Wie der Hamburger SV auf seiner Tour in China für sich und die Bundesliga wirbt – Spieler leiden unter den extremen klimatischen Bedingungen

Foshan. Die Organisatoren bewiesen ein feines Näschen bei der Wahl der Einlaufmusik. Als Tolgay Arslan, Dennis Diekmeier, Kerem Demirbay und Torwart Johannes Kreidl zusammen mit den Co-Trainern Nestor el Maestro und Zlatan Bajramovic den Platz der deutsch-chinesischen Grundschule in Foshan betraten, dröhnte „I will survive“ aus den Lautsprechern.

Anders als im Überlebenskampf in der abgelaufenen Bundesligasaison hatte die kleine HSV-Delegation mit den 300 zumeist fünf- bis siebenjährigen Kindern allerdings leichtes Spiel. Ausgerüstet mit HSV-Fähnchen standen alle geordnet auf dem Rasen und wedelten brav genau so, wie es eine „Animateurin“ auf dem Podest vorgab. Mit der artigen Disziplin war es erst vorbei, als die Spieler mit Dino-Hermann-Plüschtieren vortraten und die Kinder schreiend nach vorne drängten. Später beim Torschusstraining war die Rudelbildung wieder aufgelöst.

Das Interesse der örtlichen Medien war übersichtlich, doch ein lohnenswerter Termin war der einstündige Ausflug allemal. Die Mitarbeiter von HSV-TV konnten wunderbares Material sammeln, das sie später auch der Deutschen Fußball-Liga für eine Reportage zur Verfügung stellen wollen.

100 Erwachsenen- und 40 Kindertrikots, 100 Plüschtiere, 100 HSV-Sonnenbrillen, 50 Schreibblöcke, 100 Stifte, 50 Schals und 4000 HSV-Fähnchen hatte Tido Appelhoff, der sich in China ums Marketing kümmert, bei der Abreise im Gepäck dabei, um nicht nur bei einer Aktion wie in der Schule gerüstet zu sein, sondern auch, um HSV-Fans zu bedienen. Regelmäßig kommen Autogrammjäger zum erst vor vier Monaten eröffneten Hilton-Hotel in der Sieben-Millionen-Metropole, wo der HSV logiert. Weil einige Neugierige bis in die 22. und 23. Etage vorstießen, wo die Spieler unter sich sein sollen, sorgt nun ein Aufseher für Ruhe.

Gefragtester Interviewpartner vor Ort ist – wer sonst – Rafael van der Vaart, der am Tag nach der Ankunft von „Titan Sport“, einer Art chinesischem „Kicker“, zum Gespräch gebeten wurde. Ansonsten sind die Medienaktivitäten gering. Dass der HSV aber derzeit keine Topadresse ist, machte sich auch in der Berichterstattung nach dem 2:6 gegen Guangzhou Evergrande bemerkbar.

Die Tageszeitung „Guangzhou Daily“ berichtete in ihrer Montagausgabe zwar ausführlich vom Spiel, auch wenn es erstens nicht zu einem Aufmacher reichte und zweitens die Leistungen und Transfergerüchte des eigenen Teams im Vordergrund standen, wie die freundliche Übersetzerin der chinesischen Schriftzeichen im Hotel berichtete. Das Foto zeigte nur jubelnde Evergrande-Spieler. Zwei, drei Absätze zur (O-Ton) „Blamage“ genügten. Dass ein gewisser „Dick Meyer“ auf rechts verteidigt haben soll, sei an dieser Stelle großzügig verziehen. Dass aber durchaus Potenzial vorhanden ist, zeigte sich bei den Aktivitäten des HSV in sozialen Netzwerken. Beim chinesischen Twitter-Pendant „Weibo“ stieg die Zahl der Interessierten in kurzer Zeit auf 31.000.

Auch wenn sich der Zuschauerzuspruch stark in Grenzen hielt – am Mittwoch gegen Guangzhou R&F werden wieder kaum mehr als 7000 Menschen kommen – so dürfte sich das Geschäft für Match IQ gelohnt haben. Die Hamburger Agentur, mitbegründet vom ehemaligen HSV-Mitarbeiter Nicholas Mac Gowan, hat die beiden Spiele an den chinesischen Pay-TV-Sender „i-Cable“ verkauft und so auch Erlöse für Bandenwerbung generieren können. Match IQ hatte bereits den Indonesien-Trip im Winter organisiert, anders als damals bleibt dem HSV diesmal ein Gewinn (knapp 500.000 Euro), weil auch die DFL die Werbereise sponsert.

Die Berührungspunkte der Spieler mit China beziehen sich erster Linie auf das Wetter. Bei 35 Grad, die sich wegen der hohen Luftfeuchtigkeit wie 44 Grad anfühlten, zog es Mirko Slomka vor, die Vormittagseinheit ins Hotel zu verlegen. Konditionstrainer Nikola Vidovic musste dabei vor dem Aquajogging im Swimmingpool harte Überzeugungsarbeit leisten, um die Badekappenpflicht außer Kraft zu setzen. Pierre-Michel Lasogga hingegen durfte als Kraftübung die 30 Stockwerke des Hotels zu Fuß bewältigen – im nicht klimatisierten Treppenhaus.

Sechs bis sieben Liter Flüssigkeit am Tag müssen die Spieler zu sich nehmen, zwingend sind Suppen und Elektrolytgetränke, um verlorene Mineralien und Salze schnell wieder zuzuführen. Wie grenzwertig die Bedingungen sind, zeigte sich, als ein HSV-Profi nach seinem 45-Minuten-Einsatz im Spiel gegen Evergrande mit einer Infusion wieder fit gemacht werden musste.

Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung gäbe es zur Genüge, zum Beispiel einen Ausflug zum Bruce-Lee-Museum (der berühmte Kung-Fu-Kämpfer stammt aus Foshan). Doch anfangs angedachte Trips wurden verworfen: zu lange Anfahrt, zu schwül. So beschränkte sich das außerfußballerische China-Programm auf ein asiatisches Dinner. Ansonsten sorgt HSV-Köchin Johanna Vogt dafür, dass die gewohnte Kost auf den Tellern landet.

Während aus dem Spielerkreis auch zu hören ist, dass man froh sei, wenn man wieder im Charterflugzeug sitzen dürfe, nehmen andere Profis wie Tolgay Arslan die (wenigen) Eindrücke gerne mit: „Da muss man durch, es ist doch gut und macht Spaß, etwas von der Welt zu sehen, auch wenn man ein bisschen aufpassen muss mit der Luft.“ Besonders Dennis Diekmeier, der unter Astma leidet, hat Probleme mit der Sauerstoffaufnahme.

Einen gewissen Wert für eine erfolgreiche Saison kann der China-Trip dennoch haben, schließlich können etwas beschwerlichere Fernreisen wie diese durchaus den Zusammenhalt fördern und als Willensschule dienen, die „eigenen Grenzen zu überwinden“, wie Trainer Mirko Slomka glaubt. In Erinnerung bleiben dürfte der HSV-Trip auch den Präsidenten der chinesischen Gegner, die beide je ein speziell gefertigtes Buddelschiff als Gastgeschenk erhalten: mit HSV-, China- und Vereinsfahnen.