Zu Besuch beim Relegationsgegner des HSV, der von Präsident Helmut Hack wie ein Familienunternehmen geführt wird.

Fürth. Eine junge Frau stöbert durch das Regal des kleinen Teeladens am Laubenweg 27 im Norden der Stadt. Rotbuschtee, Matcha oder Flugtee? Die Frau kann sich nicht entscheiden, die Auswahl ist riesig. Drei ältere Männer betreten das Geschäft und gehen direkt zur Kasse. „Drei Karten für Fürth gegen HSV, bitte“, sagt einer von ihnen. „Ja, freilich“, antwortet die Kassiererin in fränkischem Dialekt, während ihre Kollegin die unentschlossene Kundin beim Teekauf berät.

Fußball und Tee, das gehört hier zusammen im Greuther Teeladen gegenüber der Trolli-Arena, der Heimspielstätte von Greuther Fürth. Dort findet am Sonntag Spiel zwei der Relegation zwischen Zweitligist Fürth und Bundesligist HSV statt. Die Tickets erhalten die Fürther Fans in Deutschlands einzigem Teeladen, der gleichzeitig als Fanshop und Kartenvorverkaufsstelle fungiert. Der Greuther Teeladen ist ein Tochterunternehmen der Martin Bauer Group, eines weltweit operierenden Teeanbieters aus dem fränkischen Dorf Vestenbergsgreuth.

Jahrelang geführt wurde die Firma von Greuther Fürths Vereinspräsidenten Helmut Hack, bis dieser sich nach 50 Jahren Betriebszugehörigkeit im November in den Ruhestand verabschiedete. Von Ruhe und Abschied kann allerdings keine Rede sein, denn Hack, 64, steht dem Unternehmen weiterhin beratend zur Seite. So auch am Montag, als er den gesamten Tag in verschiedenen Firmensitzungen verbringt und daher keine Zeit hat für ein Interview über seinen Verein, den er seit 1996 ehrenamtlich als Präsident führt.

„Alles, was wir hier sehen, haben wir Helmut Hack zu verdanken“, sagt Kurt Georg Strattner, 84, Mitglied des Stadtrats und Vorsitzender des Fürther Ehrenrats. Er steht unter einer Kastanie vor dem Stadion, das mitten in einem Wohngebiet liegt. Sieben ältere Männer und eine Frau stehen neben Strattner unter dem Baum, um sich vor dem Regen zu schützen. Sie stehen immer hier am Tag nach einem Spiel, um über ihren Verein zu diskutieren.

Aktuelles Thema ist ein möglicher Transfer von Marco Stiepermann aus Cottbus. Ist der gut genug für die Bundesliga? Muss der Verein nicht mehr investieren? Spart der Hack mal wieder zu viel? Diese Frage ist der Moment, in dem sich Kurt Georg Strattner aufregt. Sein brauner Schlapphut rutscht dann immer etwas hoch. Strattner versteht die Menschen nicht, die Fürths Einkaufspolitik kritisieren. „Wir haben keinen Kühne, wir haben kein Audi. Wir sind Fürth. Wir müssen sparen“, sagt Malermeister Strattner, seit 65 Jahren Vereinsmitglied. Er kenne Hack in- und auswendig. Den Mann aus dem 50 Kilometer entfernten Vestenbergsgreuth, der die Fusion mit der Spielvereinigung Fürth 1996 vorantrieb. Den Mann, der seinen Verein führt wie einen Familienbetrieb. Den Mann, der in Fürth wegen seiner Art des Wirtschaftens aber nicht nur Freunde hat. „Die Leute sagen immer, Hack verkauft alle guten Spieler. Er verbietet uns den Aufstieg. Die verstehen nicht, dass wir ein Ausbildungsverein sind.“ Ein Mann aus der Gruppe kommt herüber, zückt sein Smartphone und zeigt eine Nachricht. „Der Stiepermann ist fix“, sagt er. „Das wusste ich schon“, entgegnet Strattner. „In Fürth wird nicht alles gleich rausposaunt.“

