Huub Stevens sieht seinen ehemaligen Arbeitgeber vor dem Duell bei seinem letzten Club FC Schalke 04 dank Rafael van der Vaart auf dem Weg nach oben.

Hamburg. Er sitzt im Garten seines Anwesens in Eindhoven, als das Abendblatt ihn erreicht. Um ihn herum spielen seine Enkelkinder. Es ist einer der Momente, in denen der ehemalige HSV-Trainer Huub Stevens voll aufgeht. Er erkennt, dass es ein Leben ohne Fußball gibt. Allerdings, und das macht Stevens im Interview klar, diese Woche zählt Fußball noch mal mehr als sonst. Zunächst mit den Champions-League-Halbfinals, aber vor allem wegen des Duells seiner zwei Ex-Clubs HSV beim FC Schalke am Sonntag.

Hamburger Abendblatt: Herr Stevens, geht es Ihnen ohne Fußball gut?

Huub Stevens: Blendend. Ich spiele mit meinen Enkelkindern und kümmere mich um den Garten. Mehr geht nicht.

Außer einem Trainerjob.

Stevens: Nein, das kann - muss aber nicht. Ich habe den Luxus, es mir aussuchen zu können. Ich nehme nicht mehr alles an, wie am Anfang meiner Trainerzeit. Es muss schon wirklich alles passen. Deshalb sitze ich jetzt auch im Garten und bin glücklich.

Am Sonntag werden Sie sich aber sicherlich wieder Bundesliga anschauen, oder?

Stevens: Klar. Schalke gegen HSV - das hat noch Priorität.

Wer gewinnt?

Stevens: Es wird ein enges Spiel. Schalke ist zu Hause gut, der HSV auswärts. Und beide haben große Ziele.

Realistische?

Stevens: Na klar. Schalke steht gut da. Ich habe da doch selbst noch mitgearbeitet und weiß, was diese Mannschaft kann. Sie muss sich für die Champions League qualifizieren.

Muss?

Stevens: Ja! Sportlich, aber auch finanziell. Der Club hat vor einigen Jahren viel im Voraus finanziert und in der jüngsten Vergangenheit keine großen Sprünge machen können. Die Schuldenlast war groß. Und das ist heute nicht anders.

Beim HSV leider auch nicht.

Stevens: Stimmt. Aber in Hamburg konnte man zu Saisonbeginn noch mal ordentlich investieren. Und das völlig zu Recht. Ein Rafael van der Vaart war sehr teuer - aber das Risiko wert. Das Team brauchte einen Führungsspieler.

Wie bewerten Sie den Kapitänswechsel von Westermann zu van der Vaart?

Stevens: Heiko war ein guter Kapitän, aber eben in allen Belangen ein ganz anderer Typ. Rafael ist schon sportlich ein Leitwolf, der junge Leute wie Heung Min Son führt. Son wird auch besonders durch Rafael besser. Durch einen van der Vaart in der Verantwortung trittst du innerhalb der Mannschaft einfach etwas los, weil alle auf ihn hören.

Wo landet der HSV am Ende?

Stevens: In der Europa League. Die Mannschaft scheint intakt. Es herrscht wieder positive Stimmung. Das passt.

Wieder?

Stevens: Ja, wie damals. Als ich ging, dachte ich, der HSV würde sich so weiterentwickeln, auf internationalem Niveau. Dem war nicht so. Dieses Jahr hat man das mit viel Geld korrigiert. Jetzt hoffen alle in Hamburg. Das ist positiv. Zwischendurch in dieser Saison schienen aber sehr viele zu vergessen, wo der HSV herkommt. Die waren enttäuscht, wenn der HSV nicht unter den ersten sechs war. Das ist jetzt nicht mehr so. Die Verantwortlichen arbeiten gut, sie bewahren die Ruhe. Und aus der Ferne geurteilt, scheint Thorsten Fink die Mannschaft gut zu erreichen. Das kann auf Sicht gut funktionieren.

Abendblatt: Wenn personell nachgerüstet wird. Innenverteidiger Felipe Santana von Borussia Dortmund ist bei beiden Clubs Thema. Wer braucht ihn mehr?

Stevens (lacht): Felipe habe ich schon zu meiner Zeit bei Schalke da ins Gespräch gebracht, der Junge ist gut. Beide können ihn gut gebrauchen. Wobei ich beim HSV mit Mancienne und vor allem Bruma zwei Verteidiger neben Westermann sehe, die das Potenzial hätten. Sie müssen aber langsam wach werden und jetzt zeigen, dass sie es wirklich können.

Bruma wurde mitgeteilt, dass er im Sommer nicht verpflichtet wird.

Stevens: Ja, weil er sich nach zwei Jahren nicht durchgesetzt hat, was sehr erstaunlich ist. Das hätte er schaffen müssen. Das kann nur mentale Gründe haben. Jeffrey hat wirklich alles. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in Hamburg einen Innenverteidiger gibt, der besser ist. Aber er muss das dem Trainer auch zeigen. Das hat er wohl nicht. Und das ist sehr schade. Für alle.

Borussia Dortmund und der FC Bayern München marschieren in der Bundesliga vorneweg. Sind die beiden Top-Clubs in naher Zukunft überhaupt von irgendwem aufzuhalten?

Stevens: Nein, in den nächsten Jahren nicht. Auch nicht von Schalke. Die können da oben erst mal nicht mitmischen und sollten versuchen, sich zwischen Rang drei und sechs einzuleben. Beim HSV ist das immer so eine Sache. Bleibt's ruhig und die Leute dürfen konstant arbeiten, ist vieles drin. Allerdings auch erst ab Rang drei.

Wer gewinnt denn die Champions League? Bayern? Dortmund?

Stevens: Der Gewinner der Partie Bayern gegen Barcelona. Das ist das vorweggenommene Endspiel, wobei ich jetzt eine große Chance für ein deutsch-deutsches Finale sehe, da Dortmund gegen Real sehr gute Chancen hat. Es wird ein spannendes Duell Deutschland gegen Spanien. Besonders für die Leute, die sich für Spielsysteme interessieren. In den Duellen wird alles zu sehen sein.

Am Dienstagabend um 18 Uhr tritt der HSV zum Freundschaftsspiel beim Landesligisten TSV Winsen (Jahnplatz, Winsen) an.