Was die verhätschelten Profis des HSV von Amateuren lernen können, wenn sie mal wieder aus der Mittelmäßigkeit herauswollen. Ein Ausweg aus dem Chaos könnte die Lust am Fußballspielen sein.

Wer will das eigentlich Woche für Woche noch hören oder lesen? Ärger beim HSV. Chaos beim HSV. Hollywood SV statt HSV. Auflösungserscheinungen beim HSV. Ahnungslosigkeit beim HSV. 1:5-Pleite und freie Tage beim HSV. Zuschauerflucht beim HSV. Gerangel zwischen Ordner und Aufsichtsrat beim HSV. Gucci hier, Gucci da beim HSV. Und auf Mallorca. Das alles ist ermüdend und langweilig. Irgendwie gleicht es sich immer wieder: Der HSV kommt nicht voran, macht einen Schritt vor und einen zurück, oft auch zwei. Deswegen an dieser Stelle mal eine ganz einfache Frage: Wie wäre es mal wieder mit Fußball?

Und zwar richtigem Fußball, schönem, temporeichem, ideenvollem, mit Herzblut vorgetragenem Fußball – mit Toren für den HSV. Fußball, der alle vom Hocker reißt, Fußball der ehrlichen Art, Fußball, der den Funken vom Rasen auf die Ränge überspringen lässt. Solchen Fußball gab es im Volkspark leider schon seit vielen Jahren nicht mehr.

Offen gesagt: Der Fußball, den der HSV nun schon seit Jahren präsentiert, ist im Grunde genommen meistens nur mittelmäßig, einige Male aber auch unterirdisch und zum Abgewöhnen. Einige Verantwortliche aber trauen sich dennoch, dieses Gekicke noch mit den schönsten Sätzen aufzumotzen und hochzujazzen. Schön reden statt schön spielen.

Fakt ist: Trotz des finanziellen Engpasses beim HSV sollte auch mit einer fast namenlosen Mannschaft ein ansehnlicher und erfolgreicher Fußball möglich sein. Wenn alle dies wirklich wollten, wenn alle Lust an ihrem Job hätten, wenn alle nach oben kommen wollen, wenn alle für die Raute spielen und kämpfen und rennen würden und bei jedem Spiel 100 Prozent ihrer Möglichkeiten geben würden, dann könnte das, was der HSV spielt, wieder nach Fußball aussehen. Doch daran hapert es. Die Durststrecke hält nun schon seit 1987 an.

Wie aber schaffen es die verantwortlichen Herren des HSV, dass dieser Traditionsclub, der Verein der Rothosen, doch noch einmal ganz oben angreifen kann? Das mag sich zunächst wirklichkeitsfremd anhören. Doch man könnte die Trendwende schaffen, indem den Herren Profis vorgelebt wird, worum es geht. Die Impulse müssen von oben kommen, von ganz oben. Und natürlich auch von den sportlich Verantwortlichen. Es ist beim HSV in diesem August 2013 bereits fünf nach zwölf. Weil immer mehr Sympathisanten abspringen und die Nase von ihrem langjährigen Lieblingsverein gestrichen voll haben.

Kürzlich spielte die Nationalmannschaft 3:3 gegen Paraguay. Anschließend klagte der DFB-Kapitän Philipp Lahm fast ein wenig weinerlich: „Wir haben nur zweimal miteinander trainieren können, da konnten wir uns nicht einspielen…“ Kurz zuvor hatte im deutschen Fußball die erste DFB-Pokalrunde stattgefunden. Unter anderem erwartete der Regionalliga-Club Wilhelmshaven die Borussen aus Dortmund. Bis zur 71. Minute hieß es am Jadebusen 0:0, dann gewann der BVB doch noch 3:0. Kurios daran: Einige der unterlegenen Wilhelmshavener kannten ihre Mitspieler überhaupt nicht – oder erst seit wenigen Minuten. Sechs Spieler waren erst ein oder zwei Tage vorher verpflichtet worden. Und dennoch hielt die Mannschaft mit den Unbekannten gegen den Champions-League-Finalisten lange ein 0:0. Fast unglaublich, denn der Außenseiter Wilhelmshaven, kleine, namenlose und tapfere Amateure, hatte sich ja nicht einmal einspielen können…

Damit will ich sagen: Manchmal, wenn man einfach nur Fußball spielen will, geht es auch so, gegen jede vermeintliche Regel. Nämlich dann, wenn man sein Herz in beide Füße nimmt, wenn man der Leidenschaft freien Lauf lässt, wenn man mal das ganze unwirkliche Star-Gehabe beiseitelässt, wenn man nur mit Freude und Spaß, aber vor allem mit einem unbändigen Willen ganz einfach nur seinem Sport nachgehen will. Und nicht vergessen: laufen, laufen, laufen. Wenn dann auch noch all die mitmachen, die draußen sitzen, könnten Berge versetzt werden.

Darüber sollte dieser HSV mal nachdenken, wenn er nicht noch weiter im Chaos versinken will. Nur so kann er alte Freunde zurückgewinnen. Und vielleicht auch wieder einmal ein paar neue dazu.

Dieter Matz, Abendblatt-HSV-Experte und Blog-Vater („Matz ab“), mit seiner aktuellen Freitags-Analyse

Die HSV-Kolumne „Matz ab“ finden Sie täglich im Internet unter www.abendblatt.de/matz-ab