Am Mittwoch stellt HSV-Sportchef Frank Arnesen dem Aufsichtsrat sein neues Jugendkonzept vor. Neuer Leiter soll Michael Schröder werden.

Hamburg. Die Termine stehen schon seit Langem fest: An diesem Dienstag trifft sich der HSV-Vorstand, am Mittwoch der Aufsichtsrat. Nur die genaue Agenda - bei beiden Treffen die gleiche - war bis vor Kurzem noch geheim. Am Montag entschied der HSV nun überraschend, öffentlich zu machen, worüber Sportchef Frank Arnesen zunächst seine Vorstandskollegen und einen Tag später die Kontrolleure im Detail informieren wollte: das überarbeitete Nachwuchskonzept und das damit verbundene Aus von Bastian Reinhardt als Nachwuchschef.

Somit endet eine der ungewöhnlichsten Karrieren beim HSV. Reinhardt arbeitete nach seiner aktiven Karriere (166 Bundesliga-Spiele) zunächst als Praktikant in der Geschäftsstelle. Dann stieg er quasi über Nacht zum Sportvorstand auf, nachdem der Aufsichtsrat zuvor erfolglos einen vorzeigbaren Nachfolger für den entlassenen Dietmar Beiersdorfer gesucht hatte. Als Arnesen kam, musste Reinhardt sein Vorstandsamt abgeben, durfte sich aber bei gleichen Bezügen als Nachwuchschef versuchen.

Da es aus Sicht der Verantwortlichen beim Versuch blieb, ist lediglich der Zeitpunkt der Personalentscheidung überraschend. Bereits vor Monaten soll Arnesen entschieden haben, den im Mai auslaufenden Vertrag von Reinhardt nicht zu verlängern, und dafür im Gegenzug Michael Schröder, den bisherigen Leiter des Nachwuchsleistungszentrums, zu befördern. "Bastian stand in all seinem Tun immer komplett für den Verein ein und hat gute Arbeit geleistet. Ich habe ihn als absoluten HSVer kennengelernt", lobte Arnesen in einer Presseerklärung.

Diese Worte sind einigermaßen erstaunlich. Denn im Verein ist es seit langer Zeit ein offenes Geheimnis, dass der Sportchef und der ehemalige HSV-Profi nur bedingt auf einer Wellenlänge waren. Zuletzt soll Reinhardt bei den Verhandlungen über seine unsichere Zukunft im Verein sogar einen Anwalt hinzugezogen haben. Der Streitpunkt: Offenbar war der 37 Jahre alte Ex-Profi der Meinung, dass sein im Sommer auslaufender Zweijahresvertrag als Nachwuchschef eigentlich unbefristet sei. Nach mehreren Verhandlungsrunden sollen sich Reinhardt und der HSV-Vorstand, der wenig Interesse an einer öffentlichen Auseinandersetzung hatte, auf die Möglichkeit einer späteren Weiterbeschäftigung in einer anderen Funktion geeinigt haben. Bedingung soll sein, dass Reinhardt Trainerscheine erwirbt. "Ich habe drei Jahre im administrativen Bereich gearbeitet. Jetzt möchte ich Erfahrungen in der praktischen Arbeit sammeln und werde daher meine Trainerscheine machen. Das wird bis zur A-Lizenz ungefähr zwei Jahre in Anspruch nehmen", bestätigt Reinhardt, der für weitere Nachfragen nicht zur Verfügung stand. Auch Arnesen ließ sich lediglich auf der Homepage des HSV zitieren: "Bastian hat selbstverständlich die Möglichkeit, dann als Trainer im Nachwuchsbereich des HSV wieder einzusteigen."

Mit Schröder als Nachfolger setzt der Skandinavier ab Sommer nun also auf die siebte Lösung im Nachwuchsbereich seit 2007. Vor der aktuellen Doppelspitze Reinhardt/Schröder war Reinhardt zunächst mit Paul Meier im Amt, davor versuchten sich gemeinsam Meier und Ulf Zimmermann, sowie jeweils alleine Stephan Hildebrandt, Jens Todt und noch mal Hildebrandt. Wer Schröder, der im Gegensatz zu Reinhardt sogar die Fußballlehrerlizenz besitzt und der die sportliche Ausrichtung des Nachwuchsbereichs allein verantworten soll, zur Seite gestellt wird, ist noch offen. Klar ist aber, dass es eine klassische und vor allem teure Doppelspitze nicht noch einmal geben soll.

Bei null wird Schröder, der zuvor bereits als Chefscout beim HSV gearbeitet hat, allerdings nicht anfangen. So wurde unter Reinhardt das Nachwuchsleistungszentrum gerade zum zweiten Mal in Folge mit der höchstmöglichen Wertung von drei Sternen (exzellentes Level) ausgezeichnet, zudem kann der frühere Innenverteidiger darauf verweisen, dass sich unter seiner Führung die Supertalente Jonathan Tah und Levin Öztunali bestens entwickelt haben.

Aktuell kann der HSV auf zehn deutsche Jugendnationalspieler (U16 bis U19) stolz sein, hat mit Maximilian Beister, Zhi Gin Lam und Heung Min Son sogar drei Eigengewächse im Profikader. Ein grundlegendes Konzept haben die HSV-Verantwortlichen im Nachwuchsbereich zuletzt allerdings trotz dieser Erfolge vermisst. Zudem wurde intern kritisiert, dass Reinhardt sich in den vergangenen zwei Jahren als Nachwuchschef nicht weiterbilden wollte. So soll ihm mehrmals nahegelegt worden sein, sich um die Trainerlizenzen zu bemühen, was er erst jetzt nach der Entscheidung gegen eine Vertragsverlängerung in Angriff nehmen will. Seit Kurzem ist es DFB-Auflage, dass die Nachwuchschefs der Profivereine eine Fußballlehrerlizenz haben.

Auf einen Abend ganz ohne Überraschung müssen sich die Aufsichtsräte am Mittwoch allerdings nicht einstellen - ganz im Gegenteil. Denn sobald der Agendapunkt Nachwuchskonzept abgearbeitet ist, will Arnesens Vorstandskollege Carl Jarchow das Wort ergreifen und im zweiten Punkt des Tagesprogramms über die derzeitigen Vereinsfinanzen informieren. Von der vor einem Jahr prognostizierten "schwarzen Null", die sich Jarchow für das laufende Geschäftsjahr erhofft hatte, ist der HSV-Chef längst abgerückt. Ein Millionenminus im zweistelligen Bereich bis zum Ende des Geschäftsjahrs gilt als sicher. Über mangelnden Unterhaltungswert wird sich am Mittwochabend also niemand beklagen können.