Vor dem neuen Direktor Sport des HSV liegt eine Mammutaufgabe – wie er selbst sagt

Stegersbach. Bei Temperaturen von mehr als 30 Grad Celsius im Burgenland bevorzugt auch Bernhard Peters leichte Kleidung. In kurzer Hose und Adiletten steht der 54-Jährige am Spielfeldrand und tut das, was ihn besonders auszeichnet: beobachten. „Ich habe ein fotografisches Gedächtnis, das ist meine Stärke.“

Was ihm bei seinen Studien selbstverständlich nicht entgeht: Pierre-Michel Lasogga fehlt wegen seines Blutergusses im Sprunggelenk, der noch immer Schmerzen verursacht, erneut im Mannschaftstraining und wird erst nach der Rückkehr nach Hamburg und dem trainingsfreien Mittwoch wieder ins Team integriert werden können. Das Gleiche gilt für Jonathan Tah (leichte Oberschenkelzerrung).

Doch das sind nur Momentaufnahmen, Peters wird der Mann fürs Konzeptionelle sein. Seit dem 1. August ist der frühere Hockey-Nationaltrainer, der acht Jahre bei 1899 Hoffenheim aktiv war, nun als Direktor Sport im Amt, ein Direktor Profifußball (der wohl Peter Knäbel heißt) wird folgen. Peters war die erste Personalentscheidung von Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer, der ihn vor einem Jahr bei einer SAP-Veranstaltung kennenlernte. „Ich bin kein Ankündigungsweltmeister, und ich bin auch kein Missionar“, sagt Peters am Sonntag. Zunächst gelte es, eine Analyse beim HSV vorzunehmen. Doch dass sich in den kommenden Jahren beim HSV so einiges ändern wird, das wird bei seinem Antrittsgespräch deutlich. Als Anführer und Anstifter der Führungskräfte will er wirken.

Bernhard Peters über ...

... seine Entscheidung pro HSV: „Ich hätte bis zur Rente in Hoffenheim bleiben können. Aber ich habe den Trieb zur Veränderung in mir, ich bin unruhig. Und so wunderbar die Zeit in Hoffenheim auch war, so liegen mir die Norddeutschen mehr. Die Menschen dort haben mich oft gefragt, ob ich aus Hamburg komme.“ (Peters ist in Rheine geboren, die Red.).

... sein Führungsverständnis: „Es gilt, in allen Bereichen Koordinatoren, die richtigen Teamleader aufzubauen, sich mit ihnen ständig auszutauschen und zu diskutieren, sie am Ende des Tages aber auch zu führen. Der Auftrag lautet, eine Durchlässigkeit von Zielen und Inhalten in einem langfristigen Konzept zu schaffen und als Club unabhängiger von Personen zu werden. Dazu müssen Anschlüsse vom Kinderfußball bis nach oben geschaltet werden. Das ist eine Mammutaufgabe.“

... die Arbeit mit den Trainern: „Von Vereinen wie Barcelona oder Manchester kann man lernen. Dort werden die Trainer für die nächsthöhere Mannschaft aus dem System heraus entwickelt. Ich habe früher Spieler gecoacht, heute coache ich Trainer, das heißt, dass sie lernen, ihre Arbeit zu reflektieren. Drei Assistenztrainer in Hoffenheim haben als Praktikanten angefangen.“

... seine Arbeitsweise: „Ich bin es gewohnt, sechs, sechseinhalb Tage pro Woche zu arbeiten. Ich habe mir einen Spruch von Konfizius zu eigen gemacht: Suche dir eine Arbeit, die du liebst, und du brauchst nie mehr zu arbeiten. Und mir macht meine Aufgabe Spaß. Eigentlich ist das keine Arbeit für mich. Wenn möglich, werde ich mir alle Heimspiele der U17, der U19, der U23 und der Profis anschauen.“

... seine Philosophie im Jugendfußball: „Ich kein Fan davon, auf einem Spielsystem zu beharren. Mit geht es mehr um Ausbildungsprinzipien. Man muss den richtigen Rahmen in den mentalen, den fußballtaktischen und den technischen Bereichen festlegen. Ein Training sollte sich immer an der Frage orientieren: Was fordert das Spiel wirklich, welche Übungen kann ich für Spielräume oder Spielsituationen entwickeln? Das Geheimnis im Spitzensport ist für mich die Belastungssteuerung, die Balance zwischen Belastung und Entlastung. Ob es den jeweiligen Trainingstag betrifft, eine Woche oder einen längeren Zyklus wie eine Hinserie. Vieles geht über Intuition, aber auch mit wissenschaftlichen Verfahren.“

... die Persönlichkeitsschulung: „Trainer wollen am Spieltag Entscheider auf dem Platz haben. Jungs, die über eine gewisse Selbstständigkeit verfügen, die richtige, stabile Entscheidung zu treffen. Wenn die Spieler immer nur funktionieren müssen, nach dem Motto ‚blaue Hose, zehn Training, tschüs‘, kann es keine Menschen geben, die ihre Entwicklung oder ihr Training reflektieren. Mir geht es weniger um intellektuelles Wissen, sondern um soziale Kompetenz, um das Ausbilden von Mentalitäten. Ich möchte, dass Jugendtrainer sich nicht nur als Übungsleiter verstehen, sondern auch erzieherisch wirken. Es gilt, gemeinsame Werte und darauffolgende Verhaltensweisen festzulegen. Ein Interviewtraining gehört für mich auch in diesen Bereich.“

... Hindernisse, wie das Geld: „Das sind teilweise schwierige, komplexe Prozesse. Einige Jugendliche werden gut geführt, andere haben riesige Probleme in ihrem Spezialverhalten, sie haben kein vernünftiges Familienleben, werden durch ihren Berater oder das persönliche Umfeld früh falsch instruiert. Hier müssen die Trainer versuchen, gezielt gegenzuwirken. Das schafft man aber nur bei vielleicht 60, 70 Prozent der Jungs. Bei anderen ist das leider vergebene Liebesmühe.“

... Strukturprobleme beim HSV: „Die Distanz beim HSV zwischen dem Volkspark mit den Profis und dem Nachwuchszentrum ist problematisch. Das Ziel muss lauten, eine Durchlässigkeit in den Ideen hinbekommen. Dies ist viel besser möglich, wenn möglichst viel auf einer Anlage passiert, auch unter motivationalen Aspekten. Nah dran an Profis zu sein auf dem gleichen Campus, schürt bei den Nachwuchsspielern den Wunsch: Dort will ich auch hin.“