Kameruns Nationalspieler Choupo-Moting ist einer von vielen Profis, die erst nach ihrer Zeit in Hamburg durchstarteten

Hamburg. Vor allem in Hamburg dürften am Sonntagabend um kurz nach zehn viele Fernsehzuschauer des Länderspiels zwischen Deutschland und Kamerun mit dem Kopf geschüttelt haben. Was auch am späten Ausgleich der Afrikaner lag, vor allem aber an der Person, die das 2:2 erzielte. Der ehemalige HSV-Profi Eric Maxim Choupo-Moting ging mit hohem Tempo in den Strafraum und schloss mit einem satten Schuss erfolgreich ab. Eine Szene, die zu Hamburger Zeiten so von ihm kaum zu sehen war. Seine Entwicklung von einem talentierten Nachwuchsprofi zu einem gestandenen Bundesligaspieler nahm der heute 25-Jährige fernab der Heimat. Und Choupo-Moting ist bei weitem nicht der Einzige, dem sein Glück beim HSV verwehrt blieb.

Beim Länderspiel gegen Polen Mitte Mai gab André Hahn sein Debüt in der Deutschen Nationalelf. Zwei Jahre lang versuchte der schnelle Offensivakteur sein Glück in der U19 und U23 des HSV, schaffte den Sprung zu den Profis aber nicht – und wurde im Sommer 2010 weggeschickt. Erst danach kam seine Karriere ins Laufen: Über Oberneuland, Koblenz und Offenbach ging es nach Augsburg, wo ihm der Durchbruch gelang. In der kommenden Saison läuft Hahn mit Mönchengladbach in der Europa Leauge auf. „Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass ich nicht enttäuscht war, als der HSV mich nicht mehr wollte“, sagte er unlängst. Sogar ein frühzeitiges Karriereende schwebte dem heute 23-Jährigen vor.

Diese Liste lässt sich allein aus der jüngeren Vergangenheit beliebig verlängern. Der (beim HSV allerdings oft verletzte) Verteidiger Vincent Kompany entwickelte sich erst bei Manchester City zum Superstar, Sidney Sam kam beim HSV nicht über vier Kurzeinsätze hinaus, bevor er aus disziplinarischen Gründen nach Leverkusen transferiert wurde. Dort reifte der Flügelstürmer zum Nationalspieler, bekommt auf Schalke nun seinen Wunschvertrag. Per Cilian Skjelbred musste erst nach Berlin wechseln, um seine Bundesligatauglichkeit unter Beweis zu stellen. Jeffrey Bruma ist in Eindhoven unumstrittener Stammspieler und sogar Marcus Berg beendete seine Saison bei Panathinaikos Athen mit 15 Toren auf Platz zwei der Torjägerliste. Auch den Stammtorhütern Wolfgang Hesl (jetzt Fürth) und Raphael Wolf (jetzt Werder) wurde beim HSV keine Zukunft vorhergesagt.

Nach den Gründen für diese fatale Entwicklung wird in Hamburg seit Jahren geforscht – meist vergeblich. „Wir wollen unsere Spieler besser machen“, hat fast jeder Trainer der vergangenen Jahre als Credo beim Jobantritt ausgegeben. Bei der durchschnittlichen Amtszeit der Trainer beim HSV von unter einem Jahr ein schwieriges Unterfangen, das selten geklappt hat. Ex-Aufsichtsrat und HSV-Buch-Autor Axel Formeseyn beklagt diese Entwicklung schon länger. Seine Erklärung: „Beim HSV ist das Anspruchsdenken einfach viel zu hoch. Talentierte Spieler bekamen oft nicht die Zeit, auch mal ein paar schlechte Partien zu machen, sondern wurden zu schnell abgegeben, weil sich der schnelle Erfolg nicht einstellte.“

Choupo-Moting gehört in diese Kategorie. Nach zwei torlosen Jahren beim HSV wurde der Deutsch-Kameruner 2009 nach Nürnberg verliehen, wo ihm auf Anhieb fünf Treffer in 25 Spielen gelangen. Trotz dieses Tapetenwechsels blieb ihm auch nach der Rückkehr der Durchbruch zum Stammspieler in Hamburg verwehrt. Kaum wurde Choupo-Moting im Sommer 2011 nach Mainz transferiert, traf er wieder nach Belieben. „Seine Entwicklung war auch zu HSV-Zeiten abzusehen“, sagt Sturm-Ikone Horst Hrubesch. „Doch man kennt es ja schon vom HSV, dass Spieler erst woanders der große Sprung gelingt. Woran das liegt, will ich aus der Ferne nicht beurteilen, aber es ist frappierend“, sagt der einstige Kopfballspezialist weiter, der es bedauerlich findet, dass sich Choupo-Moting trotz Jugendländerspielen bei der DFB-Elf für die Nationalmannschaft Kameruns entschieden hat. „Ich hätte ihn gerne weiter in deutschen Farben gesehen.“

Der Torschütze vom Sonntag befindet sich mittlerweile in einer komfortablen Situation. Sein Vertrag in Mainz ist ausgelaufen, der Angreifer damit ablösefrei zu haben. Interessenten stehen nach einer guten Saison mit zehn Toren und drei Vorlagen Schlange. Der AS Rom und auch Schalke 04 sind nur zwei hervorragende Adressen, die um ihn buhlen. Doch Druck verspürt der in Ottensen aufgewachsene Fußballer nicht. Seit Montag steht mit Gewissheit die WM vor der Tür, Trainer Volker Finke berief Choupo-Moting in den endgültigen Kader. Auf fünf Millionen Euro wird sein Marktwert taxiert – drei Millionen mehr als in seinem letzten Sommer beim HSV im Jahr 2011. „Und sein Marktwert wird sich sicher nicht verringern“, ist Finke überzeugt.

Hamburg ist für Choupo-Moting zwar immer noch seine gefühlte Heimat, sportlich blickt er jedoch ohne Bedauern zurück. „Beim HSV ist in den vergangenen Jahren einiges schief gelaufen“, sagte der Dribbler schon vor Wochen in einem Interview. Die Identifikation mit dem Ex-Club ist vorbei, das letzte Saisonspiel mit Mainz gegen seine alten Kollegen sei „ein Spiel wie jedes andere“ gewesen. Hrubesch ist sich sicher, dass Choupo-Moting seinen Weg weitergehen wird – „leider wie so viele nicht beim HSV.“