Stillstand bei HSV-Kaderplanung – Löw gibt seinen Brasilien-Kader bekannt

Hamburg. Sportchef Oliver Kreuzer kam etwa nach 25 Minuten. Die Profis übten am Mittwochvormittag gerade schnelle Passstafetten, nur drei Kontakte. „Tempo, Aggressivität“, forderte Assistent Nestor El Maestro. Der Ball lief, Pierre-Michel Lasogga mittendrin. Das sah schon gut aus. Vorbereitung auf das letzte Spiel der regulären Bundesligasaison am Sonnabend (15.30 Uhr) bei Mainz 05. Trainer Mirko Slomka redete derweil auf dem Platz intensiv mit Kreuzer. Um die Personalplanung wird es dabei nicht gegangen sein. Alle Konzentration auf Mainz.

Das gilt natürlich auch für die Profis, die sich noch Hoffnungen auf eine Nominierung für die Weltmeisterschaft in Brasilien machten. Marcell Jansen übte, ohnehin noch am Knöchel angeschlagen, allein mit Reha-Coach Markus Günther auf dem Nebenplatz. Heiko Westermann und René Adler waren ebenso wie Lasogga voll dabei. Sie wissen, dass Bundestrainer Joachim Löw am Donnerstag das 30-köpfige, vorläufige WM-Aufgebot benennen wird. Sie fürchteten am Mittwochabend Löws oder Torwarttrainer Andreas Köpkes Nachricht, dass sie selbst „leider“ nicht dabei sein werden.

Insbesondere Adler galt nach seiner starken Comeback-Saison im Vorjahr lange Zeit als absolut gesetzt für die Reise nach Brasilien. Die Schwäche der HSV-Mannschaft aber wurde immer mehr auch zu seiner persönlichen Krise. Acht entscheidende Fehler sind ihm unterlaufen, mehr als jedem anderen Torwart. Gleichzeitig spielten sich Roman Weidenfeller und Marc-André ter Stegen immer mehr in den Vordergrund. Adlers Hoffnung musste sein, dass Löw – wie vor der EM 2012 – vier Torhüter in das vorläufige Aufgebot beruft und er den Bundestrainer dann während des Trainingslagers in Südtirol von seinen Qualitäten überzeugt.

Fällt Adler am Ende dennoch durch das WM-Casting, wäre dies eine weitere schwere Enttäuschung eines „gebrauchten Jahres“ für den Schlussmann, der eigentlich seine Zukunft in Hamburg geplant hatte. Sein Vertrag läuft bis 2017, gerade hat er eine schicke Villa am Innocentiapark in Harvestehude bezogen. Doch jetzt ist alles unsicher. Denn klar ist: Eigentlich kann sich der HSV Adler nicht mehr leisten. Schon gar nicht bei einem Abstieg.

„Wir sind in einem Schwebezustand“, sagt Kreuzer, „wir verlängern keine Verträge, wir verpflichten keine neuen Spieler, und wir verkaufen aktuell keine Spieler.“ Solange die sportliche Zukunft nicht geklärt ist, herrscht ein Stillstand, der bestenfalls erst am Sonntag in einer Woche nach einer erfolgreichen Relegation beendet ist. Und schlechtestenfalls schon an diesem Sonnabend. Das wäre dann Abstieg.

„Tief in der Schublade liegt auch ein Plan B“, hatte Kreuzer jüngst erklärt. B heißt Zweitklassigkeit. B heißt noch härteres Sparen. Von jetzt knapp 43 Millionen Euro jährlich würde der Gehaltsetat auf 25 Millionen zusammengestrichen werden. Bei einem Verbleib in der Bundesliga müssen und sollen nach dem derzeitigen Plan „nur“ sechs Millionen Euro eingespart werden.

So oder so muss einigen Spielern nach der Saison der Abschied nahegelegt werden. Einmal um die höchsten Gehälter zu sparen, aber auch um eventuell Transfererlöse zu erzielen. Klar ist die Sache bei Robert Tesche und Tomás Rincón, deren Verträge zum Saisonende auslaufen. Aber auch Rafael van der Vaart, Ivo Ilicevic, Jansen, Petr Jiracek, Johan Djourou und eben Adler stehen virtuell im Schaufenster. Sollte es tatsächlich in die Zweite Liga gehen, werden die Genannten auch keine großen Ambitionen haben, mit dem HSV nach Heidenheim, Aalen und Aue zu fahren.

Tolgay Arslan ist inzwischen neben den bekannten türkischen Clubs auch bei Aufsteiger Köln im Gespräch. Angebote nimmt der HSV interessiert entgegen. Noch gibt es keine. Was aber angeblich auch mit der Rücksicht der Konkurrenz auf einen Verein im Abstiegskampf zu tun hat. Der Nürnberger Torjäger Josip Drmic hat ja auch noch nicht in Leverkusen unterschrieben.

Klar ist, dass Kreuzer auf jeden Fall Hakan Calhanoglu auch bei einem Abstieg halten möchte. Der Deutschtürke, dessen Vertrag ohne Ausstiegsklausel bis 2018 datiert ist, ist jedoch derzeit der einzige Spieler, der möglicherweise eine so hohe Ablöse (zehn bis 15 Millionen Euro) bringen würde, dass der HSV gezwungen wäre, ihn zu verkaufen.

„Bevor man einen Spieler abgibt, muss man ja auch einen Ersatz für seine Position haben“, sagt Kreuzer, „aber das ist zurzeit nicht möglich.“ Zu unsicher ist die sportliche und wirtschaftliche Zukunft. So soll der Augsburger Kevin Vogt dem HSV inzwischen abgesagt haben, weil eine konkrete Planung nicht möglich ist.

Sogar das Schicksal der Führungsebene ist ja unsicher. Auch Kreuzer selbst weiß nicht, ob er über das Saisonende hinaus noch im Amt ist, wenn es nach der Mitgliederversammlung am 25. Mai zu einer Strukturreform kommt. Gelingt es, den früheren Sportchef Dietmar Beiersdorfer aus St. Petersburg zurückzuholen, müsste er in die zweite Reihe rücken. Mit den Vertretern der Initiative HSVPlus hatte Kreuzer ein Gespräch im Frühjahr, informell, unkonkret. Alles ist im Fluss, alles kann, nichts muss. Eine Handlungsbasis für eine nachhaltige Planung des Kaders 2014/15 ist das nicht.

Am Dienstag hatte Frankfurts Pirmin Schwegler seinen Wechsel nach Hoffenheim verkündet, Stuttgart verpflichtete Florian Klein (Salzburg), Bayern hat sich längst die Dienste von Robert Lewandowski (Dortmund) und Sebastian Junge (Frankfurt) gesichert. Der Spielermarkt ist längst eröffnet, jetzt wird die Basis gelegt.

Und der HSV ist nicht dabei.