Im Januar sollen die Mitglieder des HSV über eine Strukturreform entscheiden, für die Bernd Hoffmann schon vor acht Jahren geworben hat

Hamburg. Es war bereits 23.28Uhr, als sich am 27. Juni 2005 die angespannte Stimmung in den VIP-Räumlichkeiten der Haupttribüne im HSV-Stadion in einem lautstarken Applaus löste. Der Vorstandsvorsitzende Bernd Hoffmann war ans Rednerpult getreten und verkündete den 432 stimmberechtigten Mitgliedern, die sich seit Stunden in dem bis zum letzten Platz gefüllten Saal die Köpfe heißgeredet hatten, dass er seine Pläne zur Ausgliederung zurückziehen würde. „Das haben wir im Vorstand einstimmig entschieden“, sagte Hoffmann, der so in letzter Sekunde einer bitteren, aber wohl kaum zu verhindernden Abstimmungsniederlage zuvorkam und zur Belohnung erstmals an diesem Abend Applaus erntete.

Acht Jahre später sitzt Hoffmann im Café TH2 in der Klosterallee, bestellt sich Rührei zum Frühstück und lässt die Ereignisse der damaligen Richtungsentscheidung Revue passieren. Ähnlich wie im kommenden Januar sollte schon damals über eine Strukturreform, über eine Ausgliederung oder, wie viele behaupteten, schlicht über die Zukunft des Vereins abgestimmt werden – und das Votum hätte auch ohne formelles Ergebnis nicht eindeutiger ausfallen können. „Mein Fehler damals war, dass ich tatsächlich dachte, ich könnte die Meinungsführer argumentativ von einer Ausgliederung überzeugen. Aber das war nicht nur schwierig, es war schlicht und einfach unmöglich“, sagt der heute 50-Jährige. „An dem Abend wusste ich nach wenigen Minuten, dass ich nichts zu gewinnen hatte.“

Tatsächlich stand Hoffmann an jenem Infoabend trotz prominenter Unterstützung durch den früheren Präsidenten Wolfgang Klein, der heute auch die Ausgliederungsinitiative HSVPlus befürwortet, von 19 Uhr an im Kreuzfeuer der Kritik. Von neun Wortbeiträgen an jenem Abend richteten sich laut Versammlungsprotokoll sieben gegen den Vorschlag Hoffmanns. Ex-Präsident Peter Krohn meldete sich zu Wort, auch Peter Gottschalk und Konstantin Rogalla, heute ein Befürworter einer Strukturreform, hielten sich mit teilweise beißender Kritik nicht zurück. Trotzdem kämpften Hoffmann und Klein insgesamt vier Stunden lang leidenschaftlich darum, die Notwendigkeit einer Ausgliederung für den zukünftigen Erfolg des Bundesligisten zu erläutern – letztendlich ohne Erfolg.

„Die Stimmungslage damals war eine ganz andere als heute“, sagt Hoffmann, der daran erinnert, dass der HSV sportlich unter Trainer Thomas Doll gerade das Feld von hinten aufgerollt, zudem die Verpflichtung Rafael van der Vaarts perfekt gemacht hatte. „Der HSV hatte zweimal hintereinander ein wirtschaftlich positives Ergebnis vorgelegt, gerade erst hatten wir mit einer Reise durch Asien für Aufsehen in der ganzen Bundesliga gesorgt. Nun fragten die Leute also, warum wir nun eine Ausgliederung bräuchten, wenn wir auch ohne sie Erfolg haben“, sagt Hoffmann. „Leider macht man bekanntermaßen die größten Fehler im Erfolgsfall.“

Eine der umstrittensten Forderungen, damals wie heute, ist die Beteiligung eines Investoren nach einer Ausgliederung der Profiabteilung. „Der würde nicht aus Liebe zu uns stoßen, sondern um mit uns Geld zu machen“, rief Oliver Scheel an jenem Abend ins Mikrofon und erhielt wohlwollenden Beifall. Der damalige Supporters-Chef ist heute Vorstand für die Belange der Mitglieder und will sich als dieser auf Nachfrage des Abendblatts weder zu der damaligen noch zu der heutigen Diskussion äußern. Amtsvorgänger Christian Reichert, der vor acht Jahren selbstverständlich ebenfalls vor Ort war, ist da auskunftsfreudiger. „Das Meinungsbild innerhalb der VIP-Räumlichkeiten war damals ziemlich eindeutig“, sagt der heutige Vize-Supporters-Chef, der ähnlich wie auch Scheel derzeit auf Wahlkampftour ist, um erneut eine Ausgliederung zu verhindern: „An den Hauptargumenten hat sich in den vergangenen acht Jahren nicht so viel geändert.“

So ganz stimme das nicht, meint dagegen Hoffmann, der darauf verweist, dass bei seinem Strukturmodell anders als heute beim viel diskutierten Vorschlag HSVPlus die Mitglieder das letzte Wort über eine Beteiligung eines strategischen Partners gehabt hätten. Zudem hätte er damals festschreiben lassen, dass die HSV AG immer mehr als 75Prozent der Anteile besitzen müsse. Eine Argumentation, der Ex-Aufsichtsrat Bernd Enge auf der emotionalen Versammlung 2005 trotzdem nicht folgen wollte. „Ich will keine Anteilseigner aus der Wirtschaft. Auch Niebaum und Meier in Dortmund wollten das Beste für den Verein, es wurde ein Desaster“, rief Enge damals ins Plenum. Darüber noch mal reden will er heute aber nicht.

Dabei hat sich an der Ausgangslage in den vergangenen acht Jahren nur unwesentlich etwas geändert. So wollte Hoffmann damals Profis, Amateure, Bundesliga-Frauen sowie A- und B-Jugend in eine Kapitalgesellschaft überführen, scheiterte aber am geschlossenen Widerstand der Supporters. „Ich bleibe auch acht Jahre später dabei, dass es die richtige Entscheidung gewesen wäre, die Strukturen weiterzuentwickeln“, sagt Hoffmann, der sich nach dem offiziellen Ende der Versammlung vor acht Jahren um 0.20 Uhr durch den damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Udo Bandow die Rolle als Architekt gewichtiger Projekte nicht so einfach nehmen lassen wollte. „Ich fahre jetzt in den Urlaub – eine Woche lang nur Sandburgen bauen mit meinen Kindern“, sagte er in der Nacht zum 28. Juni 2005 – und ging nach Hause.

Seit Ex-Aufsichtsratschef Otto Rieckhoff die Initiative HSVPlus vorgestellt hat, wird im HSV über die Zukunft des Vereins debattiert. Das Abendblatt begleitet die Diskussion bis zur Mitgliederversammlung im Januar und lässt Befürworter und Gegner zu Wort kommen. In dieser Woche blicken wir zurück – auf einen gescheiterten Ausgliederungsversuch.