HSV-Verteidiger Lasse Sobiech will aus seinem Doppelpatzer gegen Gladbach lernen. Wie das funktioniert, machte Freiburgs Oliver Baumann dem Hamburger Profi vor.

Hamburg. Nimmt man die Nacht danach als Indikator, dann gibt es Hoffnung. Ganz normal habe er geschlafen, behauptete Lasse Sobiech, als er am Sonntag gefragt wurde, ob ihm seine beiden Fehler aus dem Spiel gegen Gladbach den Schlaf geraubt hätten. Haben sie nicht. Genauso wenig wie Freiburgs Oliver Baumann in der Woche zuvor nach seinen drei Patzern gegen den HSV um den Schlaf gebracht worden wäre. „Nach dem Spiel gegen Hamburg bin ich ziemlich schnell runtergefahren, konnte dann ganz normal schlafen“, sagte Baumann, der an diesem Wochenende mit einem herausragenden Spiel gegen Nürnberg (3:0) eindrucksvoll beweisen konnte, dass er seinen Blackout verarbeitet hatte. „Verarbeiten ist sicher leichter als vergessen“, sagte der Freiburger dem Abendblatt.

Doch wie geht man am besten mit derart krassen Fehlern um, wie sie Sobiech an diesem und Baumann am vergangenen Wochenende passiert sind? „Wichtig ist, dass sich ein Spieler Strategien zurechtlegt, mit solchen Situationen umzugehen“, sagt der frühere Werder-Bremen-Profi Uwe Harttgen, der jetzt als Sportpsychologe arbeitet und mit dem Thema „Psychologische Aspekte der Entwicklung jugendlicher Leistungsfußballer“ promoviert hat.

Harttgen betont, dass man einem Spieler durch eine positive Reaktion nach einem Fehler helfen kann: „Entscheidend ist die soziale Unterstützung, also die Unterstützung von Trainer, Mannschaftskollegen und Fans.“ So hat sich auch Baumann über die aufmunternden Worte einiger HSV-Profis gefreut: „Ich habe das nicht als Mitleid empfunden. Das war schon sehr okay.“ Positives Feedback mache es für den Betroffenen leichter, mit der Situation richtig umzugehen, erklärt Hattgen, der bei Sobiech nicht an Folgeerscheinungen glaubt: „Aus der Ferne betrachtet scheint mir Lasse Sobiech eine sehr gesunde Selbsteinschätzung zu haben.“

Ähnlich sieht es Sportchef Oliver Kreuzer, der zwar kein theoretisches Wissen aus einem Psychologiestudium, dafür aber 17 ganz praktische Profijahre als Abwehrspieler vorweisen kann. „Ich kann mich zwar nicht erinnern, dass mir mal zwei derart krasse Fehler in einem Spiel unterlaufen sind, aber natürlich habe auch ich Fehler gemacht, die zu Gegentoren führten. Wenn so etwas passiert, dann muss man sich in der Trainingswoche wieder in seine Form reinkämpfen“, sagt Kreuzer, der Sobiech ohne Bedenken auch gegen Leverkusen spielen lassen würde: „Lasse ist keiner, der sich nach so einer Aktion zurückzieht und nur noch an sich zweifelt. Nach Fehlern muss man wieder aufstehen. Abhaken und fertig.“

Ähnlich wie Baumann eine Woche zuvor hat sich auch Sobiech direkt nach der Niederlage gegen Gladbach entschieden, offen mit der Situation umzugehen. Der 22-Jährige nahm sich Zeit für alle Medienanfragen, beantwortete geduldig die immer wieder gleichen Fragen und wiederholte das Frage-und-Antwort-Spielchen sogar noch am Sonntag. Damit soll nun aber genug sein, weitere Interviews will er wie schon Baumann, der ein Dutzend Anfragen in der Vorwoche Woche ablehnte, nicht geben. „Ich bin keiner, der altmeisterliche Ratschläge an Spieler wie Lasse erteilt. Aber es ist vermutlich besser, das Ganze mit Trainern und Mitspielern aufzuarbeiten als mit Zeitungen und TV-Sendern“, sagt Baumann.

Entscheidende Rolle für van Marwijk

Eine entscheidende Rolle kommt laut Trainer-Ausbilder Werner Mickler in dieser Trainingswoche auf Coach Bert van Marwijk zu. „Wenn der Spieler sich anfängt zu hinterfragen, dann muss ihm der Trainer durch Erfolgserlebnisse helfen, zu alter Sicherheit zu finden“, sagt Mickler, der im Psychologischen Institut der Deutschen Sporthochschule Köln künftige Bundesliga-Trainer auf dem Weg zum Fußballlehrer im Bereich der Sportpsychologie ausbildet. Unter dem Thema „Stress und Stresskontrolle“ habe er in der vergangenen Woche auch den Fall Baumann als Paradebeispiel im Unterricht mit werdenden Trainern, zu denen auch HSV-Coach Rodolfo Cardoso gehört, angesprochen.

Bei Sobiech, so Mickler, sei entscheidend, wie schnell er die Fehler tatsächlich abhaken kann: „Der zweite Patzer gegen Gladbach war ein typisches Beispiel dafür, dass aus einem Fehler schnell ein Folgefehler entstehen kann. Mir schien es, als ob Lasse Sobiech bewusst nicht den eigentlich logischen Rückpass zum Torhüter spielen wollte, weil dieser in der ersten Halbzeit schiefgegangen war. Wäre Fehler eins nicht passiert, wäre wahrscheinlich auch Fehler zwei nicht geschehen.“

Sollte Sobiech seine Patzer ähnlich erfolgreich wie Baumann verarbeiten können, muss der Hamburger nach der Partie gegen Leverkusen möglicherweise nur mit einer Nebenwirkung rechnen: wenig Schlaf. „Nach meinem guten Spiel gegen Nürnberg konnte ich nur schlecht einschlafen, weil ich noch voller Adrenalin war“, sagte Baumann.