Karl Gernandt, designierter Vorsitzender des Gremiums, bestätigt indirekt eine Einigung – Heute Sportforum mit Ex-Vorstandschef Bernd Hoffmann

Hamburg. Im Olympiasaal im Haus des Sports war die Initiative am 3. September 2013 erstmals mit ihren Plänen an die Öffentlichkeit gegangen. Am Dienstag, fünf Tage vor der Mitgliederversammlung im Stadion, präsentierte sich der designierte, sechsköpfige Aufsichtsrat von HSVPlus im selben Raum, um für die Dreiviertelmehrheit zu werben. Die wichtigste Botschaft: Der frühere Sportchef Dietmar Beiersdorfer, 50, soll neuer starker Mann im neuen Vorstand der AG werden.

„Beiersdorfer ist der einzige deutsche Fußballmanager, der internationale Anerkennung genießt“, lobte Karl Gernandt, der dem Aufsichtsrat vorstehen soll, und bestätigte erstmals Gespräche mit seinem Wunschkandidaten. „Auch in unserer Gruppe genießt er große Hochachtung. Ich hatte den Eindruck, dass wir uns gegenseitig ganz nett finden, und ich wäre nicht überrascht, würde aus so einer Freundschaft ein professionelles Umfeld werden.“

Dass sich Beiersdorfer selbst noch nicht offiziell geäußert hat, liegt an seinem bestehenden Vertrag bei St. Petersburg, der bis 2015 läuft. Angeblich soll der 50-Jährige aber bereits positive Gespräche mit seinem jetzigen Arbeitgeber geführt haben, um vorzeitig in Hamburg anfangen zu können. Es wäre Beiersdorfers Comeback nach siebenjähriger Amtszeit (2002 – 09), in der der HSV Stammgast in Europa war. Ganz klar: Mit Beiersdorfer an der Spitze steigen die Chancen erheblich, dass noch zweifelnde Mitglieder am Sonntag (von 11 Uhr an) HSVPlus ihre Stimme geben.

Nach dem Willen des sechsköpfigen Gremiums soll Beiersdorfer den Vorsitz führen, ein zweites Vorstandsmitglied wäre für die Vermarktung reserviert. Der Name fiel zwar nicht, aber es ist ein offenes Geheimnis, dass Joachim Hilke (Gernandt: „Er ist für Marketing verantwortlich und nicht für den Sport“) diesen Posten übernehmen soll, den er bereits jetzt im HSV e.V innehat.

Für Sportchef Oliver Kreuzer und Oliver Scheel (Mitgliederbelange) wäre in dem neuen Personaltableau auf dieser Hierarchieebene ebenso kein Platz mehr wie für den Vorsitzenden Carl Jarchow, der das Präsidentenamt beim e.V. bereits vor einiger Zeit abgelehnt hat. „Es werden einige nicht mehr dabei sein, die eine Routine darin haben, für den HSV zu sprechen“, kündigte Gernandt an und sagte wenig später, dass man wenig davon übernehmen wolle, was zu dem Niedergang geführt habe.

Wer neben Beiersdorfer der zweite starke Mann im neuen HSV werden soll, wurde am Dienstag überdeutlich: Karl Gernandt. Der 53-Jährige ist als Präsident des Verwaltungsrats der Kühne + Nagel International AG der Chef von 65.000 Mitarbeitern und skizzierte, rhetorisch sehr gewandt, wie sich der HSV künftig aufstellen soll: „Wir stehen nicht für Querelen, für Vereinsmeierei.“ Sein Kernmotto: „Nicht gut gewollt, sondern exzellent gemacht.“

Für den Neuanfang müsse es eine Tabula rasa geben, so Gernandt, der häufig in Bildern sprach. HSVPlus ähnele einem jungfräulichen Rasen, und man könne entscheiden, wo noch eine Tulpe oder Rose gepflanzt werden soll. Die Kunst des Gewinnens liege darin, ein einheitliches Konzept zu entwickeln, das in der Jugend beginne, und eine Kultur, neue Werte und eine Einheitlichkeit zu entwickeln, wie man auf Menschen zugehe. Über den sportlichen Niedergang urteilte er: „Das ist nicht dumm gelaufen, sondern dumm gebaut.“ Und weiter: „Professioneller Fußball hat wenig mit Zufälligkeiten oder Elf-Freunde-Mentalität zu tun, sondern mit professioneller Vorbereitung – und vor allem mit Disziplin.“

Man könne aber nicht sofort Erfolg erwarten. In drei Jahren solle der HSV wieder ein ernst zu nehmendes Team in der Bundesliga sein. Die 20 Millionen Euro, die HSV-Mäzen Klaus-Michael Kühne zur Verfügung stellen will, sollen vor allem zur Tilgung von Altlasten dienen. „Wir müssen alle Verpflichtungen beiseiteschieben, dann geht die Arbeit los“, glaubt Gernandt.

Sein Stellvertreter im Aufsichtsrat soll Thomas von Heesen werden, der wie Peter Nogly für sportliche Dinge verantwortlich zeichnen wird. „Dort, wo es grün wird, bin ich stark“, sagte von Heesen. „Wir müssen eine eigene sportliche Philosophie entwickeln, nach der sich der Trainer zu richten hat. Nicht umgekehrt.“ Weitere Mitglieder sind Unternehmer Dieter Becken (Finanzen, Controlling), Felix Goedhart (Vorstandschef Capital Stage, Satzung und Finanzen) und Klitschko-Manager Bernd Bönte, der sein Netzwerk für eine bessere Vermarktung nutzen will.

Regulärer Dienstantritt des Aufsichtsrats wäre der 1. Juli – wenn die bisherigen Amtsträger nicht während der Versammlung oder danach zurücktreten. Genau dies erwartet Gernandt: „Ein Verlierer verlässt das Schiff mit Anstand und Würde.“ Er hoffe, dass es am Sonntag spätestens gegen 15 Uhr zu einer Abstimmung kommt: „Ich wünsche mir, dass wir eine gute Versammlungsleitung haben, die erkennt, was wichtig ist. Eine Verzögerungstaktik durch zahlreiche Anträge wäre eine Riesenschweinerei.“ Pikant: Der derzeitige Aufsichtsratsvorsitzende Jens Meier will sein Recht der Versammlungsleitung wahrnehmen. In den vergangenen Jahren war dies die Aufgabe des Ehrenratsvorsitzenden (und Juristen) Andreas Peters. „Was muten wir den Leuten zu?“, fragte Gernandt. „Einen schlecht geführten Fußballclub, schlechten Fußball. Und dann stehlen wir den Leuten auch noch die Zeit!“

Wenn es nach ihm geht, wird es Veranstaltungen wie am Sonntag nicht mehr geben. Gernandt sprach sich stattdessen klar für die Einführung einer Fernwahl aus.

Schon an diesem Mittwoch wird erstmals der frühere HSV-Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann öffentlich zur Initiative HSVplus Stellung beziehen. Im Sportforum von NDR 90,3 und Hamburger Abendblatt diskutiert er mit Holger Hieronymus und Ex-Aufsichtsrat Axel Formeseyn, live zu hören bei NDR 90,3. Moderatoren sind Lars Pegelow und Marcus Scholz.