Armin Veh tritt zum letzten Mal mit Eintracht Frankfurt bei seinem ehemaligen Verein in Hamburg an. Er kann den HSV in den Abgrund stürzen.

Hamburg. Von einem Schicksalsspiel zu reden, wäre vor dem Kellerduell HSV gegen Eintracht Frankfurt am Sonnabend (15.30 Uhr) sicherlich verfrüht. Schließlich sind auch nach der Partie des Tabellensechzehnten gegen den Tabellenzwölften noch 30 Punkte zu vergeben. Doch bei einem Frankfurter Sieg hätten die Hessen neun Punkte Vorsprung auf die Hamburger und sich damit aus dem Kreis der Mannschaften, die der HSV am Ende hinter sich lassen könnte, vorerst verabschiedet. Doch trotz aller Verletzungssorgen, die HSV-Trainer Mirko Slomka wenig Spielraum bei der Aufstellung lassen, will der Coach das Schicksal seines Clubs selbst in die Hand nehmen. „Frankfurt soll sich mit unserem Spiel befassen und nicht umgekehrt“, sagt er selbstsicher.

Ein in Hamburg Altbekannter sieht das naturgemäß anders. Armin Veh, in der Saison 2010/11 für gut acht Monate Trainer des HSV, brennt auf Revanche für das aus seiner Sicht unverdiente 2:2 seines ehemaligen Clubs aus dem Hinspiel, wodurch „das ganze Dilemma überhaupt erst begonnen hat“. Der Frankfurter Coach bezieht sich mit seiner Aussage auf den damals in der Tat glücklichen Ausgleich des derzeit verletzten Marcell Jansen kurz vor dem Schlusspfiff, durch den angeblich eine Negativspirale in Gang gesetzt wurde, die die Eintracht überhaupt erst in niedere Tabellenregionen geführt hat.

Doch Veh gibt keinesfalls dem Schicksal die Schuld dafür. Der gebürtige Augsburger ist grundsätzlich ein sehr selbstbestimmter Mensch, das wurde in dieser Woche mal wieder deutlich. Am Montag verkündete er aus eigenen Stücken seinen Abschied aus Frankfurt zum Ende der Saison. Dabei kann der ehemalige Bundesligaprofi auf eine durchaus erfolgreiche Zeit bei der Eintracht zurückblicken. Veh hatte die Frankfurter 2011 in der Zweiten Liga übernommen und sie unmittelbar nach dem Aufstieg in die Europa League geführt. Dort waren die Hessen in der Zwischenrunde mit zwei Unentschieden nur knapp am ehemaligen Weltpokalsieger FC Porto gescheitert.

„Die Verantwortlichen machen hier alles, um die Eintracht zu etablieren, aber das sind nicht unbedingt meine Ziele“, begründete Veh seine überraschende Entscheidung. Ein wenig verklausuliert, doch es war klar, dass ihm die Perspektive fehlt, irgendwann einmal Großes mit der Eintracht zu erreichen. Einen neuen Club gebe es nicht, was er in Zukunft machen werde, sei ungewiss, dementierte Veh Meldungen, wonach er sich bereits mit dem FC Schalke 04 in fortgeschrittenen Gesprächen befinde.

Auch sein Schicksal beim HSV nahm Armin Veh damals selbst in die Hand. „Es ist ja alles ein Wahnsinn hier“, war der Lieblingssatz des Fußballlehrers zu Hamburger Zeiten, womit er auf die chaotischen Umstände im Umfeld des Bundesliga-Dinos anspielte. Nicht auszudenken, was er in der Hansestadt wohl heutzutage von sich geben würde. Am 8. März 2011 erklärte Veh dann, dass er keine Lust mehr auf diese „Rumeierei“ hätte und im Sommer Schluss sein sollte. Der HSV kam ihm allerdings zuvor und entließ den Trainer wenig später nach der 0:6-Niederlage beim FC Bayern. Durch das Kokettieren mit seiner Amtsmüdigkeit hatte Veh seinen Rauswurf fraglos forciert. Im Endeffekt beendete er damit sogar die Ära Bernd Hoffmann, denn die Entlassung Vehs war die letzte Amtshandlung des damaligen HSV-Bosses, ehe ihm und seiner Vorstandskollegin Katja Kraus vom Aufsichtsrat das Vertrauen entzogen wurde.

Eine vorzeitige Entlassung des 53-Jährigen ist in Frankfurt (noch) kein Thema, obwohl er nun als „Lame Duck“ gilt, als lahme Ente. Der Begriff bezeichnet einen Regenten, dessen Abdankung schon feststeht, der aber noch eine Weile verantwortlich ist. Seine Autorität gilt als instabil, seine Handlungsfähigkeit scheint begrenzt. Auch wenn sich Veh in seiner Position selbst nicht als lahm sieht, ist er nicht sicher, wie sich der angekündigte Rückzug auswirkt: „Ich weiß nicht, wie die Mannschaft reagieren wird.“

Slomka kann aus dieser Situation keinen Vorteil für sein Team erkennen. Er sprach zwar von einer „interessanten Personalie“, aber auch von einem „normalen Vorgang“, da Veh grundsätzlich nur Einjahresverträge unterschreiben würde. Frankfurt agiere immer sehr flexibel, zudem sei gerade Veh dafür bekannt, seine Taktik schnell umzustellen, sollte es nicht wie geplant laufen. Die Eintracht habe eine große Auswahl an Spielern und extrem offensive Außenverteidiger, die sehr gut mit Diagonalbällen operieren würden. Zwei in Hamburg gut bekannte Verteidiger werden jedoch nicht mithelfen können: Der ehemalige St.-Pauli-Profi Bastian Oczipka musste das Training mit einem Muskelfaserriss abbrechen, und mit Carlos Zambrano droht auch der zweite ehemalige Kiezkicker mit Leistenproblemen auszufallen.

Ein Wiedersehen wird es dafür mit Alexander Meier geben, der sowohl für St. Pauli als auch den HSV auflief. Doch das ist lange her. Seit 2004 spielt der Offensivmann in Frankfurt, nun hat er seinen Vertrag sogar bis 2017 verlängert. „Es war eine Herzensangelegenheit“, sagt der gebürtige Buchholzer, der sechs Saisontore erzielte und als die Identifikationsfigur gilt, die beim HSV so schmerzlich vermisst wird.

Für Veh ist Meier einer, in dem trotz seiner 31 Jahre noch jede Menge Potenzial schlummert. Bleibt zu hoffen, dass auch die nach der Verletzungsmisere übrig gebliebenen HSV-Profis – auch die Wackelkandidaten Milan Badelj und Hakan Calhanoglu können wohl auflaufen – noch unentdecktes Potenzial in sich tragen. Sonst könnte ausgerechnet Veh mitverantwortlich dafür sein, dass erneut eine Ära beim HSV zu Ende geht – und zwar die des Dinos in der Ersten Bundesliga.