Die Hertha-Leihgabe über Klischees, seine Mutter und Managerin Kerstin, HSV-Ikone Uwe Seeler und seine Zukunft in Hamburg.

Abu Dhabi. Pierre-Michel Lasogga ist keiner, der lange um den heißen Brei herum redet. Ob er sich für das Interview lieber in die warme Sonne oder in den angenehmen Schatten setzen wolle? „In die Sonne natürlich“, antwortet der 22 Jahre alte HSV-Torjäger. „Schatten haben wir doch in Hamburg genug.“ Der von Hertha BSC ausgeliehene Stürmer trainierte am Montag erstmals nach seiner Oberschenkelzerrung wieder mit der Hamburger Mannschaft.

Hamburger Abendblatt: Herr Lasogga, sind Sie ein Muttersöhnchen?

Pierre-Michel Lasogga: Sie sind nicht der Erste, der mich das fragt. Aber ich bin mit Sicherheit kein Muttersöhnchen.

Ihre Mutter ist gleichzeitig Ihre Managerin. Hat Sie das nie gestört?

Lasogga: Warum sollte mich das stören? Mesut Özil wird doch auch von seinem Vater gemanagt, da stört sich doch auch keiner dran. Viele Bundesligaspieler werden von einem Familienangehörigen gemanagt, meist sind es die Väter oder ein Onkel, bei mir ist es eben meine Mutter.

Gab es nie einen Spruch der Kollegen in der Kabine?

Lasogga: Eigentlich nicht. Und wenn doch, dann wäre es mir egal. Viele können vielleicht nicht so richtig nachvollziehen, dass ich ein so enges Verhältnis zu meiner Mutter habe. Ich habe aber ein enges Verhältnis zu meiner ganzen Familie. Familie ist mir sehr wichtig. Und ganz ehrlich: Ich bin stolz auf meine Mutter.

Was denken Sie sich, wenn Ihre Mutter in Boulevardzeitungen als „härteste Frau der Bundesliga“ bezeichnet wird?

Lasogga: Viel denke ich mir nicht dabei. Aber ich bin mir sicher, dass meine Mutter keine einfache Verhandlungspartnerin ist. Das ist doch nur gut für mich.

War sie denn in Ihrer Kindheit eine strenge Mutter?

Lasogga: Nicht wirklich. Sie hat immer alles für uns gemacht, auch das eine oder andere durchgehen lassen.

Hat sie viel bei Jugendspielen an der Seitenlinie reingerufen?

Lasogga: Sie war keine typische Fußballmutter, die alles besser wusste. Natürlich war sie stolz, wenn ich mal ein Tor geschossen habe.

Sind Sie denn selbstständig?

Lasogga: Ich sagte ja bereits, dass ich kein Muttersöhnchen bin. Ich wohne seit meinem 15. Lebensjahr ohne meine Familie, bin immer gut klargekommen und musste auch nie verhungern. Ich bin ein ziemlich passabler Koch, kann ein erstklassiges Steak in der Pfanne zubereiten, und auch beim Backen bin ich nicht so schlecht. Mein Gugelhupfkuchen ist ein Traum.

Haben Sie sich als Jugendlicher im Jugendinternat von Wolfsburg ohne Ihre Familie nie allein gefühlt?

Lasogga: Eigentlich nicht. Eine Fußballmannschaft ist ja auch so eine Art Ersatzfamilie. Ich bin ja ein offener Typ, hatte immer schnell Anschluss. Natürlich habe ich meine Mutter manchmal vermisst, aber richtig viel Zeit für Heimweh hatte ich eigentlich nicht.

Sowohl Hertha BSC als auch der HSV wollen Sie langfristig unter Vertrag nehmen. Informiert Sie Ihre Mutter über jedes Gespräch, das sie mit HSV-Sportchef Oliver Kreuzer oder Herthas Sportchef Michael Preetz führt?

Lasogga: Wenn es einen Termin gab, dann sprechen wir natürlich darüber. Aber wir reden jetzt nicht jeden Tag über den neusten Stand. Ich denke auch nicht, dass es da bald etwas zu vermelden gibt. Wahrscheinlich werden wir uns erst im Sommer entscheiden.

Mama wird’s schon richten?

Lasogga: Ich vertraue ihr, aber richten muss ich es schon selbst. Am Ende bin ich es schließlich, der auf dem Platz die Tore schießen muss.

