Während Bert van Marwijk nach dem Aufschrei über den trainingsfreien Tag in die Offensive geht, sucht HSV-Sportchef Kreuzer das Vieraugengespräch mit dem Trainer.

Hamburg. Eines will Bert van Marwijk gleich zu Beginn des Gesprächs mal klarstellen: Er habe nichts gelesen. Keine Zeitungen, keine Magazine, keine Internetblogs. Van Marwijks Augen werden größer, die Stimme fest. Aber natürlich sei auch ihm zu Ohren gekommen, dass die Kritik nach dem 0:3-Debakel gegen Schalke schärfer geworden war. „Ich muss sagen: Das finde ich sogar gut. Es ist eine Minute vor zwölf Uhr, Alarmstufe eins. Spätestens jetzt müssen alle aufwachen. Alle!“

Eigentlich ist es nicht eine Minute vor zwölf, sondern kurz vor 14.30 Uhr. Und eigentlich würde Bert van Marwijk zu diesem Zeitpunkt, eine Stunde vor dem Nachmittagstraining, gerade in seiner Trainerkabine sitzen und die folgende Einheit überdenken. Doch an diesem Mittwoch ist vieles anders, als es eigentlich ist. „Was jetzt hier gerade passiert, brauchen wir“, ruft van Marwijk, der außerplanmäßig in einer vom Pressesprecher vorbereiteten Schiedsrichterkabine in der Imtech Arena Platz genommen hat. Er wolle Stellung beziehen, sagt der Niederländer, der öffentlich, auch im Abendblatt, dafür kritisiert wurde, dass er nach dem 0:3 gegen Schalke, der vierten Niederlage in Serie, und dem Abrutschen auf einen Relegationsplatz trotzdem an seinem freien Tag festhielt und in seine Heimat fuhr. „Ihr könnt mich kritisieren, das ist mir eigentlich egal. Aber, ehrlich gesagt, habe ich regelrecht darauf gewartet, dass endlich alle mal wach werden.“

Mit der Kritik an sich habe er auch keine Probleme, bellt van Marwijk, nur inhaltlich wolle er widersprechen. Energisch widersprechen. So sei der Vorwurf, er lasse zu wenig, zu lasch oder schlicht falsch trainieren, absurd. Alle Daten wiesen darauf hin, dass die Spieler konditionell besser drauf seien als noch vor einigen Monaten, und auch taktisch habe sich das Team deutlich verbessert.

„Eine Trainingseinheit pro Tag ist mehr als genug“, kontert der 61 Jahre alte Fußballlehrer, „die Wissenschaftler sind sich einig, dass man am Tag nach einem Spiel auslaufen und regenerieren und am Folgetag frei machen sollte. Das ist in Spanien, England, Italien, in den Niederlanden und auch in Deutschland so. Punkt.“

Doch ist das wirklich so? Sportchef Oliver Kreuzer, der am Mittag das Vieraugengespräch mit van Marwijk suchte, scheint nur bedingt überzeugt. „Ich kann das öffentliche Unverständnis nachvollziehen“, sagt Kreuzer, „als Signal kam der freie Tag nach dem Schalke-Spiel sicherlich nicht gut rüber.“ Doch stehe er weiterhin hinter van Marwijk. „Ich bin 100-prozentig davon überzeugt, dass Bert nur Dinge aus Überzeugung macht. Er ist auf keinen Fall faul“, sagt der HSV-Vorstand, der sich trotzdem einen gesteigerten Trainingsumfang wünscht. So hätten er und van Marwijk bereits im Trainingslager in Abu Dhabi abgesprochen, dass mittwochs künftig zwei Einheiten auf dem Programm stehen sollten: „Ich würde nie einem Trainer in seine Trainingsgestaltung reinreden, das ist auch gar nicht mein Job. Aber darüber werde ich mit Bert noch mal sprechen.“

Sondertraining für die Talente

Lange überredet werden musste van Marwijk offenbar nicht. Der Holländer erklärte, dass er ohnehin vorgehabt habe, ab der kommenden Woche, wenn das Wetter wieder etwas besser sei, mittwochs ein Sondertraining für die Talente einzuführen. So sollen nach einer gemeinsamen Vormittagseinheit nachmittags zu den Youngstern der Profis wie Hakan Calhanoglu, Jonathan Tah, Lasse Sobiech oder Zhi Gin Lam noch die talentiertesten A- und B-Jugendlichen stoßen. „Ich will immer Qualität fördern“, sagt van Marwijk, der seinen restlichen Trainingsplan besonders auf Supertalent Tah abstimmt: „Er ist wichtig für unsere Zukunft, deswegen will ich, dass er so oft wie möglich mit der Mannschaft trainieren kann.“

Und eine letzte Sache wolle er noch richtigstellen, sagt van Marwijk nach knapp 30 Minuten zum Ende des Gesprächs. Natürlich trainiere der HSV häufiger als fünfmal, auch wenn gleichzeitig nur fünf Trainingseinheiten auf dem Plan stünden. „Ich spreche doch nicht öffentlich darüber, was wir über das Mannschaftstraining hinaus noch im Fitnessraum oder in der Kabine so machen“, sagt der Niederländer, „aber seien Sie sicher, dass es viele Stunden sind, die wir zusätzlich investieren.“ Nun habe er aber genug geredet, sagt er, steht auf und macht sich auf den Weg in die Kabine, „aber manchmal ist es auch gut, über alles einmal ausführlich gesprochen zu haben.“

Trainiert wurde dann im Übrigen am Mittwoch auch noch. Um 15.47 Uhr trabten die Spieler auf den Trainingsplatz, machten Koordinations- und Passübungen, Diagonalläufe und mehrere unterschiedliche Trainingsspielchen. Ob und was das alles nun gebracht hat, wird aber wohl ein ganz anderes Spielchen zeigen. Denn Training hin oder her, so richtig ernst wird es erst am Sonnabend im Spiel in Hoffenheim.