Beim Teamtrip zum FC Augsburg fehlt Rafael van der Vaart, Lasogga ist als Fan dabei

Hamburg. Aus der HSV-Arena schallten am Freitagmittag ab und an laute Rufe, Anfeuerungen, Aufforderungen. Von wem, wie, warum? Unklar. Irgendwas mit Fußball wahrscheinlich. Mirko Slomka ließ seine Profis im Stadioninneren arbeiten und nicht auf dem mit Sichtschutzplanen verhängten Trainingsplatz, auf dem sonst „unter Ausschluss der Öffentlichkeit“ geübt wird. „Wir schöpfen alle Möglichkeiten aus“, hatte der Chefcoach für die letzten drei Spiele um den Klassenerhalt angekündigt. Eine Idee war nun zwei Tage vor dem Auswärtsspiel beim FC Augsburg am Sonntag (15.30 Uhr/Sky und abendblatt.de) offenbar die kurzfristige Komplettabschottung seines Teams. Auch die Fenster im HSV-Store und dem Restaurant „Raute“ zum Spielfeld hin waren abgeklebt. Es war eher dunkel an diesem sonnigen Mittag.

Um 16 Uhr startete der HSV-Tross mit dem Flieger nach München, anschließend ging es mit dem Bus die knapp 88 Straßenkilometer weiter nach Augsburg ins Dorint-Hotel an der Kongresshalle. „Augsburg erleben“ wird dort gerade als Sonderprogramm angeboten, 105 Euro nur kosten zwei Nächte im Doppelzimmer, mit Frühstück und Abendessen. Nicht schlecht. „Erleben“ will und muss der HSV in der Fuggerstadt ja ein Erfolgserlebnis im Abstiegskampf. Deshalb änderte Slomka jetzt viele sonstige Routinen. „Die Chance ist da, in drei beziehungsweise fünf Spielen die Bundesliga zu halten“, sagt er.

Als im HSV-Stadion um 12.30 Uhr die letzte Übungseinheit vor der Abreise begann, verließ Rafael van der Vaart den Mannschaftstrakt, bestieg sein Auto und fuhr vom Parkplatz. Wiedersehen wird er seine Mitspieler und Kollegen erst zu Beginn der neuen Woche, wenn das sportliche Schicksal des Vereins möglicherweise noch ein wenig klarer ist. Sein Muskelfaserriss in der Wade macht einen Einsatz erneut unmöglich und „nur“ aus Solidarität mitzufliegen, dagegen stünden nach Angaben eines HSV-Sprechers medizinische Gründe. Van der Vaart laufe nicht nur in seiner Reha, er absolviere ein individuelles Spezialprogramm auch mit Krafttraining. Und das ginge eben nur in Hamburg.

„Schnell fit werden ist wichtiger als die Unterstützung der Mannschaft“, lautet das Motto des Vereins, das ebenso für Johan Djourou gilt. Auch der Schweizer gehört wegen seiner Muskelverletzung nicht zum Kader und bleibt in der Hansestadt. Pierre-Michel Lasogga allerdings, der ist in Augsburg dabei. Der 22-Jährige will „ganz nah bei den Kollegen“ sein. Nach der Untersuchung bei Nationalmannschaftsarzt Hans-Wilhelm Müller-Wohlfahrt am Donnerstag beginnt in der kommenden Woche sein weiterer Belastungsaufbau nach dem Muskelbündelriss. Wenigstens die Relegationsspiele sind das große Ziel Lasoggas.

Die Niederländer Ouasim Buy und Ola John, die zuletzt an Adduktorenbeschwerden litten, sind wieder fit und traten die Reise mit an. Slomka nahm auch alle drei Profitorhüter, René Adler, Jaroslav Drobny und Sven Neuhaus, mit. Auch Sportchef Oliver Kreuzer ist natürlich beim Team. Vorstandschef Carl Jarchow reist am Sonnabend nach.

Nach der Ankunft in Augsburg war am Abend kein Training mehr geplant, allerdings gab es ein gemeinsames Abendessen. HSV-Köchin Johanna Vogt hat die Speisen mit dem Chefkoch des Hotels ganz genau ernährungswissenschaftlich besprochen. Nach der Mahlzeit war das Programm lange Zeit offen. Einzelgespräche wollte Slomka mit seinen Spielern noch führen. Am Abend stand auch die Partie zwischen Hannover 96 und dem VfB Stuttgart auf dem Programm, die ja durchaus Bedeutung für den HSV hatte. Danach gab es sicher noch weiteren Redebedarf. Und dann ins Bett.

Es war allerdings kaum zu befürchten, dass Augsburger Fans mit Lärminstrumenten die wichtige Nachtruhe des Gegners stören würden. Auch wenn es für den FCA um die letzte Chance auf Platz sieben und damit die Teilnahme an der Europa League geht. Und um ein gelungenes Jubiläum beim 100. Bundesligaspiel. „Wenn man hört, dass Hamburg von Existenzkampf spricht, weiß man, was auf uns zukommt“, warnte Trainer Markus Weinzierl und kündigte Selbstverständliches an: „Wir spielen zu Hause und wollen die drei Punkte behalten.“ Dabei müssen die Augsburger auf Stürmer Arkadiusz Milik (Knieverletzung) verzichten.

Für Sonnabend hat Slomka nach dem Frühstück eine Trainingseinheit angesetzt. Erst danach wird er entscheiden, wie sein Team genau aufgestellt ist. Marcell Jansen und Milan Badelj konnten wieder ins Mannschaftstraining einsteigen, aber ihnen fehlt nach der Verletzungsauszeit Spielpraxis. Angesichts ihrer Erfahrung und individuellen Qualität werden sie aber wohl trotzdem spielen. „Wir haben die Belastung bei beiden langsam gesteigert. Es sah gut aus“, sagte Slomka. Die mitgereisten Physiotherapeuten und Mannschaftsärzte sind natürlich ebenfalls in Augsburg in voller „Mannschaftsstärke“ anwesend, um optimal auf die körperliche Gesundheit der Profis zu achten.

Die Bundesligapartien am Sonnabend will das Team gemeinsam im Hotel verfolgen. Gegnerbeobachtung, gemeinsames Erleben, Zittern, Hoffen, Freuen. Und damit auch den Teamgeist weiter stärken. „Kampf, Präsenz und Leidenschaft“, fordert Slomka von seinen Spielern, die genau wissen, wie die Situation ist, wenn sie am Sonntag, 24 Stunden nach der direkten Konkurrenz aus Braunschweig (in Berlin) und Nürnberg (in Mainz) auf den Platz gehen. „Mit diesem Druck muss die Mannschaft umgehen können“, sagt der Coach. Dass sie eben das vor allem auswärts in der Vergangenheit nicht geschafft hat, das verdrängt Slomka lieber. Er ist sich stattdessen sicher: „Jeder hat begriffen, worum es geht.“

Das wird er ihnen auch am Sonntag bei dem Spaziergang nach dem Frühstück noch einmal vermitteln. Trainiert wird jetzt nicht mehr, dafür wird die gedankliche Auseinandersetzung mit dem Gegner noch intensiver. Noch ein Mittagessen, natürlich wieder ausgewogene Ernährung für Spitzensportler, dann folgt die letzte Teambesprechung. Wer spielt wie? Was kann der Gegner besonders gut? Dann geht es in den Bus, ab zum Stadion. Um 15.30 Uhr ist Anpfiff. „Alle Möglichkeiten“ hat Slomka dann „ausgeschöpft“. Ob das genügt, wird man gegen 17.20 Uhr wissen.