Der ehemalige Nationaltorwart ist als neuer HSV-Sportchef im Gespräch. Nach Abendblatt-Informationen trafen sich Kühne und Lehmann auf Mallorca. Dietmar Beiersdorfer will mit Trainer Mirko Slomka reden.

Hamburg. Der Name Jens Lehmann waberte gerüchteweise bereits vor mehr als einem Monat durch Hamburg. Der ehemalige Nationaltorwart galt als möglicher Kandidat auf das Amt des Sportchefs unter einem neuen Vorstandschef Dietmar Beiersdorfer. Doch damals war der Klassenerhalt des HSV in der Bundesliga noch nicht geschafft, und vor allem stand die entscheidende Mitgliederversammlung mit dem Ausgliederungsbeschluss noch bevor. Jetzt, da der Dino weiterlebt, die Profiabteilung ausgegliedert ist und seit Mittwoch auch offiziell klar ist, dass Beiersdorfer kommt, nehmen die Umbauarbeiten offenbar an Geschwindigkeit zu.

Dass jede Position auf den Prüfstand kommt, hatten die neuen Macher bereits mitgeteilt. Dazu passt, dass sich nach Abendblatt-Informationen Klaus-Michael Kühne schon in der vergangenen Woche auf Mallorca mit Jens Lehmann getroffen hat. Der HSV-Gönner und -Investor kennt und schätzt den ehemaligen Profi, das ist bekannt. Doch solch ein Treffen nährt Spekulationen, der 44-Jährige sei ein potenzieller Nachfolger von Sportchef Oliver Kreuzer, den Kühne einst als „Drittliga-Manager“ bezeichnete.

Kreuzer hat zwar mehrmals erklärt, seinen bis 30. Juni 2016 laufenden Vertrag auch ohne Vorstandsmandat unter Beiersdorfer erfüllen zu wollen und sich um Kaderplanung und Nachwuchszentrum zu kümmern. Doch neben geglückten Transaktionen wie den Vertragsverlängerungen von Hakan Calhanoglu und Jonathan Tah wurden ihm die Transfers von Trainer Bert van Marwijk und dessen Wunschspielern Ola John und Ouasim Bouy negativ angelastet. „Die Zukunft Kreuzers müssen wir mit Dietmar Beiersdorfer abklären, dazu gibt es von uns nichts zu sagen“, erklärte Kühnes Vertrauter, der künftige Aufsichtsratschef Karl Gernandt, nach der Verpflichtung Beiersdorfers.

Ob der redegewandte Lehmann als subalterner Assistent von Beiersdorfer der richtige Mann wäre? Eher zweifelhaft. Lehmann müsste als Sportchef weitreichende eigene Kompetenzen haben. Derzeit arbeitet er als Experte für den Pay-TV-Sender Sky und „Sport-Bild“ und verfügt über ein weitreichendes Netzwerk im Profigeschäft.

Vor drei Wochen hatte Lehmann am Rande einer Talkrunde beim Finanzdienstleister Aramea im Gespräch mit dem Abendblatt bereits die neue HSV-Struktur gelobt: „Von außen betrachtet ist es der einzige Weg.“ Mit den Satzungsänderungen seien „Weichen gestellt“. Gleichzeitig deutete er seine Bereitschaft an, in den Profifußball zurückzukehren: „Ich habe immer gesagt: Wenn jemand auf mich zukommt mit einer interessanten Möglichkeit, muss ich mir Gedanken machen.“

Dieser Moment könnte nun womöglich gekommen sein. Kreuzer steht zwar noch zwei Jahre unter Vertrag. Dass mögliche Abfindungen in den Planungen der neuen HSV-Verantwortlichen durchaus einkalkuliert sind, hat Gernandt bereits ausgeführt: „Wir müssen alle Verpflichtungen beiseiteschieben, dann geht die Arbeit los.“

Das Motto ist eben: konsequenter Neustart, alles auf den Prüfstand. „Didi Beiersdorfer ist nicht zurückgekommen, um da weiterzumachen, wo andere aufgehört haben“, sagte Gernandt dem „Kicker“. Deshalb wird Beiersdorfer auch bald das persönliche Gespräch mit Trainer Mirko Slomka führen. „Wir werden uns anhören, was dabei herauskommt“, erklärte Gernandt: „Klar ist: Wenn es keine gemeinsamen Ziele gibt, müssen wir den Mut haben, Entscheidungen zu treffen.“

Formal werden Beiersdorfer und der neue Aufsichtsrat ja erst nach Eintrag ins Handelsregister vom 1. Juli an im Amt sein, doch hinter den Kulissen mischen sie schon kräftig mit. Mit dem alten Vorstand um Chef Carl Jarchow und Kreuzer gibt es in Bezug auf die sportliche Ausrichtung des Kaders klare Absprachen. So tragen auch die neuen Bosse die harte Haltung des Vereins gegenüber den Wechselabsichten von Hakan Calhanoglu mit: ein klares Nein.

Der Deutschtürke, der noch bis 2018 beim HSV unter Vertrag steht, hatte in dieser Woche noch einmal über die Medien seinen Wunsch nach einem Transfer zu Bayer Leverkusen deutlich gemacht, während er für Kreuzer nicht zu sprechen war. Mittlerweile wird auch die Dringlichkeit seines Wunsches nach Veränderung verständlich. Wie das Abendblatt erfuhr, bietet Bayer dem 20-Jährigen ein Jahresgehalt von 3,5 Millionen Euro.

Dennoch ist der Freistoßspezialist weiterhin als ein Herzstück des „neuen HSV“ vorgesehen. Auch die Hoffnungen, Leihstürmer Pierre-Michel Lasogga doch noch dauerhaft von Hertha BSC loseisen zu können, sind wieder gewachsen. „Ich sehe nach wie vor eine gute Chance, dass Lasogga bleibt“, sagte Karl Gernandt. Er hat als der Intimus von Kühne natürlich ein exaktes Wissen über die künftigen finanziellen Möglichkeiten der Profiabteilung. 20 bis 25 Millionen Euro hat Kühne als Einlage/Finanzspritze signalisiert, ein Teil davon ist dafür vorgesehen, den Mittelstürmer in Hamburg zu halten. „Wir haben ihm signalisiert, dass wir ihn unbedingt halten möchten“, erklärte Gernandt auch. Dass diese Signale finanzieller Natur sind, versteht sich.

Am Gehalt also sollte eine Verpflichtung des 22-Jährigen nicht scheitern. Es wäre die passende Einstandsgabe für Beiersdorfer, der sich trotz Kühnes Gespräch mit Lehmann intensiv mit dem amtierenden Sportchef Kreuzer austauscht. „Er hat eng mit Kreuzer zusammengearbeitet, etwa in unserem Bestreben, Lasogga zu halten“, erklärte Gernandt. Tatsächlich hatte Kreuzer stets Berichte dementiert, wonach sich Lasogga gegen den HSV entschieden habe: „Wir glauben, dass wir Pierre halten können.“ Immerhin hat dieser es bislang abgelehnt, seinen 2015 endenden Vertrag mit Berlin zu verlängern.