Der HSV hatte in der Schlussphase große Möglichkeiten, den VfL Wolfsburg im Nordduell zu besiegen. Doch es blieb beim 1:1. Calhanoglu traf für die Rothosen, Westermann verursachte den Elfmeter.

Wolfsburg. Voller Wut trat Ivo Ilicevic den Ball gegen die Bande, Trainer Bert van Marwijk schüttelte nur den Kopf. Was für eine Chance hatte sein Team gerade vergeben! „Wir hatten doch unglaubliche Möglichkeiten, das Spiel zu gewinnen“, ärgerte sich der HSV-Coach. Und in der Tat: Die Hamburger waren so nah dran an einer Überraschung, an einem Sieg bei den zuletzt so starken Wolfsburgern. Doch am Ende reichte es nur zu einem 1:1.

Andererseits ist das Remis natürlich auch ein Erfolg. Schließlich hatte der VfL fünf der sieben Heimspiele für sich entscheiden können, darunter Partien gegen Topteams wie Dortmund und Schalke. Der HSV startete in dieses Nordduell als Außenseiter.

So war es kein Wunder, dass der HSV-Coach zunächst auf Sicherheit setzte und Ilicevic für den gegen Hannover gelbgesperrten Tolgay Arslan auf die Bank beorderte. Vor Tomas Rincon formierte van Marwijk eine Viererkette mit Maximilian Beister, Milan Badelj, Arslan und Hakan Calhanoglu hinter der einzigen Spitze Pierre-Michel Lasogga. Und das Konzept ging in der Anfangsphase auf. Zwar konnte der HSV keine zwingenden Aktionen nach vorne entwickeln, dafür kamen auch die Wolfsburger zu keiner wirklich großen Torchance.

Die 1:0-Führung für den HSV fiel deshalb quasi aus dem Nichts. Als Schiedsrichter Felix Brych nach 18 Minuten auf halblinks einen Freistoß pfiff, schnappte sich Calhanoglu den Ball und zirkelte ihn aus 35 Metern aufs Tor. Der Ball wurde lang und länger, senkte sich schließlich über den überraschten Diego Benaglio an die Querlatte. Von dort prallte die Kugel zurück auf den Torwart und hinter die Linie (19.). Was für ein kurioses Tor!

Und es kam noch besser, nur drei Minuten später: Nach einem Missverständnis zwischen Naldo und Patrick Ochs marschierte Arslan auf links los und legte wunderbar quer in die Mitte zu Lasogga, der völlig frei vor Benaglio aber vorbeizielte. „Der Ball ist mir über den Schlappen gerutscht“, ärgerte sich der ehemalige Berliner.

Die 3000 mitgereisten HSV-Fans schrien entsetzt auf, und nur einige Sekunden später ein zweites Mal, als Heiko Westermann ungeschickt Daniel Caligiuri von den Beinen holte. Strafstoß, Ricardo Rodriguez verwandelte sicher ins rechte Eck (31.). Welch ein bitterer Moment für den HSV – statt mit dem 2:0 für eine Vorentscheidung zu sorgen, war plötzlich wieder alles offen.

Nun war Feuer im Spiel, die zuvor eher planlosen Wolfsburger drückten, es wurde gekämpft, nicht immer mit fairen Mitteln. Doch der HSV verdaute den Schock schnell und behielt die Orientierung, auch wenn Badelj im Vergleich zu seinen jüngsten Glanzauftritten diesmal eher abfiel.

Nach der Pause beorderte van Marwijk Arslan noch weiter nach vorne, offensichtlich auch, damit der sich vergeblich abmühende Lasogga mehr Unterstützung erhielt und er in der Rückwärtsbewegung früh den Aufbau störte. Doch zunächst waren es nur die „Wölfe“, die nun Chancen kreierten. Zweimal zwang Caligiuri (47., 55.) René Adler zu Rettungstaten. Der HSV hingegen wirkte in der Offensive eher planlos, im letzten Drittel fehlte oft der entscheidende Pass. Der für Beister eingewechselte Ilicevic (61.) sollte deshalb für etwas mehr Spielkultur sorgen. Und dieser Wechsel war eine goldrichtige Entscheidung.

Denn in der Tat hätte Ilicevic nur zehn Minuten später fast die Entscheidung zugunsten des HSV eingeleitet. Sein wunderbarer Pass landete bei Arslan, der allein dem Wolfsburger Tor zustrebte. Doch am Ende fehlte ihm die Entschlossenheit, der U21-Nationalspieler ließ sich abdrängen. In der 75. Minute hatte Calhanoglu dann die Chance bei einem Freistoß aus 18 Metern – doch diesmal passte Benaglio besser auf und parierte glänzend.

In der Schlussphase hatten die Hamburger deutlich mehr vom Spiel. In den letzten Minuten zielten die Hamburger achtmal auf das Tor der Heimmannschaft, ein unglaublicher Wert – die Wolfsburger waren komplett von der Rolle, kamen kaum noch aus dem eigenen Strafraum heraus. Vor allem in Sachen Kondition hatten die Hamburger ein ganz klares Übergewicht, drückten konsequent auf den Sieg. Und beinah wäre Ilicevic doch noch zum Helden des Abends geworden, doch nach glänzender Vorarbeit von Arslan traf er nur die Latte. Kein Wunder, dass sich der HSV an diesem verregneten Abend über einen Punkt nicht wirklich freuen konnte.