HSV-Profi Mancienne wurde abgeschoben und nicht mal mehr zum Teamabend eingeladen. Trotzdem liebt er seinen Job

Hamburg. Michael Mancienne ist zum verabredeten Termin zu spät, viel zu spät. Aber der Engländer hat zumindest eine gute Ausrede: Trainer Mirko Slomka hatte kurzerhand die Fitnesseinheit vom Nachmittag auf den Mittag gelegt. Dabei ist es noch gar nicht so lange her, dass der Innenverteidiger gar nicht mehr bei den Profis vom HSV mittrainieren durfte. Erst nach der Verpflichtung von Slomka ging es für Mancienne wieder aufwärts. Doch auch die schlechten Zeiten hat der Abwehrallrounder nicht vergessen.

Hamburger Abendblatt:

Herr Mancienne, ist Profifußballer ein Traumberuf?

Michael Mancienne:

Fast jedes Kind will Fußballprofi werden, also ist es natürlich ein Traumjob. Es ist so unglaublich schwierig, es tatsächlich bis zum Profifußballer zu schaffen. Und wenn man es dann tatsächlich geschafft hat, dann muss man es einfach zu schätzen wissen. Man muss nur wissen, dass es natürlich auch sehr harte Zeiten gibt.

Sie kamen vor knapp drei Jahren zum HSV, waren direkt im Abstiegskampf, wurden von Ex-Trainer Thorsten Fink aussortiert, sollten verkauft werden, wurden zur U23 abgeschoben und dann doch wieder begnadigt. Klingt nicht gerade nach einem Traumjob.

Mancienne:

Ich will ganz ehrlich sein: Die letzten Monate waren sicherlich die schwierigste Zeit meiner Karriere. Ich habe jeden Tag hart trainiert, obwohl ich genau wusste, dass ich keine Chance haben würde. So eine Situation zerrt an den Nerven. Aber ich musste einfach alles dafür tun, mich selbst immer wieder neu zu motivieren. Körperlich war ich eigentlich immer fit, aber geistig war es eine echte Herausforderung. Ich musste kämpfen, motiviert zu bleiben. Und gleichzeitig wollte ich natürlich keine schlechte Stimmung verbreiten.

An dem Wochenende, als der HSV in der Hinrunde 3:0 in Freiburg gewann, spielten Sie mit der zweiten Mannschaft des HSV vor 200 Zuschauern auf dem Wolfgang-Meyer-Sportplatz gegen Victoria in der Regionalliga. Ihr Tiefpunkt?

Mancienne:

Das war hart, aber kein Tiefpunkt. Kurioserweise haben auch wir 3:0 gewonnen, und ich habe ziemlich gut gespielt. Ich bin also irgendwie mit einem guten Gefühl nach Hause gegangen, weil ich wusste, dass ich mir selbst nichts vorzuwerfen brauche.

Der ebenfalls lange aussortierte Robert Tesche hat am Wochenende gesagt, dass Fußball hinter den Kulissen „ein dreckiges Geschäft“ sei.

Mancienne:

Robert hat recht – und trotzdem liebe ich es. Im Fußball kann alles passieren: Man wird schnell gefeiert, ist aber genauso schnell wieder ganz unten auf dem Boden. Man muss nur immer wieder aufstehen.

Sind Sie als Aussortierter trotzdem noch zu den Heimspielen gegangen?

Mancienne:

Natürlich bin ich ins Stadion gekommen, schließlich spielen doch auch viele meiner guten Kumpel in der Mannschaft. Außerdem muss man als Profi auch professionell mit einer entsprechenden Situation umgehen. Selbst wenn ich das Gefühl habe, schlecht und ungerecht behandelt zu werden, muss ich damit professionell umgehen. Ich habe mir auch alle Auswärtsspiele zu Hause im Fernsehen angeschaut.

Letztens wurde es sogar vergessen, Sie zu einer Mannschaftsfeier einzuladen. Fühlten Sie sich noch als Teil der Mannschaft?

Mancienne:

Das war jedenfalls kein schöner Moment. Mir wurde da bewusst, wie weit ich eigentlich von allem weg bin. In der vergangenen Saison war ich noch Stammspieler, habe mich dann schwer verletzt, wurde aussortiert und plötzlich wirst du nicht mal mehr zum Mannschaftsabend eingeladen. Das hat sicherlich niemand böse gemeint, aber irgendwie war ich nicht mehr Teil des Ganzen – und das tut weh.

Fühlen Sie sich denn jetzt wieder als vollwertiges Teil der Mannschaft?

Mancienne:

Ich fühle mich jedenfalls besser als noch vor ein paar Wochen. Dabei habe ich immer Kontakt gehalten, war mit Slobodan Rajkovic oder Tomas Rincon essen, habe mit Milan Badelj, Hakan Calhanoglu oder Ivo Ilicevic einen Kaffee getrunken. Richtig aufwärts ging es für mich aber erst wieder nach dem Trainerwechsel.

Ist es übertrieben zu behaupten, dass Mirko Slomka Ihre Karriere gerettet hat?

Mancienne:

Das ist eine schwierige Frage. Ich bin Mirko Slomka jedenfalls sehr dankbar, dass er mir die Chance gegeben hat, auf die ich so lange warten musste. Für ihn gebe ich nicht 100 Prozent, sondern 110 Prozent.

Vor zwei Jahren haben Sie gesagt, dass Sie notfalls „die eingebrockte Suppe in der Zweiten Liga auslöffeln“ würden. Bleibt es dabei?

Mancienne:

Ich will gar nicht an die Zweite Liga denken, aber natürlich würde ich auch bei einem Abstieg bleiben. Ich bin Hamburger, und ich spiele für den HSV – und trotz allem würde ich immer für diesen Verein kämpfen.