Slobodan Rajkovic durfte sich über das HSV-Comeback des Jahres freuen. Mehrfach war der Serbe aussortiert worden, aber aufgeben wollte er nie.

Hamburg. Das Leben, so sagt man doch, schreibt immer noch die besten Geschichten. Dass seine eigene aber tatsächlich ein Happy End haben könnte, das konnte Slobodan Rajkovic auch am Tag nach dem möglicherweise erstaunlichsten Sportcomeback des Jahres noch nicht so richtig fassen. Er sei einfach nur überglücklich, sagte der Serbe, als er knapp 19 Stunden nach seinem ersten Bundesligaeinsatz dieser Saison beim 3:0-Sieg gegen Dortmund als einer der letzten HSV-Profis am Sonntagmittag die Kabine verließ und sich darüber wunderte, dass noch immer einige Autogrammjäger auf ihn warteten.

Beim HSV, das weiß auch der Abwehrmann, hatte in den vergangenen Monaten niemand mehr auf ihn gewartet. „Gerade für mich war die Partie gegen Dortmund ein sehr emotionales Spiel. Das alles fühlt sich wie ein kleines Wunder an“, sagte Rajkovic, der gegen die Borussia erstmals nach neun Monaten wieder auf dem Platz stand. Und der, das sei schon an dieser Stelle verraten, sein mit Abstand bestes Spiel im HSV-Trikot ablieferte, seit er im August 2011 vom FC Chelsea nach Hamburg wechselte.

Aber alles schön der Reihe nach: Rajkovics außergewöhnliche Geschichte fängt bereits mit seiner Verpflichtung vor zweieinhalb Jahren an. Erst in der letzten Woche der Transferperiode holte der damalige Sportchef Frank Arnesen den robusten Innenverteidiger, der einen mit zwei Millionen Euro jährlich dotierten Vertrag bis 2015 unterzeichnete. 2,5 Millionen Euro erhielt darüber hinaus Chelsea, wo Rajkovic allerdings nie gespielt hatte. Er sei jemand, der Angst und Schrecken verbreiten könnte, erklärte Ex-Trainer Michael Oenning: „Wir brauchen Leute, die sich wehren.“

Doch nachdem sich Rajkovic einmal zu viel auf dem Platz etwas zu sehr gewehrt hatte und gegen den 1. FC Kaiserslautern mit Rot vom Platz flog, war es mit seinem erhofften Stammplatz unter Oenning-Nachfolger Thorsten Fink schnell wieder vorbei. Endgültig ins Abseits geriet der stolze Osteuropäer, als er sich in der Vorbereitung zur folgenden Saison eine Trainingsprügelei mit Heung Min Son lieferte und im Gegensatz zum Südkoreaner vorläufig suspendiert wurde. Rajkovic, der bereits vorher im Sommer vom HSV bei Dynamo Moskau angeboten worden war, reagierte heftig.

„ Unser Trainer lügt. Er hat zwei Gesichter“, schimpfte er in einem denkwürdigen Interview mit dem Abendblatt, in dem er sich seinen aufgestauten Frust von der Seele redete: „Fink hätte mir seine Entscheidung wie ein Mann mitteilen können und sie nicht wie ein Mädchen über Zeitungen lancieren müssen.“ Die Geschichte, die man sich kaum ausdenken könnte, hatte ihren Tiefpunkt erreicht.

Doch Rajkovic, der zu den Amateuren verbannt wurde, wollte nicht aufgeben. Nach einem halben Jahr begnadigte Fink den Aussortierten, ließ ihn wieder mittrainieren und sogar spielen. Ein vorzeitiges Happy End sollte es aber noch nicht geben. Denn auch im vergangenen Sommer versuchte Arnesen-Nachfolger Oliver Kreuzer erfolglos, den teuren Innenverteidiger zu verkaufen. Ein paar osteuropäische Clubs fragten an, auch Hertha hatte zwischenzeitlich Interesse. Rajkovic blieb – und verletzte sich. Mit einem Innenbandriss im Knie musste er mehr als zwei Monate lang pausieren, galt unter Fink-Nachfolger Bert van Marwijk nur noch als Innenverteidiger Nummer fünf.

Als aber mit van Marwijk auch Rajkovics dritter Trainer beim HSV gehen musste, schlug endlich die Stunde des ewigen Kämpfers. „Slobodan ist ein enorm harter Zweikämpfer. Vom ersten Tag an ist mir aufgefallen, dass er genau der richtige Spieler sein kann, der uns in dieser Situation helfen könnte“, lobte Neu-Trainer Mirko Slomka, der dem zuvor Chancenlosen zur Überraschung aller erstmals in dieser Saison auf das Spielfeld beorderte – als Gegenspieler von Robert Lewandowski, dem Führenden der Torjägertabelle. Eine Chance, die der Serbe nutzte: „Ich bin unserem Trainer sehr dankbar, dass er mir nach so langer Zeit eine Chance gegeben hat“, sagte Rajkovic, der nach dem geglückten Comeback zugab, vor der Partie extrem nervös gewesen zu sein.

Nach der Partie gab es keinen Zweifel mehr daran, wer der Spieler des Tages war. „Es ist schon unglaublich, was Boban so alles erlebt hat“, zeigte sich Torhüter René Adler beeindruckt, „er ist ein einwandfreier Junge, der immer weitergekämpft hat.“ Tolgay Arslan war vor allem von Rajkovics starkem Auftritt gegen Lewandowski ergriffen: „Slobodan hat gefühlte zwei Jahre nicht mehr gespielt, musste dann gleich gegen den besten Stürmer der Bundesliga ran und spielte dann so, als ob er nie weg gewesen sei. Das ist schon unglaublich. Er hat immer hart an sich gearbeitet, hat nie schlechte Stimmung verbreitet.“

Und Tomas Rincon, der auch außerhalb des Platzes mit dem Abwehrhünen befreundet ist, konnte das Comeback seines Kumpels nur schwer in Worte fassen. „Vor so einem Profi muss man einfach Respekt haben.“ Rajkovic sei ein „überragender Innenverteidiger“ und vor allem „ein geiler Typ“, der sich ein Happy End seiner ganz persönlichen Geschichte einfach verdient hätte.

Das Beste an diesem Happy End: Rajkovics Geschichte beim HSV soll noch lange nicht beendet sein. Eigentlich geht sie jetzt erst so richtig los.