Vor der Mitgliederversammlung am 25. Mai scheint nur eines sicher: Alles wird anders. Das Abendblatt beantwortet die wichtigsten Fragen schon jetzt.

Hamburg . Ein wenig stolz ist Joachim Hilke schon auf die 300 Seiten, die sich HSV-Mitglieder seit Sonnabend von der Vereinshomepage herunterladen können. „Bemerkenswert, was unsere Mitarbeiter und die beauftragte Kanzlei in den vergangenen Wochen geleistet haben“, sagt der HSV-Vorstand, der die Vorbereitung des HSVPlus-Antrags auf eine Ausgliederung des Geschäftsbereichs Fußball für abgeschlossen erklärt. Unter der Führung von Projektleiter Benjamin Schmedes und Finanzdirektor Oliver Peter wurde das Mammutwerk mit der Anwaltskanzlei Görg vor wenigen Tagen fertiggestellt. Das Abendblatt beantwortet zentrale Fragen rund um die Ausgliederung.

Wie ist der Zeitplan?

Bis zum 20. April haben die Mitglieder Zeit, Änderungsanträge zur geplanten HSV-Satzung einzureichen, über die die Mitglieder am 25. Mai in der Arena abstimmen sollen. Der Zeitpunkt, über den es im Umfeld des Vereins erhebliche Meinungsverschiedenheiten gab, wurde vom Vorstand gewählt, weil es der letztmögliche Zeitpunkt ist, um alle DFL-Fristen für eine HSV AG zur neuen Saison einzuhalten. Sollte HSVPlus mit der benötigten Dreiviertelmehrheit angenommen werden, soll die neue Satzung der HSV AG möglichst zum 1. Juli in Kraft treten. Die verschiedenen Gremien würden spätestens bei der nächsten ordentlichen Mitgliederversammlung im Januar 2015 vervollständigt.

Wer hat das Sagen im neuen HSV?

Die Mitglieder würden künftig eher wie in einer repräsentativen Demokratie eingebunden. Als ein neues Machtzentrum gilt der Beirat, der in der Übergangsphase aus dem Ehrenratsvorsitzenden Andreas Peters, seinen Stellvertretern Günter Augsburg und Walter Koninski sowie dem Aufsichtsratsdelegierten der Amateure und der Supporters bestehen würde. Der Beirat soll den Mitgliedern (wohl im Januar 2015) die Kandidaten zur Wahl des Präsidiums für den HSV e. V. vorschlagen. Das Präsidium ernennt, nach Zustimmung des Beirats, den Aufsichtsrat der AG.

Das normale, operative Geschäft betreffend sind die Vorstände Carl Jarchow und Joachim Hilke bereits jetzt Vorstände der HSV Sport AG, die nach der Ausgliederung HSV Fußball AG heißen soll. Sportchef Oliver Kreuzer jedoch nicht, er müsste erst noch mehrheitlich vom dann neuen Aufsichtsrat in die AG berufen werden.

Was wird aus dem Aufsichtsrat?

Laut vorläufiger Tagesordnung der Mitgliederversammlung würde unter Punkt 8 die Wahl für die vakanten Plätze im Aufsichtsrat anstehen. Nach der Rücktrittswelle im Februar wären im Mai vier neue Kontrolleure zu wählen, da bereits nach dem Bayern-Heimspiel der Delegierte der Supporters neu gewählt wird (Kandidaten: Sven Kröger und Sven Winkelmann). Erster und bisher einziger Kandidat für die vier vakanten Plätze ist seit Montag Holger Urlitzki. Dieser Tagesordnungspunkt wäre allerdings hinfällig, wenn der separate Antrag der Initiative HSVPlus zur Bestellung eines Aufsichtsrats der HSV Fußball AG mit der benötigten einfachen Mehrheit angenommen wird. In diesem Fall würde ein neues, dann nur noch sechsköpfiges Kontrollgremium vom Vorstand der AG bestellt werden, wieder nach Zustimmung des Beirats.

Gibt es bereits ein Schattenkabinett?

Klar war bislang, dass Holger Hieronymus und Thomas von Heesen, die beide aktiv Wahlkampf für HSVPlus betrieben, bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Während von Heesen als Aufsichtsrat oder als Nachwuchschef gehandelt wurde, wäre Hieronymus ein Kandidat für den Aufsichtsratsvorsitz oder den Vorstand. Dass Klaus-Michael Kühnes Generalbevollmächtigter Karl Gernandt einen Posten im Aufsichtsrat bekleiden soll, ist kein Geheimnis. Während Hilke einen dauerhaften Posten in der Fußball AG sicher haben dürfte, gilt Jarchows Verbleib als ungewiss.

