Aufsichtsratschef Manfred Ertel spricht über ein angebliches Millionenloch und das gescheiterte Misstrauensvotum gegen seine Person. Der HSV stand kurz vor einer Führungskrise.

Hamburg. Es fehlte nicht viel, und den HSV hätte eine Führungskrise erschüttert. Doch der Antrag, ein Misstrauensvotum gegen den Aufsichtsratsvorsitzenden Manfred Ertel auf die Tagesordnung zu nehmen, scheiterte.

Hamburger Abendblatt: Herr Ertel, ist die Zeit für eine Retteraktion gekommen?
Manfred Ertel: Nein, warum auch?

Aus dem HSV heraus wird kolportiert, es gebe ein erneutes Millionenloch. Von zehn Millionen Euro ist die Rede, die bis zum Transferende am 31. August erwirtschaftet werden müssen.
Ertel: Solche gezielten Indiskretionen sind unfair und extrem vereinsschädigend und verdienten die Rote Karte, denn sie kommen zu einem aberwitzigen Zeitpunkt und stellen falsche Zahlen und Fakten in den Raum. So gibt es zum Beispiel keinen Transferstopp.

Aber es stimmt, dass Sie jetzt erst einmal Spieler wie Robert Tesche, Marcus Berg oder Gojko Kacar abgeben müssen?
Ertel: Es ist doch bekannt, dass wir für Spielerverkäufe seit einem Jahr eine Erlöserwartung von rund sechs Millionen Euro mit uns herumschleppen. Fakt ist auch, dass wir zuletzt einen stark überteuerten und aufgeblähten Kader hatten. Ich bin aber zuversichtlich, dass wir diese Position gegen null bringen können, ich erwarte in den kommenden Tagen die ersten Abgänge. Es ist deshalb unfair, sich mit falschen Fakten einen Zwischenstand herauszupicken. Das ist wie in der Leichtathletik bei einem 400-Meter-Lauf, wo ich auch nicht an der 100-Meter-Marke messe.

Tatsächlich nimmt der HSV aber von den zehn Millionen Euro Ablöse für Son nur rund acht Millionen Euro ein, der Rest geht an Familie und Berater.
Ertel: Über Vertragsinhalte rede ich nicht. Nur so viel: Bei der Vertragsverlängerung mit Son 2010 wurden vom alten Vorstand vertragliche Zusagen gemacht, die wir natürlich einhalten.

Ist es denn verkaufsfördernd, Kacar & Co. nach Ochsenzoll zu schicken?
Ertel: Dass wir uns von bestimmten Spielern trennen wollen, weiß inzwischen doch ganz Europa. Schädlich ist dagegen, wenn aus den eigenen Reihen ein angebliches neues Zehn-Millionen-Loch kolportiert wird. Realistisch gesehen werden wir so keine großen Ablösen mehr erzielen können. Aber es ist auch eine Chance für diese Spieler. So kann es für beide Seiten zu einer Win-win-Situation kommen, schließlich spart der HSV die Gehälter. Und darf ich daran erinnern, dass wir uns am dritten Tag der Transferperiode befinden? Natürlich wird sich der Vorstand an den Ergebnissen messen lassen, auch in Sachen Vermarktung, wobei wir beim Logenverkauf jetzt schon besser liegen als im Vorjahr. Aber erst am 31. August.

Dennoch wirkt es von außen so, als ob im Verein schon wieder ein neuer Machtkampf tobt. Sogar ein Misstrauensvotum gegen Sie bei der letzten Aufsichtsratssitzung am Montag wurde angestrebt.
Ertel: Man kann schon den Eindruck gewinnen, dass hier aus einer Minderheitenposition heraus eigene Politik betrieben wird und handelnde Personen diskreditiert werden sollen. Der Versuch, den Vorstand in seiner Existenz zu erschüttern, verurteile ich aufs Schärfste. Und ich werde mich dagegen wehren, meine persönliche und berufliche Integrität durch üble Nachrede erschüttern zu lassen. Vor solchen Niederträchtigkeiten zu kapitulieren und ihren Urhebern den Verein zu überlassen kommt aber nicht infrage.

Ist denn so im Aufsichtsrat überhaupt eine fruchtbare Zusammenarbeit möglich?
Ertel: Ich bin mit breiter Mehrheit von acht zu drei Stimmen zum Vorsitzenden des Aufsichtsrats gewählt worden. Das ist doch eine gute Basis.

Dennoch wollten vier Aufsichtsräte Ihre Abwahl auf die Tagesordnung nehmen.
Ertel: Solange die Mehrheit des Aufsichtsrates findet, dass wir und auch ich als Vorsitzender gute Arbeit zum Wohl des HSV machen, werden wir unseren Job im Interesse des HSV unbeirrt fortsetzen und uns durch Indiskretionen nicht aus dem Takt bringen lassen. Wie gut das funktionieren kann, wenn wir uns alle an die demokratischen Spielregeln halten, hat der Aufsichtsrat doch gerade bei der zügigen, erfolgreichen und einstimmigen Berufung unseres neuen Sportchefs Oliver Kreuzer oder bei dem übrigens einstimmig beschlossenen Budget des Vereins bewiesen. Da hat nicht nur der Personalausschuss sehr eng, loyal und homogen zusammengearbeitet. Ich denke, dass der Aufsichtsrat unterm Strich bislang gute Arbeit geleistet hat. Das sollten wir nicht durch persönliche Eitelkeiten und eigene Interessen gefährden.