Strukturreform: Der Ex-Chefkontrolleur will mehr Kapitalgeber und weniger Aufsichtsräte für den Hamburger SV.

Hamburg. Manchmal reichen 30 Sekunden aus, um 125 Jahre auf den Kopf zu stellen. Länger als eine halbe Minute braucht Otto Rieckhoff jedenfalls nicht, um zwischen Hauptgang (Pannfisch) und dem Cappuccino danach die Zukunft des HSV auf ein Blatt Papier zu skizzieren. "Wir brauchen eine grundlegende Strukturreform für den HSV", sagt der frühere Aufsichtsratschef, als er mit seinem Organigramm des 1887 gegründeten Traditionsvereins schließlich fertig ist.

Nach Aufsichtsratsmitglied Jürgen Hunke, der in der vergangenen Woche sein ausgearbeitetes Diskussionsmodell für einen neuen HSV öffentlich machte, ist es nun also Rieckhoff, der die Organisation des Vereins tief greifend verändern möchte. Der lautstarke Applaus auf der Mitgliederversammlung vor einer Woche, auf der Rieckhoff forderte, "die gesamte Struktur des HSV zu ändern", hat den früheren Kontrolleur in seinem Vorhaben bestätigt. "Ich habe nach meiner Rede viel Zustimmung erfahren", sagt der 61-Jährige im Gespräch mit dem Abendblatt: "Es ist doch klar, dass es so wie bisher nicht mehr weitergehen kann."

Dass sich beim HSV ganz grundsätzlich etwas ändern muss, da sind sich Rieckhoff und Hunke also einig. Nur bei den Fragen nach dem "Was?" und dem "Wie?" könnten die beiden einstigen Kollegen im Aufsichtsrat kaum unterschiedlicher Meinung sein.

"Ich bin ein Traditionalist", sagt Hunke, der entgegen der Tradition des HSV für eine Art Ausgliederung der Profiabteilung plädiert, die er allerdings nicht Ausgliederung nennen will. Wichtigste Merkmale seines Modells: Hunke setzt sich statt des in der aktuellen Struktur bestehenden vierköpfigen Vorstands für eine fünfköpfige Geschäftsführung ein, die sich aber ausschließlich um die Profifußballer des HSV kümmern sollte. Die Breitensportabteilung soll dagegen nur noch durch einen ehrenamtlichen Präsidenten geführt werden, wobei ein deutlich aufgewerteter Aufsichtsrat in der Gesamtverantwortung des Vereins zu stehen habe. Hunkes Wunsch: Der Aufsichtsratsvorsitzende müsste Mitglied in der Geschäftsführung für die Profis und beim Breitensport werden. Ob das Kontrollgremium wie bisher aus elf Mitgliedern oder doch nur noch aus sieben Teilnehmern bestehen soll, lässt Hunke dabei bewusst offen. Wichtiger als die Anzahl der Kontrolleure ist ihm die Verantwortung des Aufsichtsrats, die nach seinem Wunsch stark ausgebaut werden sollte. "Letztendlich geht es darum, die Effizienz zu erhöhen und den Verein zu modernisieren", sagt er.

Das gleiche Ziel hat auch Rieckhoff, der aber einen völlig anderen Weg dorthin einschlagen will. Statt mehr Verantwortung für die Kontrolleure fordert er weniger Macht für das Gremium, dem er bis zum vergangenen Januar selbst angehörte. "Der Traditionsverein HSV leidet zunehmend seit Jahren in der öffentlichen Wahrnehmung unter einem eklatanten Imageverlust durch einen zu großen Aufsichtsrat", sagt der Ex-Aufsichtsrat, der den Vorstand dadurch aufwerten will, dass der Vorsitzende automatisch einen Sitz im Kontrollgremium haben sollte.

Viel wichtiger ist Rieckhoff aber etwas anderes: Um die Profiabteilung der Fußballer zu stärken, plädiert er für die Bildung einer Kapitalgesellschaft, die nach dem Vorbild von Bayern München (siehe Infotext) offen für Anteilseigner sein soll. "Es ist eine geeignete Rechtsform für eine Kapitalgesellschaft auszuwählen oder aus der vorhandenen HSV-Gruppe zu nutzen, wobei eventuell andere Gesellschaften des Konzerns aufgelöst werden können", sagt Rieckhoff, der den HSV attraktiver für externes Kapital machen will. Dabei kann sich Rieckhoff ähnlich wie bei Bayern Firmen als Anteilseigner vorstellen, aber auch Einzelpersonen wie beispielsweise Klaus-Michael Kühne, der Protagonist des ersten Investorenmodells vor vier Jahren war: "Wir müssen billiges Kapital schaffen, und das billigste Kapital sind nun mal Investoren."

Elementar wichtig ist Rieckhoff, dass trotz der von ihm geforderten Änderungen das Mitspracherecht der Mitglieder erhalten bleibt: "Die Entscheidungshoheit einer eventuellen Anteilsveräußerung verbleibt dauerhaft bei der Mitgliederversammlung des HSV e. V." So will der einstige Kontrolleurschef sicherstellen, dass zukünftig auch Vertreter von Investoren im Aufsichtsrat sitzen könnten, die Mehrheit im Gremium aber durch den HSV e. V. gestellt wird: "Der HSV e. V. wird immer die Mehrheit der Aufsichtsräte für die Kapitalgesellschaft stellen, hat selbst aber dieses Gremium nicht."

So unterschiedlich die Vorschläge von Rieckhoff und Hunke auch sein mögen, so ähnlich sind ihre weiteren Planungen. Beide betonen, dass ihre Modelle lediglich Gesprächsgrundlagen für eine Grundsatzdebatte im Verein sein sollen. Erst sechs Wochen vor der im Januar terminierten Mitgliederversammlung wären Anträge für Satzungsänderungen fällig. Für eine Annahme durch die Mitgliedschaft wäre eine Dreiviertelmehrheit erforderlich.

Entscheidend für den Erfolg der Anträge dürfte letztendlich das Wohlwollen der beim HSV sehr mächtigen Mitgliedervereinigung Supporters sein. "Grundsätzlich steht ein Großteil der Mitglieder der Bildung einer Kapitalgesellschaft kritisch gegenüber. Investoren können sich doch auch bei der aktuellen Vereinsstruktur beteiligen", sagt Supporterschef Christian Bieberstein und ergänzt: "Wichtig ist, das die Diskussion innerhalb der Mitgliedschaft geführt wird. Die Abteilungsleitung der Supporters wird sich daran intensiv beteiligen und auch Plattformen für Diskussionen zur Verfügung stellen." Letztendlich kann man 125 Jahre Vereinsgeschichte eben doch nicht in nur 30 Sekunden auf den Kopf stellen.

Nach Medienberichten aus Griechenland und Schweden soll sich Marcus Berg mit Panathinaikos Athen einig sein. Der HSV-Stürmer wird an diesem Montag zum Medizincheck erwartet.