Mit André Bichler von der Agentur Extraplan bereitet sich der 24 Jahre alte HSV-Profi auf sein Leben nach dem Profifußball vor. Er will seinen „Traumjob nach dem Traumjob“ finden.

Hamburg. Vom 2005 verstorbenen Nordiren George Best sind nicht nur seine Fußballkünste in Erinnerung geblieben, sondern auch seine kultigen Sprüche. Der frühere Profi von Manchester United bediente perfekt das Klischee über Profifußballer, die in Millionen schwimmen und sich ein ausschweifendes Privatleben gönnen: „Ich habe viel von meinem Geld für Alkohol, Weiber und schnelle Autos ausgegeben. Den Rest habe ich einfach verprasst“, sagte der Flügelstürmer einmal.

Wer zu den regelmäßigen Trainingskiebitzen beim HSV gehört, weiß längst, dass auch Dennis Diekmeier ein Faible für sportliche Autos hat. Ein weißer Wiesmann MF 4S GT ist sein jüngster Schatz, mit dem er aber nach eigener Aussage nie rasen würde. Aber klar fasziniert ihn die Beschleunigung, genau wie der rasante Antrieb in einer Achterbahn. Das war es aber auch mit den äußerlichen Parallelen zu Lebemann Best.

Seine privaten Dinge hat er im Sprinttempo geregelt. Schon seit 2010 ist Diekmeier mit Dana verheiratet und lebt mit den Kindern Delani und Dion in Niendorf in einer ruhigen Seitenstraße: „Ich bin froh, so früh geheiratet zu haben, das Familienleben macht mich glücklich und hat sicher entscheidend dazu beigetragen, dass ich ein positiver, ruhiger Mensch bin und mich auf den Fußball fokussieren kann. Ich weiß, wo mein Lebensmittelpunkt ist.“

Nach Marcell Jansen ist Diekmeier mit Drobny der dienstälteste HSV-Profi

Im August startet der schnelle Rechtsverteidiger bereits in seine fünfte Saison beim HSV und ist damit nach Marcell Jansen dienstältester Profi, gemeinsam mit Torwart Jaroslav Drobny. Als er im November seinen Vertrag bis 2016 verlängerte, entschied sich Diekmeier für das Gesamtpaket Hamburg: „Ich hätte vielleicht ein bisschen mehr verdient, aber ich fühle mich eben hier wohl.“ Und wer sich eine Weile mit ihm am schweren, rustikalen Holztisch in seinem Esszimmer unterhält, merkt schnell, dass dies keine Phrase ist.

Überhaupt prallen so viele gängige Raster über Fußballprofis an Diekmeier ab. Öffentliche Kritik am HSV oder Kollegen, Disziplinlosigkeiten, Partyfotos? Fehlanzeige. Stattdessen kümmert er sich lieber professionell um seine Karriere – und die Karriere danach. Über einen Freund lernte Diekmeier vor einem Jahr André Bichler kennen, der mit seiner Hamburger Agentur Extraplan seit 2011 Sportlern bei ihrer ganzheitlichen Karriereplanung hilft. „Ich fand die Idee von Anfang an reizvoll, weil ich vorbereitet sein will, was später passiert.“ Sagt ein Fußballer mit 24.

Bichler, 40, ist auch zu Besuch bei den Diekmeiers kommen. Er hat selbst einmal am Traumberuf Profifußballer geschnuppert, als er mit 23 für den Lüneburger SK in der 3. Liga kickte. Nachdem der gebürtige Wanne-Eickler seine Karriere früh verletzungsbedingt beenden musste, trieben ihn stets diese Fragen um: Was kommt, wenn ich es nicht schaffe? Was folgt auf eine normale Fußballerkarriere? Ihm wurde zügig klar, dass eine gezielte Karriereplanung parallel zur Karriere nicht nur den Übergang in den nächsten Beruf erleichtert, sondern auch eine gewisse Unabhängigkeit des Sportlers von seinem sportlichen Erfolg fördert – und dafür eben ein individueller und nachhaltiger Extraplan benötigt wird.

Die meisten Profis verdrängen diese Gedanken. Laut den Statistiken der Spielergewerkschaft VdV stehen 75 Prozent aller Sportler nach der Karriere ohne jede berufliche Qualifikation da, die Weiterbildung neben der Karriere bildet noch immer die Ausnahme, was sich vor allem für die rund 25 Prozent aller Vertragsfußballer, die am Ende sogar Schulden angehäuft haben, existenzbedrohend auswirkt. Umgekehrt haben selbst Fußballer, die mehrere Jahre in der Bundesliga spielten und Erfolge feierten, keine Garantie für ein glückliches Leben: „Wir hatten schon Anrufe aus München von Menschen, die Meister geworden waren, die durch die Straßen liefen und sagten: Ich weiß nicht, wo mein Weg ist“, sagt Ulf Baranowsky, der VdV-Geschäftsführer.

Für Diekmeier war und ist Fußball zwar die „klare Nummer eins“. Als er vergangene Serie monatelang wegen eines Fußbruchs ausfiel, blendete er alles andere aus, um schnell wieder auf dem Rasen zu stehen. Und wie er mit Macht mithelfen will, den HSV wieder nach oben zu bekommen, zeigt sich jetzt gerade. Gäbe es vorläufige Gewinner zu küren, er wäre ganz oben. Und doch will Diekmeier, der einen erweiterten Realschulabschluss hat, auch an die Zukunft denken. Die Planungen für den Beruf nach dem Fußball sind noch nicht abgeschlossen, es zeichnet sich aber ab, dass er mit seiner Frau ein Unternehmen gründet. Dass er sich gerne im Sport tummeln möchte, ist kein Geheimnis.

In verschiedenen Modulen hatte Bichler und seine Agentur Extraplan Diekmeiers Stärken, Fähigkeiten und Handlungsmotive herausgearbeitet und ein nachhaltiges Konzept für die Umsetzung erstellt: „Alles muss vernünftig durchdacht und an die individuelle Lebensphase der Sportler ausgerichtet sein.“ Dass Fußballer nach ihrer Laufbahn auf einem anderen Gebiet nie mehr ein ähnlich hohes Niveau erreichen können, ist für ihn ein Irrglaube: „Jeder kann mit einer individuellen Karriereplanung seinen Traumjob nach dem Traumjob finden.“

VdV-Geschäftsführer Baranowsky glaubt eine Tendenz zu erkennen, dass sich Fußballer verstärkt einem „Plan B“ widmen, und das sei auch bei Gutverdienern enorm wichtig, weil so das Gefühl für das „normale Gehalt und einen normalen Lebensstil“ nicht verloren ginge. Schließlich könne auch ein gutes Polster nach der Karriere schnell schmelzen. Dass Diekmeier in kürzester Zeit sein Geld ähnlich wie George Best verprasst haben wird, ist jedoch unwahrscheinlich, so realistisch, wie er an die Dinge herangeht. Wie denn die Zielsetzung mit dem HSV laute? „Eine bessere Saison zu spielen als die letzte.“