie haben aus ihren Fehler nichts, aber auch wirklich nichts gelernt. Aber nun gibt es ja doch noch einmal zwei weitere Transfers, die diesem verein vielleicht doch noch neues Leben einhauchen können. Aus London soll Lewis Holtby kommen, aus München, vom FC Bayern, wird Offensivspieler Michael Green für ein Jahr ausgeliehen – sie sind nun die neuen Hoffnungsträger. Ansonsten könnte das Fazit heißen: Der HSV geht wieder nur ganz, ganz schweren Bundesliga-Zeiten entgegen. Trotz aller Versuche der Verantwortlichen, den Rettungsanker zu werfen. Da muss noch viel passieren, bis dieser HSV wieder auf Kurs ist. Ohne Worte, das ist ein ganz blamabler Tag für den Erstliga-Fußball in Hamburg, schämt Euch, Ihr Versager! Mich macht ein solcher Auftritt total fassungslos!

Das muss gleich einmal zu Beginn gesagt werden: Die Fans – vor allem im Norden – waren super, großartig, sensationell. Nur der HSV nicht. Und deswegen gab es schon zur Pause Pfiffe. Da stand es schon durch das Tor von Kachunga (29.) 0:1. Und der HSV hatte eben doch nur wie der HSV gespielt - der HSV aus der Vorsaison. Okay, okay, es wird schneller gelaufen, bestimmt auch mehr, aber fußballerisch ist der Volkspark aus Hamburger Sicht weiterhin nur Niemandsland. Es wird Zeit, dass endlich der „neue HSV“ aufläuft, ein HSV mit Cleber Reis, Matthias Ostrzolek, Nicolai Müller, Zoltan Stieber, Lewis Holtby und Julian Green, um Valon Behrami die richtige Unterstützung zu geben. Das wäre eine neue Mannschaft, die dann auch zeigen kann, wie Fußball mit Herz, Leidenschaft, Engagement und Einsatz und Willen tatsächlich funktioniert. Die Herren, die sich in den letzten Wochen und Monaten versuchten, die können es offenbar trotz eines härteren Trainings nicht, sie habe genügend Chancen gehabt – jetzt dürfen sich eben andere, neue Spieler versuchen. An Gegner Paderborn, von den meisten Experten als Bundesliga-Absteiger als Absteiger Nummer eins getippt, konnte jeder sehen, was es bedeutet, wenn man Laufbereitschaft zeigt, wenn man eine Strategie gemeinsam umsetzen will – und es auch kann. Diese „No-name-Truppe“ aus dem Westen hat es vorgemacht, wie Fußball geht, ohne einen Star an Bord zu haben – man muss nur wollen. Und Paderborn wollte.

Torchancen für den HSV in Halbzeit eins? Gab es nicht wirklich. Torchancen hatten nur die Gäste, das Team von Andre Breitenreiter, dem ehemaligen HSV-Profi. Obwohl der HSV durchaus gut und willig begann. Es fehlte aber der letzte Pass und die letzte Konsequenz im Spiel nach vorne. Das war oft viel zu durchsichtig und auch halbherzig. Umschalten, das sollte das Thema des HSV sein, so wollte der HSV eigentlich gewinnen, aber an diesem Tag schaltete nur eine Mannschaft um: der SC Paderborn.

Slomkas Truppe dagegen bot nur Zweitliga-Niveau. Es wird nicht schnell genug gespielt, es wird nicht schnell genug nachgerückt, gelegentlich auch gar nicht nachgerückt, es wird nicht miteinander gespielt, es wird nichts kompakt zugestellt, die Verantwortung wird immer nur dem Nebenmann in die „Buffer“ geschoben, vieles wird dem Zufall überlassen. Und viele lassen auch zu schnell die Köpfe hängen, da ist kein Leben drin – nichts, null.

In der 69. Minute leitet Rudnevs mit einem Querpass vor dem HSV-Strafraum das 0:2 (Vrancic) ein, und Stoppelkamp schoss in der 87. Minute noch das 0:3. Der Hammer, der Wahnsinn, ein Offenbarungseid des HSV.

