Der Verteidiger lässt den HSV mit seinem 2:1-Siegtor gegen Bayer Leverkusen im Abstiegskampf wieder hoffen. Zuvor hatte Calhanoglu getroffen und Adler gepatzt.

Hamburg. Als René Adler am Freitagabend in der Nachspielzeit ein letztes Mal gegen Emre Can rettete, kannte der Jubel im Volkspark keine Grenzen mehr. 2:1 hatte der HSV gerade Champions-League-Teilnehmer Bayer Leverkusen niedergerungen – und die Hamburger unter den gerade mal 49.575 gekommenen Zuschauer konnten ihr Glück einfach nicht fassen. „Hey, hey, hey, hier kommt Hamburg!“ war der Hit des Abends, den wohl kaum ein HSV-Fan so schnell vergessen wird.

Doch alles schön der Reihe nach: Die, die erschienen waren, hatten kaum Platz genommen, als sie es das erste Mal von ihren Sitzen riss. Gerade mal 195 Sekunden waren gespielt, als Hakan Calhanoglu und Rafael van der Vaart sogenannten One-Touch-Football der Extraklasse zelebrierten. Pass Calhanoglu, Rückpass van der Vaart, Schuss Calhanoglu, Tor. Was für ein Auftakt – insbesondere, weil in dieser Saison gleich 21-mal der Gegner gegen den HSV in Führung gegangen war. Was zu diesem Zeitpunkt aber noch niemand wusste: Calhanoglus neunter Saisontreffer sollte zumindest in der ersten Halbzeit nur der Auftakt von einem regelrechten Fußballfeuerwerk werden. Chancen gab es hüben wie drüben.

Als Schiedsrichter Bastian Dankert mit seinem Halbzeitpfiff nach 47 temporeichen Minuten den ersten Durchgang beendete, gab es auf der Tribüne keine zwei Meinungen: Mit so einer Leistung kann und darf der HSV nicht absteigen. Getrübt wurde die ausgelassene Stimmung nach der besten ersten Halbzeit der Hamburger seit dem 3:0-Sieg gegen Borussia Dortmund lediglich durch die verletzungsbedingte Auswechslung Milan Badeljs. Der Kroate, seit Wochen in Klassenerhaltsform, zog sich ausgerechnet bei einem seiner seltenen Schussversuche eine Zerrung im linken Oberschenkel zu. Wie lange der Mittelfeldantreiber ausfällt, soll erst nach einer ausführlichen Untersuchung am Wochenende feststehen. Ersetzt wurde er von Jubilar Tomas Rincon, der vor der Partie mit einem Strauß Blumen für seinen 100. HSV-Einsatz beschenkt wurde.

Nichts, aber auch gar nichts geschenkt bekam Rückkehrer Son, der bei jeder Ballberührung mit lautstarken Pfiffen der Zuschauer bedacht wurde. Ein Großteil der Fans dürfte dabei wohl weniger die zwölf Saisontore in Erinnerung gehabt haben, die der Koreaner noch in der vergangenen Saison für seinen HSV erzielte, als vielmehr die drei Treffer, mit denen er seinen Ex-Club beim 5:3 im Hinspiel fast im Alleingang abgeschossen hatte. Und auch Gegenspieler Dennis Diekmeier ließ sich zu keinem Freundschaftsdienst hinreißen, ließ seinem frühen Kollegen in Halbzeit eins kaum Raum. Im zweiten Durchgang spielte Son zentraler und wurde mehr und mehr zum Dreh- und Angelpunkt seiner neuen Mannschaft.

Ein erstes Ausrufezeichen der zweiten 45 Minuten sollte allerdings nicht der frühere, sondern der neue Liebling der Fans setzen. Calhanoglus Volleyschuss konnte Bayers Torhüter Bernd Leno gerade noch zur Ecke klären (54.), Jacques Zouas anschließende Einschussmöglichkeit machte Aushilfs-Innenverteidiger Emre Can mit vollem Körpereinsatz zunichte (55.). Doch gerade als die immer zufriedeneren Zuschauer, darunter auch Schlagersänger Guildo Horn, den zweiten Treffer herbeischreien wollten, passierte, was nicht passieren durfte: HSV-Torhüter René Adler, noch in der ersten Halbzeit erneut in WM-Form, konnte sich nicht entscheiden, ob er einen Flatterball von Julian Brandt fangen oder fausten sollte. Das Resultat: Von Adlers Händen prallte der Ball an den Innenpfosten, von dort ins Netz zum 1:1 (58.).

Der zu diesem Zeitpunkt unverdiente Ausgleich glich einem Schock. Nicht nur dass Bayer nun von Minute zu Minute stärker wurde, auch das Verletzungspech der Hamburger schlug erneut zu. Zunächst musste auch Kapitän Rafael van der Vaart mit Oberschenkelschmerzen raus (68.), wenig später traf es Lasogga-Ersatz Zoua mit Adduktorenproblemen (77.). HSV-Trainer Mirko Slomka brachte mit U23-Stürmer Mattia Maggio einen Bundesligadebütanten, der in der völlig dezimierten Offensive in die Bresche springen sollte. Das Signal an die Mannschaft: Es kann kommen, was wolle, aber an diesem Freitagabend spielen wir auf Sieg. Und das Schöne an der Geschichte: Das Signal wurde verstanden. Eine herrliche Hereingabe Dennis Diekmeiers vollendete Heiko Westermann in bester Stürmermanier zum verdienten 2:1-Siegtreffer (84.). Der Rest war Jubel.