Nach Abendblatt-Informationen gibt es auch konkrete Bestrebungen, Dietmar Beiersdorfer in den Vorstand der HSV AG zu holen. Der 50-Jährige, der von 2002 bis 2009 als Sportchef in Hamburg arbeitete, war seit seinem Abgang häufiger für ein Comeback im Gespräch und soll bereits kontaktiert worden sein. Beiersdorfer steht noch bis 2015 bei Zenit St. Petersburg unter Vertrag, im Mai 2015 laufen die Kontrakte von Jarchow und Hilke aus.

Wann fließen die Investoren-Millionen?

Sollte HSVPlus angenommen werden, könnten Investoren voraussichtlich vom 1. Juli an aktiv werden. Wahrscheinlich ist dies allerdings nicht. Bislang hat lediglich Milliardär Klaus-Michael Kühne seine Bereitschaft erklärt, die er auf Anfrage des Abendblatts bekräftigte: „Im Erfolgsfall – und nur in diesem Fall – werde ich nach der Umsetzung des Ausgliederungskonzepts einen maßgeblichen finanziellen Beitrag leisten, auch in der Annahme, dass es weitere strategische Partner geben wird, die sich engagieren würden. Im Prinzip werde ich den Verein auch im Falle eines Abstiegs unterstützen.“ Hinter den Kulissen haben HSVPlus-Aktivisten zwar Gespräche mit weiteren Interessenten geführt, Verhandlungen zu führen ist aber Aufgabe des Vorstands.

Was wird aus der HSV-Raute?

Alle Marken des HSV werden auf die HSV Fußball AG übertragen. Der HSV e. V. wird im Anschluss an die Ausgliederung die von ihm verwendeten Marken neu anmelden. Diese Maßnahme sorgt bei den Supporters für Diskussionen, der Vorstand sieht aber keinen Handlungsspielraum, weil dies im Umwandlungsgesetz so vorgesehen sein soll. Interessant für eine Investorenbeteiligung: Vereinsintern wird der Wert der Raute auf einen dreistelligen Millionenbetrag taxiert.

Was passiert, wenn HSVPlus scheitert?

Theoretisch nichts, praktisch alles. Die HSV-Satzung würde zwar in ihrer aktuellen Form bestehen bleiben. Allerdings dürfte die Vorstandsspitze ausgetauscht werden. Unter den noch verbliebenen sechs Aufsichtsräten ist man sich mehrheitlich einig, dass zumindest Hilke und Jarchow bei einem Scheitern von HSVPlus umgehend beurlaubt werden müssten. Bei einer endgültigen Bewertung des zuletzt immer häufiger kritisierten Sportchefs Kreuzer will man zunächst das Ende der Saison abwarten. Zudem wären die verbliebenen Aufsichtsräte auf die Meinungen der fünf neuen Kontrolleure angewiesen. Denn: Vorstände können nur mit einer Dreiviertelmehrheit abberufen werden.

Wie mächtig sind die HSVPlus-Gegner?

Hauptkritiker der HSVPlus-Pläne ist und bleibt Aufsichtsrat Jürgen Hunke. „Der vom Vorstand unterbreitete Vorschlag würde einem Ausverkauf des Vereins gleichkommen“, sagt Hunke, der sich im Abstiegskampf öffentliche Zurückhaltung auferlegt hat. Im Hintergrund versucht er aber alles, um HSVPlus doch noch zu verhindern. Hunke hat sich mit Martin Rüssel („Rautenherz“) zusammengetan, eine neue Agentur beauftragt und will die Ausgliederungsdokumentation juristisch anfechten. Ähnliches planen die HSV-Supporters, die den Umfang einer juristischen Prüfung aber zunächst am Dienstag auf ihrer Abteilungsleiterversammlung besprechen wollen.

Die Initiatoren der HSV-Reform (darunter Johannes Liebnau und Manfred Ertel) lehnen eine Ausgliederung der Profiabteilung wohl nicht mehr kategorisch ab, gehören aber trotzdem auch weiterhin zu den schärfsten Kritikern des aktuellen Vorstandsantrags. Dass sich der Verein zentrale Punkte zukünftig von der AG genehmigen lassen muss, wird beispielsweise abschätzig als „Nordkoreaklausel“ bezeichnet.