Verhandlungen mit St. Petersburg erfolgreich. Aber auf den neuen Vorstandschef warten viele Aufgaben.

Hamburg. Es war ein zähes Ringen – aber am Ende doch erfolgreich. Nach Abendblatt-Informationen kann der HSV am heutigen Mittwoch seine wichtigste Personalie bekannt geben. Dietmar Beiersdorfer, 50, kehrt als Vorstandschef zum HSV zurück. Am Dienstag konnte sich der ehemalige HSV-Profi mit seinem Noch-Arbeitgeber St. Petersburg über die Freigabe aus seinem bis 2015 laufenden Vertrag einigen – wohl gegen Zahlung einer entsprechenden Ablöse. Beiersdorfer soll einen Dreijahresvertrag beim HSV erhalten.

Damit kann der neue Aufsichtsratschef Karl Gernandt sein zentrales Wahlversprechen einlösen. Gernandt, als Verwaltungspräsident von Kühne + Nagel einer der wichtigsten Vertrauten des HSV-Gönners Klaus-Michael Kühne, hatte auch damit geworben, dass er alles daransetzen werde, dass Beiersdorfer wieder beim HSV anheuert. Schließlich hatte Beiersdorfer als Sportchef in der Ära des früheren Vorstandschef Bernd Hoffmann mit kluger Transferpolitik entscheidenden Anteil, dass der HSV sich zum Dauergast im europäischen Fußball entwickelte. Viele Fans verbinden den Niedergang des HSV in den letzten Jahren vor allem mit seiner Demission. Beiersdorfer hatte sich 2009 mit Hoffmann verkracht und schließlich einen Auflösungsvertrag unterschrieben.

Zur Wahrheit gehört allerdings auch, dass sich der Bundesliga-Dino jetzt in einer deutlich schlechteren Position befindet als in seiner ersten Amtsperiode (2002 bis 2009). „Damals konnten wir Didi fast jeden Wunsch auf dem Transfermarkt erfüllen“, sagt der frühere Aufsichtsratschef Udo Bandow. Jetzt ist der HSV nach einer Serie von Transferflops hochverschuldet, konnte in der vergangenen Saison erst in der Relegation gegen Greuther Fürth mit viel Glück den Abstieg abwenden.

Entsprechend komplex ist die Aufgabe für Beiersdorfer nun, der künftig in einem Duo mit Joachim Hilke, derzeit Vorstand für Marketing und Kommunikation, den Club führen wird. Trainer Mirko Slomka kehrte bereits gestern aus dem Urlaub zurück, um mit Sportchef Oliver Kreuzer über die dringend notwendigen Umbauten im Kadern zu sprechen. Und in der Tat gibt es in allen Mannschaftsteilen viel zu tun.

Tor:Oberflächlich betrachtet hat der HSV zwei der potenziell besten Torhüter der Bundesliga in seinen Reihen. Auch wenn René Adler eine schlechte Saison gespielt hat, ist ihm zuzutrauen, in einer gefestigteren Mannschaft zu alter Stärke zurückzufinden. Doch seine Bandscheibenprobleme lassen momentan gar keine Belastung zu. Wann er wieder in das Training einsteigen kann, ist völlig offen. Da auch Jaroslav Drobny, mittlerweile 34, in seiner Karriere immer wieder mit Knieproblemen zu kämpfen hatte, muss über eine weitere bundesligaerprobte Alternative nachgedacht werden. „Wenn sich andeutet, dass Adler länger ausfällt, müssen wir etwas tun“, sagte Sportchef Oliver Kreuzer der „Bild“-Zeitung..

Abwehr:Quantitativ ist der HSV in der Verteidigung gut besetzt, in der löchrigsten Abwehr der vergangenen Bundesligasaison (75 Gegentore) muss sich dennoch etwas ändern. „Die Spieleröffnung war eine Katastrophe, kein Innenverteidiger hat sich über die Mittellinie getraut“, sagt HSV-Ikone Manfred Kaltz, der seinen Verein natürlich auch heute noch intensiv verfolgt. Zudem war der Bundesliga-Dino immens anfällig bei hohen Bällen wie Ecken und Standards. Die Außenverteidiger Marcell Jansen und Dennis Diekmeier sind vor allem nach dem Abgang von Zhi Gin Lam nach Fürth nahezu konkurrenzlos – das soll sich mit der geplanten Verpflichtung des Augsburgers Matthias Ostrzolek nun zumindest auf der linken Seite ändern.

Mittelfeld: Technisch beschlagene Spieler hat der HSV im Mittelfeld reichlich, dennoch waren diese kaum in der Lage, aus dem Spiel heraus Torchancen zu kreieren. „Uns fehlen in diesem Mannschaftsteil Torgefahr und Kopfballstärke“, hatte Kreuzer erkannt. Doch nicht nur das. Das HSV-Mittelfeld ist in der Zentrale wohl das langsamste der Liga. Ein Indiz: Kein Team fing sich nach Ballverlusten mehr Kontertore ein als der HSV (zehn), selbst erzielte man nur ein einziges. Zudem ist außer Ivo Ilicevic kaum jemand in der Lage, eine 1:1-Situation zu lösen und dadurch Räume zu schaffen. Vielleicht kann Neuzugang Zoltan Stieber hier Impulse setzen, doch dass Tempo und Finten im Repertoire allein nicht ausreichen, hat der niederländische Winterzugang Ola John in der letzten Halbserie zur Genüge bewiesen.

Angriff:Die größte Baustelle beim HSV. „Da passt ja bisher vorne und hinten nichts zusammen“, hat Kaltz erkannt. Pierre-Michel Lasogga will sich mit seiner Entscheidung noch ein wenig Zeit lassen, chancenlos ist der HSV nicht - auch Dietmar Beiersdorfer hat sich in die Verhandlungen eingeschaltet. Vor allem Lasoggas Mutter und Beraterin Kerstin soll angetan sein, wie sehr sich der Club um ihren Jungen bemüht. Sie sagt, dass es in den kommenden Tagen keine Entscheidung über Pierres Zukunft geben wird. „Wir wissen selbst noch nicht, wie es weitergeht.“ Kreuzer geht davon aus, dass es „am Wochenende eine Entscheidung gibt“.

Bei seinem Stammverein Hertha BSC hat der 22-Jährige bei Weitem nicht den Stellenwert wie in Hamburg. Angesichts der Personalsituation im Sturm ist das Werben des HSV mehr als verständlich. Jacques Zoua gilt als kaum bundesligatauglich, Rückkehrer Artjoms Rudnevs saß zuletzt auch bei Hannover 96 trotz Stürmernot nur auf der Bank, Maximilian Beister kehrt nach seinem Kreuzbandriss erst jetzt wieder ins Team zurück. Sogar wenn Lasogga bleiben sollte, ist das nicht bundesligatauglich, da vor allem die Offensivspieler im Kader des HSV verletzungsanfällig sind. Slomkas generelle Forderung nach „robusten Spielern“ ist also gut nachzuvollziehen.