50 Jahre nach Uwe Seeler steht Enkel Levin Öztunali in Leverkusen vor seinem Profidebüt

Leverkusen. Die Anfrage von Bayer Leverkusen war nur eine von vielen und kam keineswegs überraschend. Der 2014 auslaufende Vertrag des größten deutschen Abwehrtalents ließ die Clubs in der ersten Jahreshälfte Schlange stehen. „Alle Erstligisten aus Deutschland, England und Spanien hatten ihn auf dem Zettel“, sagt der ehemalige HSV-Sportchef Frank Arnesen. Doch Jonathan Tah, 17 Jahre junger Abwehrchef und Mannschaftskapitän der U17-Nationalelf, unterschrieb seinen ersten Profivertrag beim HSV. Bayer verpflichtete stattdessen Tahs gleichaltrigen Kumpel, Levin Öztunali.

Bereits als 13-Jährige hatten sie beim HSV zusammen gespielt, die Entwicklung der Leistungsträger verlief parallel, im Club wie im Nationalteam – bis zu diesem Sommer. Tah blieb und ist bei den ständig zwischen Europa- League-Träumereien und Abstiegsangst changierenden Hanseaten aktuell Innenverteidiger Nummer vier. Öztunali ging – und startete beim Champions-League-Teilnehmer als die Entdeckung der Vorbereitung durch.

War seine Einwechslung im ersten Testspiel bei Schwarz-Weiss Essen noch vom Fehlen zahlreicher Leverkusener Profis begünstigt, hat der Mittelfeldspieler seinen Platz im Kader bis heute verteidigt. Cheftrainer Sami Hyypiä setzte den eigentlich zunächst für die U23 eingeplanten Neuzugang in sämtlichen Vorbereitungspartien ein. Öztunali gefiel im 4-3-3-System auf der Außenposition, vor allem aber im 4-2-3-1-Schema vor der Abwehr. Beim jüngsten 1:1 gegen Kaiserslautern bescheinigten ihm zahlreiche Beobachter die beste Leistung aller Akteure. „Er ist wirklich schon sehr weit“, findet auch Hyypiä, der seinen mit Abstand jüngsten Spieler für das DFB-Pokalspiel am Sonnabend beim SV Lippstadt in den Kader berufen dürfte. Öztunali kann sogar auf einen Einsatz hoffen.

Verstecken können die Leverkusener ihn ohnehin nicht mehr, zu auffällig ist die Leistungssteigerung. „Wahnsinn, wenn man bedenkt, dass der Junge vor vier Wochen noch B-Jugend gespielt hat“, wundert sich Sportdirektor Rudi Völler. Auch Uwe Seeler ist beeindruckt: „Er wird das schaffen. Er ist ein bescheidener Junge. Bodenständig, ehrlich und ehrgeizig. Das hat er von mir.“ Der DFB-Ehrenspielführer muss es wissen, er ist Öztunalis Großvater, doch angesichts der fußballerischen Qualitäten wird der Sohn von Seeler-Tochter Frauke nicht mehr einzig über die Verwandtschaftsverhältnisse definiert. Aus „Seelers Enkel“ ist „Bayers Juwel“ geworden. Ein lernwilliges Talent, physisch wie psychisch präpariert, um seinem Opa nachzueifern.

Und während Tah nach dem 0:4 des HSV am Mittwoch in Dresden schon am nächsten Morgen wieder die Schulbank drückte, genießt Öztunali seine Ferien im Profikader. Gut möglich, dass er das zwölfte Schuljahr im September als Bundesligaspieler beginnt.