Neuzugang Cléber wird wie eine Aktie gehandelt. Verkauft der HSV ihn weiter, verdienen Investoren mit

Für den Laien, und davon standen auch am Dienstag wieder mehr als 100 rund um den Trainingsplatz des HSV, war es zunächst einmal gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Die einen Fußballer hatten blaue Leibchen an, die anderen gelbe. Doch dann waren da noch ein paar Hütchen, die das ganze verkomplizierten. So musste auch HSV-Trainer Mirko Slomka seinen Profis zunächst einmal ausführlich erklären, wer denn nun wohin beim Taktikspielchen im Vormittagstraining laufen durfte. Dann schien zumindest für die Spieler alles klar zu sein. Nur HSV-Neuzugang Cléber, der lediglich Portugiesisch spricht, brauchte noch eine kurze Sondereinweisung von Co-Trainer Nestor El Maestro.

Eigentlich durfte der 23 Jahre alte Südamerikaner noch gar nicht mittrainieren. Noch immer fehlten drei Dokumente mit Unterschriften aus São Paulo. Nur weil Cléber eine Gastspielererlaubnis bekommen hat, durfte Hamburgs neuer Hoffnungsträger überhaupt auf den Rasen. Wann mit den fehlenden Papieren zu rechnen ist? „Vielleicht morgen. In Brasilien ticken die Uhren anders“, sagte ein Mitarbeiter der HSV-Geschäftsstelle. Gelächter.

„Für Cléber ist das natürlich nicht so einfach“, sagte Heiko Westermann nach der ersten gemeinsamen Einheit. „Er spricht kein Deutsch, kein Englisch und eigentlich auch kein Spanisch. Und bei uns spricht niemand Portugiesisch.“

Nun wurde Cléber Janderson Pereira Reis nicht als Fremdsprachenkorrespondent vom HSV gekauft. Fußball spielen soll der Brasilianer. Dass Cléber, wie das 1,86 Meter große Kraftpaket der Einfachheit halber genannt wird, aber wahrscheinlich besser spielt, wenn er auch rudimentär Deutsch versteht und sich einlebt, das wissen natürlich auch die Hamburger Verantwortlichen. Am Dienstag hat sich deshalb ein möglicher Betreuer vorgestellt, der dem Bahianer zunächst mal zur Hand gehen soll.

Beim HSV will man auf Nummer sicher gehen. Anders als in der Vergangenheit kann es sich der Club nicht mehr leisten, ein zu großes Millionen-Risiko einzugehen. Und Cléber war teuer. Nur wie teuer genau, das wissen nicht viele. Die Rede ist von rund drei Millionen Euro. Doch wie viel Cléber der HSV für das Geld bekommen hat, das wissen noch weniger. Und die, die es wissen, die wollen es nicht sagen.

Der internationale Transfermarkt ist kompliziert. Komplizierter als ein Trainingsspielchen allemal. Und der brasilianische Fußballmarkt, da gibt es keine zwei Meinungen, ist der komplizierteste von allen. Dort ist ein Spieler wie Cléber, an dessen wirtschaftlichen Rechten gleich eine ganze Reihe von Investoren beteiligt waren und sind, keine Seltenheit. Er ist die Regel. So hat der HSV zwar 100 Prozent der Transferrechte erworben, aber nur einen Bruchteil der wirtschaftlichen Rechte. Diese liegen teils beim Club, teils bei den Investoren um den in Brasilien bestens vernetzten Guilherme Miranda, einen Geschäftsmann, der im Weltfußball bis vor Kurzem sehr umtriebigen Sonda-Gruppe. Im Klartext: Verkauft der HSV irgendwann einmal Cléber an einen anderen Verein weiter, dann darf der Club auch nur den Anteil seiner wirtschaftlichen Rechte einfordern. In der Szene geht man von 50 Prozent aus. Der Rest der Ablöse geht an die Investoren.

„Man muss unterscheiden zwischen Transferrechten und ökonomischen Rechten. Die Transferrechte liegen immer beim Verein“, stellt Jochen Lösch klar. Der Jurist, der viele Jahre in Hamburg studiert und gearbeitet hat, kennt sich wahrscheinlich wie kein Zweiter im Dickicht des brasilianischen Fußballdschungels aus. Lösch, 49, ist einer von zwei Geschäftsführern der in Brasilien sehr mächtigen Agentur Traffic Sports. Die Firma verdient Millionen mit dem Handel von TV-Rechten und mit Fußballtalenten. Der „Spiegel" nannte den glatzköpfigen Lösch gerade erst einen Menschenhändler.

„Ein Spieler kann und wird niemals gegen seinen Willen transferiert“, verteidigt sich Lösch, der seit Jahren enge Kontakte zu den HSV-Vorständen Dietmar Beiersdorfer und Joachim Hilke pflegt. „Auch ein Investor wird niemals einen Spieler gegen den Willen des Vereins transferieren können. Ganz generell kann man ohnehin sagen: Der Einzige, der im Geschäft Fußball immer gewinnt, ist der Spieler.“

So sei es schon bei Thiago Neves und Alex Silva gewesen, die der HSV mit wenig Erfolg und viel Geld 2008 verpflichtet hatte. Und so sei es erst recht im Fall Clébers. Das Risiko so eines Geschäfts liege fast ausschließlich beim Investor. „Wenn der Vertrag mit dem Spieler irgendwann ausläuft, ohne dass der Verein ihn weitertransferiert hätte, dann erleidet der Investor einen Totalverlust“, sagt Lösch, der derartige Beteiligungsgeschäfte nüchtern als „Kreditgeschäft mit Forderungsabtretung“ bezeichnet. Für Fußballromantik hat er wenig übrig – und den Transfer Clébers hält er ohnehin für ein aus Hamburger Sicht sehr gutes Geschäft: „Clébers Kurs auf dem Transfermarkt war Anfang des Jahres ganz oben. Er wird auf jeden Fall seinen Weg machen.“

Doch auch Lösch weiß, dass es noch eine zweite Sichtweise der Dinge gibt. In England, Frankreich und Polen sind Beteiligungsgeschäfte wie das des HSV und Clébers verboten. Und auch die Uefa prüft, gegen derartige „Third-Partner-Ownership“-Geschäfte vorzugehen. Nach Abendblatt-Informationen wird sogar erwogen, Clubs von der Champions League und der Europa League auszuschließen, die Spieler unter Vertrag haben, deren wirtschaftliche Rechte nicht zu 100 Prozent beim Club liegen. Die Fifa ist da noch ein wenig entspannter. Lediglich Einflussnahme von Investoren auf die Vereine soll unbedingt verhindert werden.

Investor Lösch hält von all den Diskussionen um zu mächtige Investoren naturgemäß nur wenig. Stattdessen verhandelten der gebürtige Bayreuther und dessen Agentur am Mittwoch lieber mit den Offiziellen des FC Barcelona. Am Abend war das nächste Millionengeschäft perfekt: Rund acht Millionen Euro sollen die Spanier für São Paulos Rechtsverteidiger Douglas bezahlen. 40 Prozent davon stehen Traffic zu. Kurios: Noch vor einem Jahr ließ Barça einen ganz anderen Abwehrmann beobachten. Der Name des aufstrebenden Talents: Cléber.