In diesen Tagen ist von Pokal-Euphorie in Hamburg so gar nichts zu spüren. Für das Spiel des HSV gegen Bayern München sind noch Restkarten zu haben. Die Nerven liegen blank.

Hamburg. Ein Heimspiel im DFB-Pokal-Viertelfinale, dazu noch gegen Bayern München in einer ausverkauften Imtech-Arena – beste Voraussetzungen für ein wahres Fußballfest. So in etwa hatten sich die Verantwortlichen des HSV die Tage vor dem Spiel gegen den Rekordmeister am Mittwoch (20.30 Uhr im Liveticker bei abendblatt.de) nach dem Einzug unter die letzten acht Teams im Dezember wohl ausgemalt. Doch in diesen Tagen ist von Pokal-Euphorie in Hamburg so gar nichts zu spüren. Für das Spiel sind immer noch Restkarten zu haben, fast niemand glaubt ernsthaft an ein Weiterkommen, die Nerven liegen blank.

Hoffnung gibt es aus sportlicher Sicht immerhin bei einem Einsatz von Marcell Jansen. Der Linksverteidiger, der beim 0:3 gegen Hertha als einzige Feldspieler ansatzweise Normalform erreichte, hat seine Wadenverletzung anscheinend auskuriert. Er konnte das Abschlusstraining am Dienstag komplett absolvieren. Die Chancen auf sein Mitwirken sind dadurch gestiegen. Hoffnungsträger Pierre-Michel Lasogga trainiert zwar auch wieder, doch seinen Rückstand wird der Torjäger bis zum Spiel nicht aufholen können. Ein Platz auf der Bank ist wahrscheinlich. Zumindest ist Jonathan Tah, der nach dem Vertragswirbel pausierte, wieder dabei.

Wer jedoch geglaubt hatte, dass sich etwa ein Johan Djourou am Montagnachmittag bei der Trainingseinheit vorzugsweise am Kopfballpendel aufhalten würde, um sein gegen Hertha amateurhaftes Zweikampfverhalten in der Luft zu verbessern, oder ein Jaques Zoua die Aufgabe bekommen würde, aus kurzer Distanz aufs Tor zu zielen, um der Bezeichnung Stürmer wieder gerecht zu werden, sah sich getäuscht. Die Mannschaft trainierte wie so oft ihr Passspiel in verschiedenen Variationen. Auch das abschließende Übungsspielchen in bunt gemischten Teams ohne große Tore ließ keinen Rückschluss auf mögliche Veränderungen der Startformation zu. Denkbar ist, wie schon während der Vorbereitung des Öfteren probiert, dass Trainer Bert van Marwijk sein Team ohne echten Stürmer auflaufen lässt, sofern er am Mittwochabend noch das Sagen haben sollte.

Trotz der Krise rechnet Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge mit einigem Widerstand der Hanseaten im Viertelfinale des DFB-Pokals. „Das ist die große Gefahr, dass alle den HSV gegen Bayern München schon aufgegeben haben, weil die Mannschaft die letzten drei Spiele gegen nicht so namhafte Gegner alle 0:3 verloren hat“, sagte Rummenigge vor dem K.o.-Spiel. „Wir tun gut daran, uns durch die Ereignisse in Hamburg nicht einlullen zu lassen“, mahnte der Vorstandsvorsitzende des deutschen Rekordpokalsiegers. „Es waren in den letzten Jahren meist ganz enge Spiele für uns in Hamburg“, erinnerte Rummenigge: „Wir wissen, dass das kein Selbstläufer wird. Unser Ziel ist es, in die nächste Runde einzuziehen. Wir sind Titelverteidiger. Aber unsere Mannschaft weiß, dass man sich auch in Hamburg wieder alles neu erarbeiten muss.“

Aus finanzieller Hinsicht wäre ein Weiterkommen enorm hilfreich: Schon die Teilnahme am Viertelfinale wird jedem Verein mit 1,125 Millionen Euro aus den TV- und Vermarktungserlösen versüßt. Da der HSV gegen Bayern im Free-TV zu sehen ist, kann der Club rund 1,4 Millionen Euro Einnahmen allein aus diesem Bereich einstreichen – plus die Hälfte der Zuschauereinnahmen, also insgesamt über zwei Millionen Euro. Ein Einzug ins Halbfinale wäre noch lukrativer, da die Grundprämie bis zu 1,88 Millionen Euro betragen kann. Richtig Geld verdienen können im Falle einer Sensation übrigens auch die Fans: Für einen Heimerfolg zahlt der Wettanbieter bwin das 12,50-fache des Einsatzes zurück. Die Auslosung der Halbfinalpartien erfolgt in der ARD nach dem Spiel durch die mehrmalige Paralympics-Siegerin Kirsten Bruhn und DFB-Trainer Hansi Flick.

HSV-Ikone Kaltz: „Ich habe wenig Hoffnung“

Klub-Ikone Manfred Kaltz verliert zunehmend den Glauben an einen Klassenerhalt des HSV. „Ich habe wenig Hoffnung“, sagte der 61-Jährige bei Sport 1. Es gehe seit Jahren stetig bergab, fügte Kaltz an, der als Spieler insgesamt 581-mal in der Bundesliga für den HSV aufgelaufen war: „Es war absehbar. Irgendwann summiert sich alles zu einem großen Felsblock. Insofern ist das für mich nichts ganz Neues, was da passiert.“

Kaltz ist sich zudem nicht sicher, ob Felix Magath den Klub retten könnte. „In dieser Situation wird es für jeden schwer, egal, wer da kommt“, sagte der frühere Nationalspieler: „Man muss auf jeden Fall etwas machen, aber mit dieser Mannschaft wird es auch ein Magath schwer haben.“