Der frühere HSV- und Werder-Torjäger flog extra aus Mexiko für das Nordderby ein. Er glaubt: Beide Vereine werden sich vor dem Abstieg retten

Hamburg. Was für eine Frage! Ob er beim Nordderby live im Stadion dabei sei? „Natürlich bin ich da“, antwortet der Mann, der aufgrund seiner Schnelligkeit (und vielleicht auch wegen seines dezenten Hüftgolds) auf den Spitznamen Kugelblitz hört: Aílton Goncalves da Silva, oder einfach: kleines, dickes Aílton.

Nur für das 100. Aufeinandertreffen seiner beiden früheren Clubs („Das beste Derby auf der ganzen Welt“) unterbrach der Brasilianer am Donnerstag seinen Familienurlaub in Mexiko, reiste über Frankfurt aber erst noch nach Krefeld. „Business“, wie er sagt, ehe es am Sonnabend in den Norden, in seine Heimat des Herzens, geht. „In Bremen fühle ich mich noch immer zu Hause“, sagt Aílton, der 169-mal zwischen 1998 und 2004 für die Grün-Weißen in der Bundesliga auflief und 88 Tore erzielte. In Bremen wurde er Torschützenkönig, Meister, zweimal DFB-Pokalsieger und als erster ausländischer Spieler Deutschlands Fußballer des Jahres. „Meine schönste Zeit“, schwärmt der 40-Jährige. Selbst durch das Telefon ist ein Seufzer nicht zu überhören.

Lang ist’s her, das weiß auch Aílton. Als er Bremen 2004 verließ („Mein größter Fehler“), begann eine regelrechte Odyssee. Der Stürmer verdiente gutes Geld auf Schalke, in Istanbul und auch beim HSV, spielte in Belgrad, Zürich, Duisburg und in Donezk. Weiter ging seine Weltreise beim SCR Altach und in Brasilien bei Campinense. Vier Spiele ging er in der zweiten chinesischen Liga für Chongqing Lifan auf Torejagd, versuchte ein Comeback beim KFC Uerdingen, scheiterte, ging zum FC Oberneuland in die Amateurniederungen, scheiterte, versuchte sein Glück in der Heimat beim EC Rio Branco und scheiterte auch dort. Nach einem Ausflug ins RTL-Dschungelcamp schnürte er schließlich noch einmal für Landesligist Hassia Bingen die Schuhe. Vor Weihnachten war endgültig Schluss.

„Für einen Fußballer ist es immer schwer, die aktive Karriere zu beenden“, sagt er. „Mir geht es gar nicht um das Geld. Aber das Fußballspielen, das fehlt mir schon.“ Dass er dem Fußball, der noch immer sein Leben beherrscht, gerne erhalten bleiben würde, am liebsten in Bremen, daraus macht er keinen Hehl. „Ich würde gerne für Werder arbeiten, als Trainer für den Nachwuchs oder als Scout“, sagt Aílton, der an den HSV nicht so gute Erinnerungen hat. „Ich war ziemlich verärgert, als man mich in Hamburg einfach so abgeschoben hat. Mir hat das wehgetan“, sagt der Angreifer, der im Januar 2006 für monatlich 55.000 Euro netto vom HSV für ein halbes Jahr aus Istanbul ausgeliehen wurde.

Seine Zeit in Hamburg fand ein unrühmliches Ende, als er im entscheidenden Spiel um die direkte Qualifikation zur Champions League alleine vorm Tor angespielt wurde und vorbeischoss. Der Gegner damals, natürlich: Werder. „An das Derby erinnere ich mich gar nicht mehr so genau“, sagt Aílton und muss selbst lachen. „Viel lieber erinnere ich mich an Bremens 6:0-Derbysieg 2004, als wir den Titel holten.“

Von Meisterschaft oder internationalen Träumen sind Werder und der HSV aktuell weit entfernt. „HSV nicht gut und Werder nicht gut“, sagt er in seinem typischen brasilianisch-deutschen Sprachgemisch. Dass aber zumindest die Hamburger im Aufwind sind, hat er auch in Mexiko mitbekommen. „Sie haben einen neuen Trainer. Mirko Slomka ist ein guter Coach. Er wird den HSV retten.“ Und Werder? „Die werden sich auch retten.“ Notfalls muss er eben noch selbst auf Torejagd gehen. Aílton lacht. Ob er das wirklich ernst meint? Was für eine Frage!