Der Tag danach: Deutliche Worte von Clubboss Beiersdorfer

Alles zurück auf Start. Nichts scheint besser zu sein als in der Vorsaison. Zumindest was DIESE HSV-Mannschaft angeht. Das ist die Erkenntnis, die sicher viele Fans und auch die Verantwortlichen des HSV aus der desolaten 0:3-Pleite gegen den SC Paderborn gezogen haben. Genau ein Spiel lang hielt die Illusion, dass die erfolglose Mannschaft von 2013/2014 nun 2014/2015 vielleicht doch, ausgestattet mit besserer Physis, zu besseren Leistungen imstande ist. Die Partie gegen einen natürlich auch unbeschwerten Aufsteiger aus Paderborn zeigte das Gegenteil.

Dietmar Beiersdorfer, der Vereins-Vorsitzende, hat heute in – für seine Verhältnisse – deutlichen Worten gesagt, was aus seiner Sicht Sache ist: „Man hat gesehen, dass die Konstellation der Mannschaft in Teilen verändert werden muss. Das wird unsere Aufgabe sein.“ Unsere Aufgabe, sagt Beiersdorfer, und meint vor allem die Aufgabe von Trainer Mirko Slomka. Wie schon in Köln, als es funktioniert hat, baute der Coach auch gegen Paderborn – bis auf Valon Behrami – auf Spieler, die den Absturz der vergangenen Spielzeit mitgestaltet haben. Gestern klappte das Kartenhaus zusammen. „Natürlich sind wir überaus unerfolgreich“, so Dietmar Beiersdorfer. „Wir müssen die Überlegungen der Sommerpause umsetzen - da ist auch der Trainer gefordert. So wie gestern dürfen wir uns nicht präsentieren.“ Klarer Auftrag also an Mirko Slomka: Neue Spieler in die Mannschaft. Dass es ansonsten an den Stuhl des Trainers geht, liegt auf der Hand.

Was nun die angesprochenen Veränderungen in der Startelf schon beim nächsten Spiel in Hannover am 14. September angeht, darüber kann ab jetzt kräftig spekuliert werden. Ostrzolek auf links, Müller im Mittelfeld, Cleber in der Deckung – diese drei Alternativen bieten sich heute schon an. Weiteres hängt davon ab, ob bis Montagmittag die gewünschten Verpflichtungen unter Dach und Fach sind. Während der Vater von Julian Green auf ESPN bereits das Leihgeschäft zwischen Bayern München und dem HSV bestätigte, gibt es in Sachen Lewis Holtby aktuell noch keinen Vollzug zu melden. Es geht weiter um ein Leihgeschäft. Aus HSV-Sicht am liebsten mit einer Kaufoption. Heute saß Lewis Holtby jedenfalls noch beim Heimspiel von Tottenham Hotspur gegen den FC Liverpool auf der Bank der Londoner und sah von dort aus eine 0:3-Heimniederlage. Neue rein, „alte“ raus. Im Mittelfeld muss sich Tolgay Arslan Sorgen um seine Position in der Startelf machen. Das war gestern gar nichts und ist nahezu unverständlich, weil er in Köln noch gut drauf war. Wo ist innerhalb einer Woche die Spritzigkeit geblieben? Ist sie in den Treppenläufen am Mittwoch hängen geblieben? Schwer vorstellbar.

Auch Marcell Jansen kam nicht richtig ins Tempo. Und was Rafael van der Vaart angeht: Bei seiner Verletzung handelt es sich um eine Waden-Zerrung, die sicher eine mehrwöchige Pause nach sich ziehen wird. Und Pierre Michel Lasogga ist immer noch nicht in Wettkampfverfassung. Kurzum: Zu viele Baustellen, um sich besser aus der Affäre zu ziehen. Kurz vor dem Ende der Transferfrist hat sich Jonthan Tah übrigens noch auf die Socken nach Düsseldorf gemacht. Dort soll er am Montag seinen Medizin-Check absolvieren. Ein Jahr Ausleihe zur Fortuna in die Zweite Liga soll es werden. Erfreulich: Die U 23 des HSV feierte in der Regionalliga ihren sechsten Sieg im sechsten Spiel, diesmal ein 3:1 gegen Lüneburg. Die Profis haben am Montag trainingsfrei und freuen sich dann auf zwei Testspiele (Donnerstag in Neumünster, Freitag in Danzig). Und dann beginnt die Vorbereitung auf die Partie in Hannover. Für Mirko Slomka eine Partie mit gewaltiger Brisanz.