Abendblatt-Reporter Florian Heil simulierte fünf Tage lang das Training der HSV-Profis. Ein Versuch, in dem er seine Grenzen überschritt

Hamburg. Es ist vollbracht. Fünf Tage lang habe ich versucht, das Training der HSV-Profis im Trainingslager im österreichischen Zillertal so detailgetreu wie möglich nachzustellen: Läufe am frühen Morgen, Kraftzirkel und Stabilisationsübungen bei einem Physiotherapeuten und natürlich Fußballtraining satt. Zudem habe ich mich strikt an den Ernährungsplan der Fußballer gehalten, der mit meiner bisherigen Kost nicht viel gemein hatte.

Um es gleich auf den Punkt zu bringen: Für einen 37-Jährigen, der sonst zweimal die Woche joggen geht, ist das Programm in der von den HSV-Trainern zusammengestellten Intensität nicht annähernd durchziehbar. Wo der Profi bei Kräftigungsübungen 30 Wiederholungen macht, platzte mir bei 15 fast der Oberschenkel. Zudem habe ich überwiegend mit den Bezirksligafußballern des Niendorfer TSV trainiert, die freundlicherweise darauf verzichtet haben, in mir einen Konkurrenten um einen Stammplatz zu sehen und mich dementsprechend zu drangsalieren. Jeder seriöse Zweikampf gegen einen Bundesligaspieler hätte einen ganz anderen Grad an Belastung ausgelöst, in dessen Folge ernsthafte Verletzungen wohl nicht ausgeblieben wären.

Die Kontrolle der Beine oblag nur noch einem Ur-Instinkt

Schon am zweiten Tag des Projekts musste ich mich zurücknehmen, am dritten schoss ein bis dato nie erlebter Muskelkater durch meinen Körper. Auch an Stellen, an denen ich bis dahin keine Muskeln vermutet hatte. Vor allem nach dem Aufstehen fühlte ich mich völlig ausgemergelt. Zwischenzeitlich lief ich wie ferngesteuert, die Kontrolle der Beine oblag nur noch einem Ur-Instinkt. HSV-Arzt Philip Catala-Lehnen hatte mir im Vorwege prognostiziert, dass mein Körper nach drei Tagen spätestens bei einem Spiel über eine Halbzeit „zumachen“ wird.

Er hatte recht. Auch wenn mein Spiel nur im Zuge einer Trainingseinheit stattfand, war ich nur darauf bedacht, den Ball gleich wieder abzuspielen. Bloß keine kraftraubenden Alleingänge, keine Sprints, keine Duelle. Mein Körper war ein Zellhaufen, der deutliche Signale sendete: Ausruhen! Doch die Regeneration beschränkte sich auf das zwölf Grad kalte Entmüdungsbecken und Saunagänge in den späten Abendstunden. Eine Vollmassage am Ende des zweiten Tages war Gold wert.

Der fünfte Tag endete mit einem letzten Lauf und einem abschließenden Kraftzirkel, der den Rumpf stabilisieren sollte. Seit Jürgen Klinsmann als Nationaltrainer das Theraband wiederentdeckt hatte, wird beim Profitraining der meisten Mannschaften viel Wert auf Stabilisation gelegt. Ich durfte bei meiner Abschlusseinheit mit meinem Physiotherapeuten Sebastian Möller-Riepe (möller-riepe.de) jedoch auch mit dicken Seilen einen sogenannten „Rope Circle“ absolvieren, den sich HSV-Konditionstrainer Nikola Vidovic ausgedacht hat. Sieht harmlos aus, bringt einen geschundenen Körper jedoch schnell an die absolute Grenze. Die war für mich nach fünf Tagen eigentlich längst überschritten.

Immerhin habe ich mich während der Zeit des Projekts sportgerecht ernährt. Viel Eiweiß, keine raffinierten Kohlenhydrate wie Getreide, auch keine Nudeln. So gut wie kein Zucker. Stattdessen Obst und Salat, Fisch und Geflügel. Das mag meinem Körper gutgetan haben, meiner Seele dagegen gar nicht. Ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass viele Profifußballer ihre Karriere lang konsequent nach diesem Plan leben. Wer bei dem derzeitigen Wetter Leute mit einem Becher voller Haselnusseis mit Sahne vorbeischlendern sieht und selbst nur Haselnüsse aus der Tüte essen darf, fragt sich schon, was er falsch gemacht hat.

Natürlich hatte dieses Projekt auch gute Seiten. Selbst ich, der im Gegensatz zu den Profis sein Essen selbst zubereiten und seine Erfahrungen täglich niederschreiben musste, hatte noch reichlich Freizeit zwischen den Einheiten. Mangels profigerechter Bezahlung habe ich diese zwar nicht mit Besuchen von Sportwagenhändlern oder Designerboutiquen verbracht, aber auch der Garten gewinnt in der Nachbetrachtung deutlich gegen das Großraumbüro.

Zudem hat die knappe Woche der Quälerei und Enthaltsamkeit tatsächlich Veränderungen an mir hervorgerufen, wie die Nachuntersuchung im Athletikum des UKE ergab: Der Fettgehalt meines Körpers hatte sich von 23 auf 18,4 Prozent beachtlich reduziert, zudem soll ich rund 200 Gramm pure Muskelmasse zugelegt haben. Ich hab mich vorher allerdings auch mit 23 Prozent Fett am Körper ganz wohl gefühlt und bin inzwischen schon wieder fleißig dabei, das wieder hinzukommen.

Was bleibt nach diesem Selbstversuch? Zuallererst die Einsicht, dass meine Zeit als aktiver Fußballer vorbei ist. Als Leistungssportler sowieso. Dass Schmerzen relativ sind. Und dass sich Profis in der Blüte ihres Lebens solch einem Training ruhig aussetzen sollten – ein Hobbysportler wie ich, im Herbst seiner Leistungsfähigkeit angekommen, am Schreibtisch jedoch besser aufgehoben ist.

Für das durchschnittliche Jahresgehalt eines Fußballprofis würde ich es mir freilich noch mal überlegen.

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