Beim Kampf um seine Zukunft beim HSV muss der Trainer ausgerechnet auf Investor Klaus-Michael Kühne setzen

Foshan. Am letzten Tag der HSV-Trainingsreise nach China gab es eine unerwartete Belohnung für die Mannschaft. Als die Spieler zum Aquajogging im 25-Meter-Pool des Hotels antraten, erwartete sie eine überraschende Einheit: Wer es schaffte, das Becken zu durchtauchen, durfte sofort wieder aufs Zimmer – was aber nicht allen Profis gelang, weil das Wasser zum Teil wenig Tiefe hatte. Riesenstimmung in der Halle. Und natürlich ging niemand der Glücklichen aufs Zimmer, alle feuerten die Mitspieler bei der halbstündigen Übungseinheit genussvoll an. Nach dem Mittagessen durfte, wer wollte, in das bunte Treiben der Innenstadt von Foshan eintauchen und auf den Märkten lebendige Schlangen, Skorpione oder Schildkröten bestaunen.

Für Mirko Slomka gehören Tage wie diese zwingend dazu zum Gelingen einer Saisonvorbereitung. Abwechslung einstreuen, die Spieler entspannen lassen – und ganz nebenbei fördern Einheiten wie die im Pool auch den Teamgeist. Dass für den Trainer das Fördern des Gemeinschaftsgefühls mindestens genauso wichtig ist wie die Fitness, zeigt sich an vielen Kleinigkeiten. Als der HSV nach China flog, blieb die Mannschaft im Charter unter sich. „Es ist wichtig, dass alles im Umfeld geregelt ist und wir den Fokus auf den Fußball legen“, sagt Slomka.

In Hamburg wird es an Spieltagen klare Ansagen geben, wer in die Kabine darf und wer nicht. Seit dem 17. Februar trainiert der 46-Jährige den HSV. Aber erst in diesen Wochen werden die Konturen seiner Arbeit wirklich sichtbar, wie zum Beispiel in China. So war er gar nicht amüsiert, als sich der Besuch einer Schule von 14 auf 15.30 Uhr verschob und so die Regenerationszeit der Spieler beeinträchtigt war. Sie soll eben nichts dabei stören, an ihre Grenzen gehen zu können – und darüber hinaus.

„Jeder Bundesligaspieler ist auf einem sehr guten Level“, glaubt Slomka, „aber in der Spitze machen zwei Dinge den Unterschied: der Wille und das Selbstvertrauen. Man kann sehr viel über den Willen machen, diesen auch schulen und kitzeln. Und dieses Selbstvertrauen entwickelt sich auch durch ein gutes Körpergefühl. Deshalb ist eine gute Fitness auch so elementar.“

Beim Thema Fitness verschärft Slomka sein Redetempo, hier wird seine Liebe zum Detail deutlich. Sportchef Oliver Kreuzer bezeichnet ihn als „modernen Trainer“, der für alles einen Plan habe. Da können alle noch so kleinen Informationen hilfreich sein bei der Entscheidungsfindung. Jede Konditionseinheit lässt sich Slomka von Athletikcoach Niko Vidovic erklären. Zwar umgibt er sich gerne mit Experten und lässt seine rechte Hand Nestor el Maestro die Videoanalysen ausarbeiten. Aber ohne dass er das Produkt gesehen hat, geht nichts raus. Slomka ist einer, der gerne die Übersicht und die Kontrolle über alles um sich herum hat. Wäre er ein aktiver Fußballer, dann mit Sicherheit ein Sechser. Während eines Trainingsspiels steht er stets in der Mitte.

Was schaffe ich eigentlich? Wenn nicht alles täuscht, werden die HSV-Profis diese Frage zu Saisonbeginn leicht beantworten können. Zwar sagt Slomka rückblickend, dass sein Team auf verschiedene Art und Weise bereits Grenzerfahrungen gemacht habe (wie den Klimawechsel in China), aber zugleich kündigt er an: „Die zweite Periode nach der Pause wird physisch und psychisch noch krasser, weil wir die Intensität deutlich anheben werden.“

Vor allem an der Explosivität und an der Dynamik will Slomka arbeiten, damit der HSV im Eiltempo wieder in die Erfolgsspur zurückkommt. Für ihn persönlich ist es im übertragenen Sinn genauso ein Sprint. Er weiß nur zu genau, dass er unter Beobachtung steht, schließlich bot die katastrophale Rückrunde keinen Anlass, ihm eine Anstellung auf Lebenszeit in Aussicht zu stellen. Was HSV-Gönner Klaus-Michael Kühne von Slomka hält, machte er mehr als deutlich. Ein „wirklicher Top-Trainer“ müsse her, sagte Kühne dem Abendblatt. Kühnes Vertrauter Karl Gernandt führt nun den AG-Aufsichtsrat. Erstaunlich offen reagiert der HSV-Coach, als die Rede auf dieses sensible Thema kommt. Er bestätigt die Einschätzung, dass er dazu verdammt sei, schnell zu liefern: „Ja, schon, dazu haben diese Aussagen wesentlich beigetragen.“ Aber er stellt sich der Herausforderung: „Wenn man so will, hat mich Herr Kühne richtig angeschoben.“ Pause. „Okay, das nehme ich an.“

Kommende Woche soll es Bewegung bei den Transfers geben

Nur zu gerne würde Slomka Kühne einmal persönlich kennenlernen, aber zugleich betont er, dass er nicht sein erster Ansprechpartner sei: „Für mich ist wichtig, was der Verein sagt, wie es hier weitergeht. Ob der Verein mit Herrn Kühne im Hintergrund verhandelt, ist nicht mein Thema. Ich sage nur, was wir für die Mannschaft brauchen.“ Dass ausgerechnet der Mann, der von Slomka nicht sehr viel hält, nun die Mittel zur Verstärkung der Mannschaft bereitstellen soll, was bei gutem sportlichen Verlauf die Position des Trainers stärken würde, ist schon kurios.

Überzeugen von seiner Arbeit muss Slomka aber genauso Dietmar Beiersdorfer. Als „sehr zielstrebig, angenehm und klar“ bezeichnet Slomka seinen neuen Chef. „Er ist genau der Richtige, weil er auch sagt: Wir sind ein Fußballverein.“ Kommende Woche, wenn Beiersdorfer und Slomka die gemeinsame Arbeit aufnehmen und sich richtig kennen lernen, soll die Umgestaltung der Mannschaft vorankommen. Die Kandidatenliste ist längst erstellt, und der Trainer hofft, dass es in den nächsten Tagen Vollzugsmeldungen geben wird. Das betrifft auch mögliche Abgänge. „Die Mannschaft braucht das eine oder andere neue Gesicht, die Fans brauchen das auch.“ Nur die markante Nase des Trainers, die soll noch länger zu sehen sein. Damit dies gelingt, wird er nichts dem Zufall überlassen. Gar nichts.