Die HSV-Mitglieder nehmen die Chefs des Aufsichtsrates und Vorstandes auf der Mitgliederversammlung ins Visier. Es hagelte dabei reichlich Kritik.

Hamburg . Als Manfred Ertel um 16.50 Uhr die Mitgliederversammlung auf der Westtribüne beendete, lag ein weiterer anstrengender Arbeitstag hinter dem Aufsichtsratsvorsitzenden des HSV. Erst kurz vor Beginn der Veranstaltung hatte sich Ertel mit dem KSC über den Transfer von Oliver Kreuzer zum HSV verständigt. Während der Versammlung musste sich der "Spiegel"-Journalist dann zum Teil heftiger Kritik erwehren. Am Abend traf sich der Aufsichtsrat ein weiteres Mal, um auf einer Dringlichkeitssitzung den neuen Sportfive-Vertrag abzusegnen. Doch auf Ertel und die anderen HSV-Funktionäre, das zeigte der Sonntag, wartet in den kommenden Monaten viel Arbeit.

Wie sehr das Ansehen des Kontrollgremiums gelitten hat, zeigte sich beim Auftritt des früheren Aufsichtsratsvorsitzenden Otto Rieckhoff, der sich bereits früher vehement für eine Verkleinerung des Rats eingesetzt hatte. "Ich fühle mich bestätigt, dass dieses große Gremium nicht führbar und nicht handlungsfähig ist", rief Rieckhoff den 632 Mitgliedern zu und warf den Amtsinhabern Dilettantismus bei der Sportchef-Suche vor: "Mit wem will man noch verhandeln, wenn vertrauliche Gespräche öffentlich werden?" Es sei an der Zeit, die gesamte Struktur des HSV zu ändern, forderte Rieckhoff. Die Reaktion der Mitglieder? Tosender Applaus, sogar stehende Ovationen. Rieckhoff war der umjubelte Star des Tages.

+++ Die Mitgliederversammlung im Liveticker +++

Der unausgesprochene Auftrag, den Vorstand und Aufsichtsrat aus diesem deutlichen Stimmungsbild mitnahmen: Ganz offensichtlich hat die Mitgliedschaft genug vom schlechten öffentlichen Erscheinungsbild des Vereins. Da half es wenig, dass Ertel versprach, vom Herbst an zweimal pro Saison einen Informationsabend des Aufsichtsrats für Mitglieder durchzuführen. Galt es früher als ausgeschlossen, dass sich eine Mehrheit für eine Verkleinerung des Aufsichtsrats findet, könnte es in ein, zwei Jahren auf eine gravierende Veränderung hinauslaufen.

Für Ertel war es ein eher ungemütlicher Tag. Nach seinem Facebook-Eintrag, in dem er sich über die Steueraffäre von Uli Hoeneß lustig gemacht hatte, forderten mehrere Mitglieder den Rücktritt des Aufsichtsratsvorsitzenden. Dabei hatte Ertel eingestanden, einen Fehler begangen zu haben und sich entschuldigt. "Natürlich haben die letzten Tage Spuren hinterlassen. Niemand möchte zwei Wochen lang beleidigt werden", sagte Ertel am Abend.

Andere wie Konstantin Rogalla nahmen den Vorstandsvorsitzenden Carl Jarchow ins Visier: "Derjenige, der mit Platz sieben das sportliche Ziel erreicht hat, wird gefeuert, aber der, der sein Ziel einer schwarzen Null grandios verfehlt, bekommt seinen Vertrag um drei Jahre verlängert. Das nennt man Realsatire."

Pluspunkte bei den Mitgliedern sammelte Jarchow hingegen, als er die Rahmenbedingungen des neuen Sportfive-Vertrages erläuterte. Demnach verzichtet der Vermarkter erstens auf die Rückzahlung des Darlehens von 12,4 Millionen Euro. Zweitens verzichtet Sportfive rückwirkend für die Saison 2012/13 auf Provisionen aus TV-Rechten. Diese Einnahmen werden auch künftig bis zum Vertragsende (2020 statt zuvor 2015) zu einhundert Prozent an den HSV fließen. "Dadurch ergibt sich eine Ertragsverbesserung von insgesamt 30 Millionen Euro", sagte Jarchow. "Wir haben bisher zwischen zwölf und 15 Millionen Euro pro Jahr gezahlt, in Zukunft werden es nur noch sechs bis neun Millionen Euro sein", schätzte Vorstand Joachim Hilke.

Die anfangs eher gereizte Stimmung hatte sich beruhigt. "Stand heute werden wir einen einstelligen Millionenverlust erzielen", sagte der HSV-Chef. "Das können wir uns aber nicht ein weiteres Jahr erlauben. Daran werden wir uns messen lassen."