Initiative HSVPlus will Verein personell neu aufstellen. Neben Ex-Nationaltorwart Lehmann sind auch Knäbel und Peters im Gespräch. Kreuzer droht das Aus. Jarchow soll durch Beiersdorfer ersetzt werden.

Hamburg. Der Fokus der Fans des HSV richtet sich derzeit ganz auf die Relegationsspiele – ein Drama in zwei Akten. Doch nur eine Woche nach dem entscheidenden zweiten Spiel am Sonntag in Fürth steigt im Volkspark die nächste Veranstaltung, in der es um die Zukunft des HSV geht. Am 25. Mai entscheiden die Mitglieder über die neue Struktur und das Personal ihres Clubs.

Und schon jetzt zeichnet sich ab: Erreicht die Initiative HSVPlus des ehemaligen Aufsichtsratschefs Ernst-Otto Rieckhoff die erforderliche Mehrheit von 75 Prozent, wird sich beim HSV nahezu alles ändern. Sowohl strukturell – der Club wird sich dann Investoren öffnen, zudem die Profiabteilung ausgliedern – als auch personell. Nach Abendblatt-Informationen wird bei einem Votum für HSVPlus aus der jetzigen Führung nur Vorstandsvize Joachim Hilke seinen Job behalten.

Neuer Vorstandschef – und damit Nachfolger von Carl Jarchow – soll Dietmar Beiersdorfer, 50, werden. Karl Gernandt, Verwaltungsratschef von Kühne und Nagel und bei Erfolg von HSVPlus designierter neuer Aufsichtsratschef, hat mit Beiersdorfer bereits Gespräche geführt (das Abendblatt berichtete). Bislang hieß es, Beiersdorfer könnte wieder als Sportchef zum HSV zurückkehren, genau wie zwischen 2003 und 2009, als er den Bundesliga-Dino mit dem damaligen Vorstandschef Bernd Hoffmann zum Dauergast im europäischen Wettbewerb machte.

Doch das Angebot von HSVPlus geht weiter. Der ehemalige HSV-Profi, 1987 Torschütze beim Pokalsieg gegen die Stuttgarter Kickers, soll die ganze Macht erhalten, auch als Signal an die Fans, dass nach Bernd Hoffmann und Carl Jarchow wieder ein ausgewiesener Sportexperte den Club führt. Zudem hätte Beiersdorfer dank seiner einstigen Toptransfers wie Rafael van der Vaart, Nigel de Jong oder Ivica Olic genügend Kredit im Umfeld, um sportliche Rückschläge zu verkraften.

An seiner Seite würde Joachim Hilke seine wirtschaftliche Kompetenz einbringen, befördert zum stellvertretenden Vorstand. Dem Marketing-Profi wird zugutegehalten, dass Sponsoren und VIPs trotz katastrophaler sportlicher Vorstellungen weitgehend bei der Stange blieben. An der Seite von Beiersdorfer und Hilke soll sich mittelfristig noch ein weiterer Vorstand um das Thema Finanzen kümmern. Gesucht wird auf Sicht ein erprobter Sanierer.

Was wird aus Jarchow?


Hinter dem neuen Vorstandstableau steht indes noch ein großes Fragezeichen: Nimmt Beiersdorfer das Angebot überhaupt an? Das Zögern des ehemaligen Verteidigers ist verständlich. Zwar wäre er offenbar grundsätzlich bereit, den hoch dotierten Sportdirektor-Job bei Zenit St. Petersburg (Vertrag bis 2015) aufzugeben, um in seine frühere Hamburger Heimat zurückzukehren. Allerdings weiß kaum jemand besser als Beiersdorfer, dass sein ehemaliger Arbeitgeber nicht annähernd mehr über die Finanzmittel wie in seiner ersten HSV-Ära verfügt. Zudem müsste sich der eher bedächtige Franke erstmals als Nummer eins beweisen – und das ausgerechnet in der Medienstadt Hamburg. Beiersdorfer steht unter Zeitdruck, da HSVPlus mit der neuen Führungscrew in den Mitgliederentscheid am 25. Mai gehen möchte.