Die Geschäftsstelle, in der die Verantwortlichen den Stiepermann-Transfer vorbereiteten, liegt nur wenige Meter vom Treffpunkt Kastanie entfernt. In dem grauen, quaderförmigen Gebäude, das an einen Schulcontainer erinnert, arbeitet Geschäftsführer und Vizepräsident Holger Schwiewagner. Er trägt Jeans, einen lässigen Pullover und eine moderne, schwarze Hornbrille. Mit 36 Jahren ist Schwiewagner einer der jüngsten Geschäftsführer der Liga, dabei übt der gebürtige Fürther das Amt schon seit acht Jahren aus. Helmut Hack hatte ihn von einem Sponsor, der Brauerei Tucher, abgeworben. Schwiewagner besitzt ein kleines Büro. Ein Büro, das sein Chef Hack hier nie besessen hat. Er wollte schlicht nie eines. Und das, obwohl Hack den Verein seit fast 20 Jahren führt.

„Er ist kein Machtmensch“, sagt Schwiewagner. „Er hat den Verein aufgebaut und so geprägt, dass wir heute ein kleines Fußballunternehmen sind. In seinem Schatten können wir wachsen.“ Schwiewagner habe viel von Hack gelernt. Das gilt vor allem für die Philosophie, die der Präsident seit Jahren vorlebt. Der Verein investiert lieber in Trainings- und Nachwuchszentren, in den Stadionumbau und in junge Spieler, anstatt teure Spieler nach Fürth zu locken. „Wir werfen hier nicht mit Geld. Und das werden wir auch in der Ersten Liga nicht tun“, sagt Schwiewagner, der einen Etat von 7,5 Millionen Euro verwaltet. In der Bundesliga würde er auf 13 Millionen Euro steigen.

Die Fehler, die der Verein im Erstligajahr 2012/13 gemacht hat, wollen die Verantwortlichen um Schwiewagner, Hack, Sportdirektor Rouven Schröder, Lizenzbereichsleiter Martin Meichelbeck und Trainer Frank Kramer aber nicht wiederholen. Schafft Fürth gegen den HSV den Aufstieg, wird der Verein in erfahrene Spieler investieren. „Nur mit jungen Leuten geht es in der Bundesliga nicht. Das haben wir gelernt“, sagt Schwiewagner. Dennoch bleibe Fürth primär ein Ausbildungsverein. Das wichtigste Vorhaben bleibe der Umbau des Stadions. „Wir brauchen eine neue Haupttribüne“, sagt Schwiewagner. Die alte Steintribüne, in der jahrelang auch der Teeladen untergebracht war, bevor er auf Kosten der Vergrößerung des Pressebereichs umziehen musste, wird voraussichtlich im Sommer 2015 abgerissen. Nach dem Vorbild St. Pauli soll dann Sommer für Sommer eine Tribüne ausgetauscht werden. Ursprünglich hatte der Verein einen Stadionneubau im Süden geplant. Doch letztlich wollte Hack auch hier kein Risiko eingehen und verlängerte mit Eigentümer Conny Brandstätter, Sohn des Playmobil-Gründers Horst Brandstätter, den Pachtvertrag im Sportpark Ronhof bis 2040.

Bei den Menschen in der Stadt sorgte diese Entscheidung für Erleichterung. Die Fürther lieben ihren Sportpark Ronhof, einen der ältesten Standorte im deutschen Profifußball. Hier feierte der Verein 1914, 1926 und 1929 dreimal den Gewinn der Deutschen Meisterschaft. Geht es nach den Fans, soll das Stadion künftig auch wieder seinen alten Namen tragen. Denn die Fürther Fruchtgummifirma Trolli, nach Playmobil bereits der zweite Namensgeber, hat sich mit dem Verein überworfen, der Vertrag wurde aufgelöst. Zur neuen Saison wird es einen neuen Namen geben. Die Ultrafanszene der Fürther, die sogenannten Horidos, fordert den Verein nun auf, das Stadion wieder in Sportpark Ronhof zu benennen. Und Helmut Hack? Er meldet sich zwischen zwei Sitzungen doch noch am Telefon, sagt: „Wir stehen in Fürth für eins: Wir machen aus wenig viel.“ Er ist zwar ein Meister des Wirtschaftens, der Verein schreibt jährlich schwarze Zahlen, doch auf die Gelder durch den Verkauf des Stadionnamens kann selbst der Fürther Sparkommissar nur schwer verzichten.