Nach dem Verkauf von Artjoms Rudnevs und der schlimmen Verletzung von Maximilian Beister sind Sie der letzte Torjäger beim HSV. Muss man Sie jetzt in Watte packen?

Lasogga: Auf keinen Fall. Mich kann man gar nicht in Watte packen.

Sie sind erst am letzten Tag der Transferfrist zum HSV gekommen, waren zuvor lange verletzt. Hatten Sie mit so einer tollen Hinrunde gerechnet?

Lasogga: Für mich war der Wechsel zum HSV tatsächlich ein Glücksfall. Ich dachte eigentlich bis zum letzten Tag, dass ich in Berlin bleiben werde. Aber Trainer Thorsten Fink wollte mich unbedingt nach Hamburg holen, hatte auch schon mal vorher angefragt. Und für mich war es natürlich toll, dass auch Finks Nachfolger Bert van Marwijk mir eigentlich immer das Vertrauen geschenkt hat.

Mit neun Toren haben Sie ja auch fleißig zurückgezahlt. Im Flieger von Jakarta nach Abu Dhabi haben Sie nun die „Kicker“-Überschrift gelesen, dass Sie ein Kandidat für das Nationalteam sein sollten. Fühlen Sie sich geschmeichelt?

Lasogga: Klaus Fischer hat das in einem Expertenkommentar gefordert. Und so ein bisschen Ahnung von Stürmern hat der ja. Aber im Ernst: Natürlich freue ich mich, wenn ich so etwas lese. Jeder hat doch Träume – ganz egal, ob diese Träume auch wirklich realistisch sind oder nicht.

Haben Sie eigentlich schon Ihren Sommerurlaub gebucht?

Lasogga: Den buche ich immer kurzfristig. Und wenn Herr Löw sich tatsächlich melden würde, wäre ich doch der Letzte, der Nein sagen würde.

Derzeit sind wir hier in Abu Dhabi, Katar liegt quasi um die Ecke. Können Sie sich hier eine WM 2022 im Winter vorstellen? Sie wären dann 30 Jahre alt und möglicherweise im besten Nationalstürmeralter.

Lasogga: Uff, das ist nun aber wirklich noch lange hin. Darüber zerbreche ich mir doch jetzt nicht den Kopf. Aber ganz generell finde ich den Gedanken an eine WM im Winter schon ein wenig gewöhnungsbedürftig.

Auch Ihr Spielstil ist für manchen gewöhnungsbedürftig. Sie gelten oft als echter Malocher. Denken Sie manchmal, dass Ihre technischen Fähigkeiten nicht wirklich gewürdigt werden?

Lasogga: Es stimmt schon, dass ich oft nur auf meinen Einsatz und meinen Willen reduziert werde. Das macht mir aber nichts aus. Ich bin nun mal ein Arbeiter, auch im Training. Ich hasse es, wenn jemand aufgibt.

Führende Trainer wie Pep Guardiola oder Joachim Löw scheinen eher an die Zukunft ohne klassische Sturmspitze zu glauben. Wird Ihre Art Stürmertyp irgendwann aussterben?

Lasogga: Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass in der Zukunft nur noch 1,70-Meter-Angreifer vorne herumwirbeln. Die Abwehrspieler werden auch immer größer, da braucht man doch auch mal einen echten Brecher, der sich da durchsetzen kann. Sonst könnte man auch irgendwann das Flankentraining einstellen.

Hatten Sie ein Stürmervorbild mit einem ähnlich unorthodoxen Spielstil?

Lasogga: Ich war immer angetan vom Spielstil in der Premier League, wo es ja eine ganze Reihe von kräftigen Stürmern gibt, die um jeden Millimeter kämpfen, die aber gleichzeitig auch mit dem Ball umgehen können. Robin van Persie ist so ein Angreifer, den ich mir echt gerne im Fernsehen oder auf YouTube anschaue.

Hamburgs größtes Sturmidol aller Zeiten war Uwe Seeler. Sind Sie sich schon über den Weg gelaufen?

Lasogga: Leider nicht. Aber selbst ich als Nicht-Hamburger habe schon mitbekommen, dass Seeler ein ganz besonderer HSV-Stürmer war. Jeder kennt sein Hinterkopfballtor von der WM 1970 in Mexiko. Das habe ich mir natürlich auch schon im Internet bei YouTube reingezogen.