An der Klasse des HSV-Letten scheiden sich die Geister. Eine Analyse

Hamburg. Die seit Wochen beim HSV laufende Diskussion über die Verpflichtung eines hochkarätigen Stürmers lässt Artjoms Rudnevs kalt. Darauf angesprochen entgegnet der 25-Jährige nur, dass er sich in Hamburg und in der Bundesliga durchsetzen wolle und ein Wechsel aufgrund womöglich mangelnder Wertschätzung nicht infrage käme. Die anfangs torlose Vorbereitung des Letten heizte diese Debatte zusätzlich an – doch durch seine beiden Treffer beim 4:0-Pokalsieg in Jena und zuvor im Testspiel gegen Inter Mailand ließ er zuletzt sportliche Argumente für sich sprechen.

Über die wahrhafte Klasse Rudnevs‘ scheiden sich die Geister. Technisch sei er zu schwach, die Bälle sprängen ihm weg, sagen die einen. Schnell, torgefährlich und entwicklungsfähig, sagen die anderen. Fakt ist, dass der Stürmer in seiner ersten Saison in einer europäischen Topliga zwölf Tore erzielte, dazu vier Torvorlagen beisteuerte – Anpassungsschwierigkeiten sehen anders aus. Für Rudnevs spricht zudem, dass er nur schwer auszurechnen ist: Vier Treffer erzielte er per Kopf, sechs mit rechts, zwei mit links. Ein variabler Stürmer, den der HSV offiziell nur bei einem „unmoralischen Angebot“ abgeben würde, welches inoffiziell auf über sechs Millionen Euro taxiert wurde.

Fraglich bliebe, ob selbst ein solcher Betrag ausreichen würde, um höherwertigen Ersatz verpflichten zu können. Denn ein Vergleich mit dem lange umworbenen und ähnlich teuren Stürmer vom FC Everton, Nikica Jelavic, lässt den Hamburger nicht unbedingt schlecht aussehen: So benötigte Rudnevs in der Bundesliga lediglich 202 Minuten für ein Tor, Jelavic in der Premier League 212 Minuten. Zudem liegt der HSV-Profi auch bei der Chancenverwertung mit 18,8 Prozent vor Jelavic (15,5 Prozent), wie die Castrol-Edge-Analyse ergab. Diese offenbart aber auch Rudnevs‘ Schwächen: Seine Passgenauigkeit (55,5 Prozent), schlechtester Wert aller Feldspieler in der Bundesliga, liegt deutlich hinter der seines virtuellen Kontrahenten aus England (68,4). Gegen Schalke wird Rudnevs am Sonntag wohl in der Startelf stehen und kann beweisen, dass er sich technisch weiterentwickelt hat. Sollte das der Fall sein, wird die „unmoralische Grenze“ des bis 2016 vertraglich Gebundenen weiter in die Höhe schnellen.