Sagt er zu, bleiben zwei weitere wichtige Fragen. Was wird aus dem jetzigen Vorstandschef Carl Jarchow? Und welche Rolle spielt künftig noch Oliver Kreuzer, als Sportvorstand noch die Nummer zwei im Club? Klar ist: Auch HSVPlus möchte Jarchow als Integrationsfigur im Verein halten. In internen Gesprächen soll ihm die Position des Präsidenten des Universalsportvereins, in dem künftig alle übrigen Vereinssparten vereinigt werden sollen, angeboten worden sein. Damit wäre er automatisch im Aufsichtsrat, zudem wird auch dieses Amt vergütet. Dem NDR sagte Jarchow am Sonntag, dass dieses Amt für ihn eher nicht infrage kommt. Ein Kandidat für den Vereinspräsidenten wäre auch Oliver Scheel, noch Vorstand für die HSV-Mitglieder

Für Oliver Kreuzer dürfte es dagegen eng werden, wenn HSVPlus durchkommt. Zwar hat er bereits signalisiert, dass er bereit wäre, auf sein Vorstandsmandat zu verzichten, um sich künftig unter Beiersdorfer um Kaderplanung und Nachwuchsabteilung zu kümmern. Doch die Macher von HSVPlus kreiden ihm Transferflops ebenso an wie die teure Verpflichtung des längst wieder entlassenen Trainers Bert van Marwijk.

Drei Kandidaten stehen bei der Sportchefsuche, künftig ohne Vorstandsamt, auf der internen Liste weit oben: Jens Lehmann, 44, ehemaliger Nationaltorwart. Bernhard Peters, 54, Direktor für Sport- und Nachwuchsförderung beim Bundesligakonkurrenten TSG 1899 Hoffenheim. Und Peter Knäbel, 47, Technischer Direktor der Schweizer Fußballverbandes.

Knäbel gilt als enger Vertrauter von Hitzfeld


Aus Sicht von HSVPlus hat jede Lösung ihren Charme. Jens Lehmann, Experte beim TV-Sender Sky und beim Magazin „Sport Bild“, gilt als sehr gut vernetzt im Profigeschäft, könnte so den Nachteil mangelnder Erfahrung im Sportchefgewerbe wettmachen. Peters war vor der WM 2006 Wunschkandidat des damaligen Bundestrainers Jürgen Klinsmann für den Job des DFB-Sportdirektors, konnte sich aber gegen Matthias Sammer nicht durchsetzen.

Der Diplomsportlehrer, bis 2006 mit großem Erfolg Hockey-Bundestrainer, gilt als einer der großen Experten in Sachen Nachwuchsförderung, also genau in dem Feld, wo beim HSV seit Jahren fast alles im Argen liegt. Peter Knäbel wiederum ist ein enger Vertrauter des Schweizer Nationaltrainers Ottmar Hitzfeld. Pikant: Seine nach eigenem Bekunden „geilsten Profijahre“ verbrachte der gebürtige Wittener ausgerechnet beim Rivalen FC St. Pauli, für den er von 1988 bis 1993 kickte. Knäbel war schon 2010 einmal als Sportchef beim HSV im Gespräch, lehnte jedoch aus familiären Gründen ab.

Alle Planspiele würden indes sofort hinfällig, wenn HSVPlus am 25. Mai die erforderliche Dreiviertelmehrheit verfehlen sollte. Und ein solch klares Votum ist keineswegs sicher. Die Schlüsselfrage bleibt, ob HSVPlus wieder so viele Anhänger mobilisieren kann wie bei der Versammlung im Januar im CCH, als eine Mehrheit von 79,4 Prozent der Mitglieder den Vorstand beauftragte, eine entsprechende Vorlage für die Auslagerung der Profiabteilung zu erarbeiten. Da der Antrag auf die Einführung von Fernwahlen knapp scheiterte, müssten sich schon wieder entsprechend viele HSVPlus-Unterstützer auf den Weg machen.

Die Zahl der Gegner ist nicht zu unterschätzen. Der ehemalige HSV-Präsident Jürgen Hunke, der die Öffnung zu Investoren unbedingt verhindern will, hat sogar angeboten, dem finanziell angeschlagenen Verein mit eigenen Mitteln aus der Patsche zu helfen.

Sollte HSVPlus am Ende scheitern, ist der Weg des Vereins völlig offen. Milliardär Klaus-Michael Kühne hat jedenfalls angekündigt, dass er nur als Geldgeber weiter zur Verfügung steht, wenn die Strukturreform kommt. Es bleibt spannend beim Bundesliga-Dino. Auch nach der möglichen Rettung.