Der Sportdirektor des HSV rechnet mit dem Vater seines einstigen Zöglings ab. Er kritisiert auch die Ärztin, die ihn krankschrieb – 2:6-Pleite gegen Guangzhou Evergrande

Guangzhou. Unklar ist, ob die HSV-Spieler schon mal darüber nachgedacht haben, wie es wohl ist, in einer Großraumsauna Fußball zu spielen. Gesichert ist, dass sie es seit Sonntag wissen. Bei knapp 30 Grad und 81 Prozent Luftfeuchtigkeit floss beim Freundschaftsspiel gegen Guangzhou Evergrande der Schweiß in Strömen. Das 2:6 (1:2) relativierte sich angesichts des extremen subtropischen Klimas deshalb gegen den amtierenden Gewinner der asiatischen Champions League vor nur 7000 Zuschauern im Tianhe-Stadion etwas. Selbst verschuldet war die hohe Pleite dennoch: „Die ersten vier Tore haben wir auf dem Silbertablett serviert“, sagte Oliver Kreuzer.

Seine gute Laune hatte der Sportchef des HSV trotzdem nicht verloren. Er könne nicht nach Europa zurückkehren, weil er von Guangzhou angeworben worden sei, sagte er und präsentierte ein Trikot von Evergrande mit seinem Namen. Ernst wurde er jedoch bei Hakan Calhanoglu. Nachdem der Deutschtürke von seiner Ärztin in Heidelberg sofort gesundgeschrieben wurde und am Montag das Training bei Bayer Leverkusen aufnehmen wird, war der Sportchef sichtlich um Fassung bemüht und betonte auch, nicht nachkarten zu wollen. Einige Dinge musste er dennoch loswerden.

„Wie schnell doch so ein Genesungsprozess voranschreiten kann nach einem Wechsel nach Leverkusen“, sagte Kreuzer süffisant, fügte dann aber hinzu: „Wir brauchen nicht lange um den heißen Brei herumzureden: Das sagt doch alles. Wir waren wirklich davon ausgegangen, dass er etwas hat. Das hat einen faden Beigeschmack.“

Noch am Mittwoch hatte Kreuzer mit Calhanoglu telefoniert. In dem Gespräch hatte der Deutschtürke seinen Wechselwunsch wiederholt und inständig gebeten, dem Wunsch zu entsprechen. „Ich bin ihm nicht böse, werde ihm auch freundschaftlich begegnen, wenn wir gegen Bayer spielen“, so der Sportchef. Er sei 20 Jahre jung, sehe andere Spieler in seinem Alter und wisse, dass man auf diesem Niveau einiges verdienen kann. „Völlig normal, dass das Wünsche weckt.“ Aber: „Das Ganze ist beschissen gelaufen, indem er den Weg in die Öffentlichkeit gesucht hat und den Verein unter Druck gesetzt hat.“

Kreuzers Vermutung: „Der Junge war nicht der Auslöser, auch nicht der Berater, das ist Papa-Mentalität. Ich habe einige Dinge gehört, die kamen nicht von dem Jungen, nicht vom Berater, die sind vom Papa.“ Schon länger gibt es Gerüchte, nicht jedes Wort in den Medien stamme vom Junior, sondern vom Vater. Und auch Leverkusens Verhalten gefiel ihm nicht: „Am Anfang war es in Ordnung. Der einzige Fehler von Bayer war, dass sie nachgelegt haben, als wir öffentlich gesagt haben, dass Hakan bei uns bleibt. Aber da bleibt nichts hängen, dafür haben wir ein viel zu gutes Verhältnis.“

Der Meinung einiger Anhänger, man hätte hart bleiben sollen, entgegnet er: „Ich war lange der Auffassung, es knallhart durchzuziehen. Aber was bringt das am Ende für den Verein? Da wäre womöglich Kapitalvernichtung gewesen. Vielleicht lässt er sich noch länger krankschreiben oder macht Dienst nach Vorschrift. Und am Ende verkaufen wir ihn vielleicht für vier Millionen Euro. So haben wir hier Ruhe.“

Und wie war das mit seinem Versprechen, dass Calhanoglu gehen könne? Kreuzer: „Blödsinn. Am Tag vor dem Fürth-Spiel habe ich gesagt: Wir reden nicht über Bayer, wir sollten uns nur auf die Relegationsspiele konzentrieren, am Montag setzen wir uns zusammen und reden.“ Dass das Image des Abtrünnigen gelitten hat, steht für ihn fest: „Auf jeden Fall hat er kein gutes Vorbild abgegeben, was Wechselabsichten betrifft.“ Was also bleibt? „Wir haben Schmerzensgeld bekommen für die vergangenen fünf, sechs Wochen, für uns passt das. Hakan hat seinen Transfer, Papa ist zufrieden.“

HSV: Brunst – Diekmeier (64. Steinmann), Westermann (46. Skjelbred), Tah (46. Mancienne), Jansen (46. Jiracek) – Arslan (64. Jung), Kacar, van der Vaart (46. Demirbay) – Zoua (46. Stieber), Rudnevs (76. Cigerci), Ilicevic (76. Derflinger). Tore: 0:1 Dos Santos (10.), 0:2 Santos (15.), 1:2 van der Vaart (25., Handelfmeter), 1:3 de Oliveira (47.), 2:3 Rudnevs (52.), 2:4 Diamanti (53.)., 2:5, 2:6 Lin (80., 90.).